Название: Ingenieure - Status und Perspektiven
Автор: Armin Odoleg
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783741833304
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Andererseits: Vor ein Mannloch17 von 60 x 60 cm wurde ein Mannloch von 40 x 60 cm gebaut. Wahrscheinlich wären auch 20 x 40 cm verwendet worden, wenn es zulässig gewesen wäre. Sehr kollegial. Das Mannloch war dazu da, den Zugang zu einem Produkt zu gewährleisten. Und da Serviceleute in dieser Branche normalerweise nicht schmächtig sind, werden sie Probleme haben, dort durchzuschlüpfen. Zudem beide Mannlöcher mit kurzem Abstand versetzt angeordnet wurden.
Eine Anfrage bezüglich der Umkonstruktion wegen des Mannloches war eigentlich deswegen, da die Konstruktion technisch unsinnig war: Das Gussteil war komplex aufgebaut und von der Materialdicke stark unterschiedlich18 . Normalerweise baut man Gussteile möglichst glatt und gleichmäßig dick. Ein Lunker („Gussloch“), der durch die Komplexität gefördert wird, macht solche Teile zu Ausschuss. „Wir haben Gussprobleme“ hieß es später. Das bedeutet „übersetzt“: Wir mussten viele Teile dieser tonnenschweren Platte nach dem Gießen als Ausschuss deklarieren und wegwerfen bzw. wieder einschmelzen.
Als „Zuckerl“ für die Ingenieure: Für dieses Teil mit einem Durchmesser von 2,4 m musste auch ein rechnerischer Festigkeitsnachweis erbracht werden. Das Ergebnis war: „Die Platte hält den Belastungen stand“. Diese Platte sollte aber nicht der Festigkeit dienen, sondern sie sollte Verformungen verhindern. Die Verschiebung der Krafteinleitungspunkte, die einen Hinweis auf dessen Wirkung gegeben hätte, wurde nie thematisiert. Diese Information hätte man aber leicht den Festigkeitsrechnungen entnehmen können.
Dies stellt leider „Neu“-Deutsches Engineering von Ingenieuren dar, die frisch von der Hochschule kommen. Die gut gemeinten Hinweise von Kollegen als helfende Institution werden ignoriert. Ein paar hundert Kilogramm Guss hätte man hier sparen können; Guss „doppelt“ man nicht.
Vor etwa 30 Jahren, hätte man bei der Konstruktion eines solchen Teiles vom Abteilungsleiter einen ordentlichen Rüffel „kassiert“, dass so etwas nie wieder vorgefallen wäre. Heutzutage werden diese Konstruktionen als Patente „durchgedrückt“, um eine bessere Patentstatistik der Abteilung zu bekommen, da selbst Abteilungsleitern häufig komplett die Grundlagen fehlen. Dazu und zu den Ursachen dafür später mehr.
Dunning-Kruger-Effekt
Eine spezielle Form der kognitive Dissonanz ist im so genannten „Dunning-Kruger-Effekt“ zu finden, den es quasi erst seit 1999 als solchen gibt (er wurde vorher bereits anderweitig beschrieben) und über den stark diskutiert wird. Dieser Effekt ist im „Buch der verrückten Experimente II“ dargestellt; Studenten machten einen Test über Allgemeinbildung und wurden vor Bekanntgabe der Ergebnisse gefragt, wie sie ihre eigenen Resultate einschätzen. Das erstaunliche Ergebnis war, dass genau das Drittel der Probanden, die am schlechtesten abgeschnitten hatten, dachten, die Besten zu sein19 . Die Erklärung scheint darin zu liegen, dass gerade den Schlechtesten die Kompetenz fehlt, einzuschätzen, wie gut sie sind. Das Ergebnis ist auch konform mit den Betrachtungen des Kapitels „Überzeugungen“ von Seite 25.
Man hat etwas Analoges ja auch von sich selbst erfahren – nach dem Studium denkt man, man könne alles. Wenn man kompetent ist, relativiert sich dies dann aber. Wenn nicht, kann man sich immer glücklich schätzen, der/die Beste zu sein.
Auch hier zeigt sich, dass Ludwig Wittgenstein mit „Denn um dem Denken eine Grenze zu ziehen, müssten wir beide Seiten dieser Grenze denken können“ Recht hatte, wenn man dies auch auf jedes Individuum überträgt. Jeder ist in jedem Bereich limitiert. Oder anders gesagt: In jedem Bereich gibt es jemanden, der besser ist bzw. der es besser kann.
Gut und Böse, Richtig und Falsch...
...existiert wiederum im normalen Umgang gar nicht. Eine gute Tat zum falschen Zeitpunkt kann katastrophale Folgen haben. Und gut und schlecht sind auch nur in der Wahrnehmung und Bewertung als solche vorhanden.
Als Beispiel sind hier „Gutmenschen“ zu nennen, deren Ruf mittlerweile nicht mehr so gut ist. Vor einiger Zeit berichtete die Presse, dass Tierschützer in einer konzertierten Aktion Tiere aus ihren Ställen „befreit“ hatten. Die Tiere wurden dann so schlecht gehalten, dass man sie einschläfern musste. Dies zeigt, dass es kein „richtig“ und „falsch“ gibt. Selbst Immanuel Kants „Kategorischer Imperativ“, der da lautet: „Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde.“ hilft hier nicht weiter, da die Tierschützer sich sicher waren, ethisch korrekt zu handeln. Dies bedeutet, dass man in den seltensten Fällen sagen kann, ob bei menschlichen Entscheidungen etwas richtig oder falsch gemacht wird.
Die Aktionen stehen zunächst frei im Raum. Paul Watzlawick weist darauf hin, dass die gegenteilige Aktion zu einer falschen Aktion nicht korrekt sein muss. Manchmal ist es besser, man tut nichts. Alles das stellt sich meist erst viel später heraus. Was auch heißt, dass die Käfighaltung der Tiere nicht unbedingt gut war. Die Alternative war aber zumindest zu diesem Zeitpunkt schlechter.
Bei Ingenieuren oder ähnlichen Berufsgruppen ließe sich allerdings der Großteil von „Richtig oder Falsch“ durch Berechnungsformeln oder Gestaltungsrichtlinien für das entsprechende Bauteil entscheiden. Und die Kompetenz der entsprechenden Personen lässt sich meistens über die Anwendung derselben bewerten.
Dem Autor ist bewusst, dass dieses Kapitel deplatziert ist. Es ist der Vollständigkeit halber erwähnt. Insbesondere deshalb, da der „Kantsche Imperativ“ offensichtlich nicht immer ausreicht.
Was denn nun?
Mittlerweile kann man denke ich resümieren, dass es richtig und falsch, schwarz und weiß, gut und böse nicht gibt20 . Nach der griechischen Definition der Philosophie, die die absolute Wahrheit suchte, nach der es ein richtig oder falsch gibt, müsste man jetzt den Kopf in den Sand stecken und beschließen, dass es von der Argumentation her einfach nicht weitergeht. Denn nur aufgrund einer Wahrheit, die absolut ist, kann man einen richtigen Entschluss fassen, wie er auch absolut richtig ist. Wird aus dieser Wahrheit, deren Anspruch es ist, allgemeingültig zu sein, nur eine „Gewissheit“, also eine persönliche Wahrheit, so kann auch nur eine persönlich richtige oder falsche Entscheidung getroffen werden.
Dies bedeutet, dass die Kriterien, die in den vorigen Kapitel angesprochen wurden, häufig nicht „greifen“. Wenn jemand im ingenieurtechnischen Bereich oder auch privat eine Entscheidung treffen will oder muss, so kann er oder sie diese lediglich nach bestem Wissen und Gewissen treffen.
Dies ist analog zu den Naturwissenschaften, in denen man Naturgesetze nicht validieren kann. Man kann sie nur falsifizieren. Dies bedeutet, dass man Hunderte von Experimenten durchführen kann, die zeigen, dass eine Formel richtig ist. Aber es reicht ein einziges Experiment aus, das die gewünschten Ergebnisse nicht bringt. Und damit erweist sich die Formel als falsch. Dies bedeutet, dass die Gültigkeit dieser Formel eventuell eingeschränkt ist und/oder man sie erweitern muss, damit sie wieder richtig wird.
Wenn also die Kriterien des Richtig und Falsch nicht greifen, benötigt man andere Kriterien. Wenngleich wir hier hauptsächlich von Firmen sprechen, so fallen mir ad hoc zunächst einmal Verhaltensmaßregeln ein, auf deren Grundlage jede Gesellschaft funktioniert. Es sind Richtlinien des Handelns und sie betreffen den Umgang miteinander. Dieser verläuft nach „Spielregeln“. Diese sind zwar auch nicht absolut eindeutig, aber doch für alle Gesellschaften sehr ähnlich.
In unserer westlichen Zivilisation sind sie durch das Grundgesetz beziehungsweise die Verfassung festgelegt. Beispielsweise heißt es hier, dass die Würde des Menschen unantastbar sei. Eine ähnliche Sammlung von Spielregeln beziehungsweise СКАЧАТЬ