Status Quo. Thorsten Reichert
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Название: Status Quo

Автор: Thorsten Reichert

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783847618287

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СКАЧАТЬ die aus dem Obergeschoss rief:

      „Ihr seid echt total krank, ich fass das einfach nicht!“

      Im Flur begegnete er seiner Frau, die sichtlich genervt einen Müllsack zur Tür trug.

      „Du kommst gerade recht, Deine Tochter hat mal wieder ihre fünf Minuten...“

      In solchen Momenten hatte er das Gefühl, dass ein Arbeitstag im Büro zu lange war, um mit den innerfamiliären Entwicklungen Schritt halten zu können. Er hatte keine Ahnung, worum es ging oder warum seine Tochter ihn und seine Frau als krank bezeichnete. Sein Kollege Leitner hatte kürzlich gemeint, das sei in diesem Alter normal, aber für Johannsen schien es durchaus nicht normal, wenn seine Tochter sich ihren Eltern gegenüber so respektlos verhielt. Vielleicht war das ein Zeichen, dass er zu altmodisch war. Für ihn gehörte es sich, dass man sich gegenseitig die Tür aufhielt, in den Mantel half oder „Gesundheit“ sagte, wenn jemand niesen musste. Er hatte in seinen wilden Jahren einige Male eine Tracht Prügel einstecken müssen, als er sich seinem Vater gegenüber respektlos verhalten hatte. Er war dadurch nicht zu einem gewalttätigen Menschen geworden, sondern war dankbar, seine Lektion gelehrt bekommen zu haben. Da seine Frau körperliche Erziehung nicht duldete, hatte er bei seinen eigenen Kindern versucht, sie durch vorbildhaftes Verhalten und gutes Zureden zu respektvollen Menschen heranwachsen zu lassen, doch das war ihm bereits bei seinem älteren Sohn Jürgen nur bedingt gelungen, bei Julia schien diese Taktik vollkommen ins Leere zu laufen.

      „Was ist denn los?“, fragte er, während er seiner Frau in die Küche folgte.

      „Julia will ihr eigenes Pferd und kann kein „nein“ akzeptieren. Es gibt noch ein paar Nudeln, soll ich sie dir in die Mikrowelle schieben?“

      Er war immer wieder erstaunt, wie seine Frau innerhalb eines Satzes das Thema wechseln konnte, ohne auch nur Luft geholt zu haben. Er blickte auf den Teller mit Nudeln und Käsesoße, den sie aus dem Kühlschrank geholt hatte und fragte: „Wie kommt sie denn auf einmal darauf, ein eigenes Pferd haben zu wollen?“

      „Martin, das geht doch schon seit Monaten so. Heute hat Ingrid im Stall wohl erzählt, dass sie ihr Pferd verkaufen will...“

      „Warum das denn?“, fiel er seiner Frau ins Wort. Ingrid war eine Bekannte aus dem Reitstall, soviel wusste er immerhin. Dass es Frauen gab, die sich freiwillig von ihrem Pferd trennen würden, war nach den Erfahrungen, die er bislang mit dem Thema gemacht hatte, erstaunlich.

      „Sie zieht nach Hamburg und will ihr Pferd nicht mitnehmen. Frag mich nicht, ich stecke da auch nicht drin.“

      Sie schob den Nudelteller in die Mikrowelle, ohne nochmals nachzufragen.

      „Jedenfalls hat sie Julia gefragt, ob sie das Pferd kaufen will, und die ist natürlich jetzt Feuer und Flamme.“

      „Wenn sie ihr eigenes Geld verdient, kann sie damit machen, was sie will. Bis dahin wird sie sich mit den Entscheidungen ihrer Eltern zufrieden geben müssen.“

      Martin Johannsen liebte klare Gedankengänge und stringente Argumentationen. Seine Tochter würde das eines Tages zu schätzen wissen, auch wenn sie jetzt seine Hartnäckigkeit verfluchen sollte. Es war ihm wichtig, nicht in jeder Auseinandersetzung gleich nachzugeben.

      „Du kannst ja versuchen, ihr das schonend beizubringen“, sagte seine Frau mit einem nicht zu überhörenden Unterton, der ihre heimliche Freude verriet, die sie bei der Vorstellung an das bevorstehende Gespräch hatte.

      „Das besprechen wir in Ruhe am Wochenende, Julia sollte sich unter der Woche ohnehin mehr auf die Schule konzentrieren.“

      Er versuchte, das Thema so schnell wie möglich zu beenden. Seine Frau seufzte.

      „Was war denn heute wichtiges bei der Arbeit?“

      Er zögerte einen Moment, weil er sich noch keine Gedanken gemacht hatte, in welchem Maße er seine Frau ins Vertrauen ziehen wollte. Er hatte keine Geheimnisse vor ihr, aber je weniger detailliert er mit ihr über die NSA-Sache sprach, desto besser würde er auch in dieser Sache Arbeit und Privates trennen können. Mit dieser Taktik hatte er die letzten 25 Dienstjahre gut überstanden. Seine Frau wusste meist nur grob, woran er arbeitete und musste keine Angst vor Alpträumen oder hinterlistigen Attacken haben, wenn er mal wieder einer Schlepperbande oder sonstigen Schwerkriminellen auf der Spur war. Seit er in der Abteilung für politische Kriminalität war, hatte das Gefahrenpotential seiner Arbeit abgenommen, doch es war ihm lieber, wenn seine Familie so gut wie möglich von den unschönen Geschichten fern gehalten wurde, die er tagtäglich auf dem Schreibtisch hatte.

      „Schon gut, brauchst es nicht zu erzählen.“

      Seine Frau nahm den Teller aus der Mikrowelle und setzte sich mit ihm an den kleinen Küchentisch.

      „Da gibt es nicht viel zu erzählen“, beschwichtigte er. „Wir haben diese NSA-Daten bekommen, und ich soll mich da reinarbeiten.“

      „Und, wer hat Kennedy erschossen?“

      Er blickte seine Frau verwirrt an. Sie lachte und nahm sich einen Apfel aus der Obstschale, die in Griffweite auf der Küchenablage stand.

      „Ich dachte, die wollten euch kompletten Einblick geben?“

      „Aber nur in das, was sie bei uns abgehört haben. Ich glaube nicht, dass da etwas zum Kennedy-Attentat dabei ist. Überhaupt glaube ich kaum, dass die NSA weiß, wer Kennedy erschossen hat. Obwohl...“

      Er war kein Freund von Verschwörungstheorien, daher schenkte er den Menschen, die hinter dem Attentat in Dallas eine politische oder geheimdienstliche Verschwörung sahen, keine besondere Aufmerksamkeit. Aber nachdem er nun dabei war, das Ausmaß der NSA-Aktivitäten der letzten 50 Jahre zu erfassen, musste er sich zumindest eingestehen, dass, wenn überhaupt jemand mehr über das Kennedy-Attentat wusste als gemeinhin bekannt war, dass die NSA sicherlich die beste Adresse hierfür war.

      „Um ehrlich zu sein, da steckt weniger drin als man glaubt. Ich soll die Sachen in den nächsten zwei Wochen durcharbeiten und dann ans BKA zurückschicken. Fertig.“

      Das „Fertig“ bezog sich dabei sowohl auf seinen Bericht als auch auf das Gespräch an sich. Mehr musste seine Frau nicht wissen, und mehr wollte sie vermutlich auch nicht wissen.

      „Wie war's beim Arzt?“

      Seine Frau biss in den Apfel und fragte sich vermutlich, ob sie eine ähnliche Geheimniskrämerei über ihre Angelegenheiten betreiben wollte wie ihr Mann über seine. Sie beschloss offensichtlich, es ihm gleich zu tun, wenn sie antwortete knapp „Alles ok“, stand auf und räumte den leeren Nudelteller in die Spülmaschine.

      So funktionierten die Ehegespräche im Hause Johannsen. Man schmiss sich kein Porzellan an den Kopf, wie es bei einem Ehepaar in der Nachbarschaft nicht selten vorkam, man empfing sich nicht wild knutschend an der Haustür, wenn der Ehemann nach einem langen Arbeitstag nach hause kam. Alles lief bei ihnen etwas ruhiger ab. Für Aufregung sorgte ihre Tochter zur Genüge.

      Tag 2

       BKA, Wiesbaden, Dienstag 7.59 Uhr

      Eine Minute vor 8 Uhr betrat BKA-Ermittlerin Wohlfahrt ihr Büro. Sie hatte schlecht geschlafen, doch ihre emotionale Aufgewühltheit hatte sich ein wenig gelegt. Ihre Aufgabe war nicht, sich ein moralisches Urteil über ihre Fälle zu bilden, sondern ihre Arbeit schnell СКАЧАТЬ