Status Quo. Thorsten Reichert
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Название: Status Quo

Автор: Thorsten Reichert

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783847618287

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СКАЧАТЬ einigen Tagen mit den NSA-Daten zu tun hatten, waren sicherlich aufs Schärfste gebrieft worden, niemanden davon zu erzählen, schon gar nicht einer Journalistin. Doch es musste Menschen geben, die weniger direkt mit der Sache zu tun hatten. Mitarbeiter in Ministerien vielleicht, Leute aus diplomatischen Kreisen, mit denen sie als Journalistin schon immer einen entspannteren Kontakt gehabt hatte als mit Leuten der Legislative oder Exekutive. Vielleicht sollte sie im US-Konsulat anrufen und sich als LKA-Mitarbeiterin ausgeben, vielleicht hatte sie Glück und ein auskunftsfreudiger, nichtsahnender Mitarbeiter könnte ihr einen Namen, ein paar Infos oder was auch immer verraten. Sie sah ein, dass diese Idee eher in die Kategorie „Verzweiflungstat“ gehörte, und verwarf sie fürs erste. Sie öffnete den Internet-Browser auf ihrem riesigen, elegant geformten Computerbildschirm und begann, sich noch ein wenig tiefer in die Geschichte von BND und NSA einzuarbeiten. Wenigstens an dieser Stelle stand einem Recherchefortschritt nichts im Weg.

       LKA Schleswig-Holstein, Kiel, Dienstag 8.54 Uhr

      Als Martin Johannsen sein Büro betrat, roch es streng nach Toner. Er hatte die Tür wie üblich geschlossen und die Klimaanlage ausgeschaltet, als er gestern Abend nach hause ging. Auf eigenen Wunsch hin hatte er ein Büro ohne Fenster. Er wollte sich ganz auf seine Arbeit konzentrieren und die Flächen der Wände für das Anbringen von Dokumenten, Brain Charts oder ähnlichem nutzen können, daher war ihm eine Klimaanlage lieber als ein Panoramablick über Kiel, den einige seiner Kollegen genießen konnten. Die Laserdrucker hatten ihre Papierkassetten leer gedruckt, insgesamt wohl gut tausend Seiten. Entsprechend roch es in dem knapp 30 Quadratmeter großen Raum. Johannsen schaltete die Klimaanlage auf Maximum und legte neues Papier in die Drucker. Sofort nahmen sie ihre Arbeit wieder auf. Damit es nicht zum Papierstau kommen könnte, hatte er die Auffangklappen für das bedruckte Papier abgenommen, so dass die Ausdrucke zu Boden gefallen und sich dort auf drei Haufen gesammelt hatten. Während die Drucker wieder auf Hochtouren liefen, nahm er sich einen der Haufen und legte ihn auf einen Ablagetisch in der Mitte des Raumes. Er hatte bei den Druckaufträgen darauf geachtet, dass Metadaten mit ausgedruckt wurden, also Name des Dokuments, Gesamtzahl der Seiten, aktuelle Seitenzahl, Druckdatum und einige weitere Daten. So konnte er mehrseitige Dokumente relativ leicht zusammensetzen, auch wenn sie in dem 400-seitigen Haufen nicht in exakter Druckreihenfolge lagen. Er begann, die Dokumente zu sortieren, ohne einen allzu konkreten Plan zu haben, welche Kriterien er dabei ansetzen sollte. Der Haufen, den er vor sich hatte, war der Druckauftrag des Suchvorgangs „Schleswig“ gewesen. Alle Dokumente in diesem Haufen hatten etwas mit Schleswig zu tun, entweder mit der Stadt oder dem Bundesland. Er sortierte alle komplett geschwärzten Dokumente auf einen Haufen, alle teilgeschwärzten auf einen zweiten und alle komplett lesbaren auf einen dritten. Nach wenigen Seiten unterteilte er diesen dritten Haufen nochmals in Emails, eingescannte Briefe und sonstige Textdokumente. Nach einer Viertelstunde hatte er fünf relativ gleich hohe Stapel vor sich. Noch wusste er nicht genau, was er damit wollte, aber eines war ihm klar geworden: Um alle Dokumente sinnvoll ordnen zu können, brauchte er Platz. Viel Platz. Er prüfte, dass die Drucker genug Papier hatten und die Ausdrucke noch keine Zeichen nachlassenden Toners zu sehen waren, dann schloss er sein Büro ab und nahm den Fahrstuhl in den Keller. Es gab dort abhörsichere Konferenzräume und Abstellkeller, die außer zur Lagerung von Papier oder Computern nicht genutzt wurden. Johannsen fand einen Raum, der sicherlich 60 Quadratmeter groß war und außer ein paar niedrigen Aktenschränken, einer handvoll rechteckiger Tische und alten Bürodrehstühlen nichts enthielt. Er bugsierte die Stühle auf den breiten Kellerflur, stellte die Tische zu drei langen Reihen zusammen und nahm die Poster von den Wänden, auf denen für Workstations, „neue“ Computersysteme und Büromöbel der 80er Jahre geworben wurde. Solche Poster waren vor 30 Jahren in gewesen, man war begeistert von der Vorstellung, dass eine Workstation 16 Megabyte Hauptspeicher haben konnte, eine angesichts der 80 Kilobyte, die auf eine damals übliche „Floppy Disk“ passten, unvorstellbar große Zahl. Für Martin Johannsen hatten diese Dinge nie besondere Bedeutung besessen. Er war erst mit Windows XP in das digitale Zeitalter eingestiegen, als innerhalb des LKA die endgültige Umstellung auf Intranetz, Email und digitale Signaturen vollzogen wurde. Vom Telefon, das an der Wand neben der Tür angebracht war, rief er den Techniker an und bat ihn, ihm einen Computer und ein Dutzend 1000er-Packungen Druckpapier in den Raum zu bringen. Außerdem solle er sich um die nutzlosen Bürostühle auf dem Gang kümmern. Als er wieder in seinem Büro war, hatten die Drucker bereits die nächste Ladung Papier verbraucht. Er beschloss, den Druckvorgang im Keller fortzusetzen. Die drei ausgedruckten Haufen stapelte er in einen dreistockigen Beistellwagen, um sie in seinen Kellerraum transportieren zu können. Unten traf er auf den Techniker, der bereits damit beschäftigt war, den PC anzuschließen. Er hatte ihn auf die hüfthohen Aktenschränke gestellt, die sich an der langen Wand entlang zogen. Johannsen bat ihn, die drei Laserdrucker aus seinem Büro zu holen und daran anzuschließen. Dann fiel ihm ein, dass die längst noch nicht abgeschlossenen Druckaufträge auf seinem Büro-PC lagen und es sinnvoller wäre, diesen hier in den Keller zu holen und den Druck fortzusetzen. Daher bat er den Techniker, zunächst den bereitgestellten PC ans Netzwerk anzuschließen, damit er damit Internet zugriff hatte und daneben seinen Büro-PC ohne Netzwerk nur fürs Ausdrucken nutzen konnte. Während der Techniker sich dem Transport und der erneuten Installation der PC-Sachen kümmerte, begann Johannsen damit, die Stapel in die jeweils fünf Unterkategorien zu sortieren. Auf einer der drei Tischreihen legte er die „Kiel“-Stapel aus, auf der nächsten die „Holstein“-Stapel, auf der letzten die bereits zur Hälfte sortierten „Schleswig“-Stapel. Dabei versuchte er so gut es ging, die aus den Druckern gefallenen Haufen so abzuarbeiten, dass die Dokumente in der Reihenfolge ihres Ausdrucks sortiert waren. Er wollte die Arbeit nicht umfangreicher machen als sie es ohnehin schon war.

      Nach einer guten Stunde hatte er sich seine neue Arbeitsumgebung eingerichtet. Die Laserdrucker an der Wand neben der Tür surrten, bestückt mit Papier und neuem Toner, die Stapel auf den Tischreihen waren weiter angewachsen, anstelle der Poster hingen nun mehrere großflächige Pinn- und Magnetwände an den kahlen Betonwänden, darunter lagen Pins und Neonmarker, Klebstoff, Schere, mehrfarbige postIT-Blöcke und abwaschbare Filzstifte. Alles war bereit. Für was, das wusste Johannsen noch nicht so genau. In seiner Vorstellung würde er die Dokumente einander zuordnen, in eine Struktur bringen und so eine Art zigtausendteiliges Puzzle zusammen setzen, das am Ende – ja, welches Bild würde sich am Ende zeigen? Sicherlich kein Schweizer Bergpanorama und kein Renaissanceschloss mit Blumenwiese und Springbrunnen. Wie beim puzzeln war das im Moment aber auch noch nicht wichtig. Die langweilige und -wierige Vorarbeit bestand eben darin, die Himmel-, Wiesen-, Stein- und sonstigen Teile auf einen Haufen zu sortieren, damit man sie leichter ihrer späteren Position zuordnen konnte.

       Saalgasse, Wiesbaden, Dienstag 11.23 Uhr

      Die Kaffeepause war wenig produktiv gewesen. Stefanie Wohlfahrt hatte noch keinen konkreten Plan, wie sie ihre Aufgabe angehen sollte. Daher hatte sie getan, was sie gern als letzte Möglichkeit nutzte, wenn sie in einer Sache nicht voran kam: sie war nach hause gefahren. Bei Fällen, in denen sie nicht auf ständige Zusammenarbeit mit Kollegen angewiesen war, hatte ihr Chef ihr den Freiraum geboten, wo immer sie wollte zu arbeiten, solange die Ergebnisse stimmten, und das war bislang immer der Fall gewesen. In Wiesbadens Grünanlagen ließen sich ihre Gedanken meist besser sortieren als in der trockenen und nicht selten von Kollegenbesuchen unterbrochenen Atmosphäre ihres kleinen Büros beim BKA. Wenn selbst die Natur nicht half, dann waren ihre Wohnung und ihr Balkon die letzte Zuflucht. Die besten Einfälle waren ihr bislang dort gekommen, bei einem leckeren, selbstgemachten Latte macchiato und einem Teller mit frischen Apfelschnitzen, umgeben von Blumentöpfen mit Gartenkräutern und Frühblühern, unter der wärmenden Nachmittagssonne, die ihren Balkon zu einem Ort mediterranen Lebensgefühls machte. Jetzt war es zu früh für Mittelmeer-Feeling, die Sonne würde nicht vor zwei Uhr hinter der Dachkante hervor kommen, daher waren Sofa und Kuscheldecke das Ziel ihrer Begierde gewesen. So saß sie nun eingehüllt und mit leer getrunkenem Milchkaffee an ihrem Laptop und klickte sich durch Ordner und Dokumente. Die Entscheidung, ihre Arbeit mit nach hause zu nehmen, war ihr heute besonders schwer gefallen. Es stellte ein gewisses Risiko dar, die Festplatte an ihren Laptop anzuschließen und vor allem sie aus dem sicheren Gemäuer des BKA mit in ihre Wohnung zu bringen. Der Zweck heiligte jedoch das Mittel, dieses Risiko einzugehen, СКАЧАТЬ