Status Quo. Thorsten Reichert
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Название: Status Quo

Автор: Thorsten Reichert

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783847618287

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СКАЧАТЬ Dokumente benannt waren, folgten einer gewissen Struktur. Sie hatte sich diese Struktur näher angesehen und festgestellt, dass alle das gleiche Format besaßen. Alle Namen bestanden aus insgesamt 32 Ziffern, entweder Buchstaben oder Zahlen, getrennt mit jeweils einem Minuszeichen nach acht Ziffern, dann nach vier, wieder nach vier und nochmals nach vier Ziffern, also insgesamt vier Minuszeichen pro Name. Die Zeichen schienen zufällig zu sein, besaßen aber zumindest an einer Stelle eine Gemeinsamkeit: die erste Vierergruppe bestand stets aus XYde, wobei „de“ immer gleich war und möglicherweise für „Deutschland“ stand. Die anderen beiden Zeichen (XY) waren unterschiedlich, allerdings schienen sie ebenfalls einer Struktur zu folgen. Sehr oft lauteten sie 60 (also -60de-), an zweiter Stelle stand außerdem sehr oft ein „a“, zum Beispiel bei -4ade- oder -fade-. Den Inhalt der jeweiligen Ordner oder Dokumente konnte sie bislang nicht mit der Nomenklatur in Verbindung bringen, aber es würde nur eine Frage der Zeit sein, bis sie das System erkennen würde, nach welchem die Namen vergeben worden waren. Immerhin hatte sie es hier nicht mit der Mitgliederkartei eines drittklassigen Hobbydetektiv-Vereins zu tun sondern mit professionell erarbeitetem Material des größten Geheimdienstes der Welt, da würde einhundertprozentig eine clevere Logik hinter den Namen stecken.

      Sie hatte damit begonnen, einzelne Dokumente mit gleichem Namensteil in einen neu erstellten Ordner auf ihrem Laptop zu kopieren. Neben den sehr vielen „60“ Dokumenten stachen ihr besonders die Zeichenfolgen -fade- und -bade- ins Auge, weil sie zunächst geglaubt hatte, dass darin die entsprechenden deutschen Wörter versteckt seien. Die Dokumente hatten aber natürlich nichts mit baden zu tun, und auch das Adjektiv fade stand in keinem Zusammenhang zum Inhalt der gleichnamigen Dokumente. Nachdem gerade diese Dateien ihr aber nun ins Auge fielen, sortierte sie einige Dutzend Dokumente in die neu erstellten Ordner „60de“, „bade“ und „fade“. Dann öffnete sie die Ordner und betrachtete die Dokumente. Wie zuvor handelte es sich um bunt gemischte Bilder, Videos, Tonbandaufnahmen, Mails und andere Text- und Bilddokumente. Sie konnte in ihrem Inhalt keine spezielle Gemeinsamkeit erkennen, welche einen gleichen Namens-Anteil rechtfertigten. Trotzdem war sie sicher, dass es zwischen diesen Dokumenten eine Art Überschrift geben müsse, vielleicht waren sie geografisch sortiert, oder thematisch. Chronologisch waren sie aus unterschiedlichsten Bereichen, das konnte es also eher nicht sein. Sie stand auf, ging in die Küche und machte sich einen zweiten Milchkaffee. Dann verschob sie aus einem anderen Ordner dutzende Dateien mit entsprechenden Namens-Anteilen in ihre Unterordner. Es war eine stupide und einschläfernde Arbeit, aber es war besser als gar nichts zu tun.

       Moselstraße, Frankfurt, Dienstag 12.22 Uhr

      Als Mike Pawelski in der Umkleide des Fitnessstudios nach seinem Smartphone griff, sah er, dass sein Server ihm eine Nachricht geschickt hatte. Eine selbst programmierte App überwachte den Datenverkehr seines amerikanischen Servers und informierte ihn regelmäßig über Datenbewegungen. In bestimmten Fällen, zum Beispiel wenn auf einer von ihm per Trojaner beobachteten Festplatte ungewöhnlich viel Aktivität war oder wenn sich ein erfahrener Computerexperte ihm auf die Spur kommen würde, schickte die App ihm Push-Nachrichten, damit er sofort reagieren konnte. Vom Smartphone aus hatte er nur begrenzt Zugriff auf seinen Server, aber er konnte die wichtigsten Einstellungen und das Selbstzerstörungsprogramm jederzeit von unterwegs erreichen. Mehrere Kanister hochbrennbare Flüssigkeit und ein Zünder mit zusätzlichem Bewegungssensor waren direkt neben dem Server aufgestellt, so dass bei unbefugtem Betreten des Serverraumes ein beträchtlicher Krater in ein Gewerbegebiet irgendwo im US-Bundesstaat Delaware gesprengt würde. Er glaubte nicht, dass er diese Extremlösung benötigte, doch bei der Menge illegaler Daten, die dort versammelt war, schadete ein Selbstzerstörungsmechanismus sicherlich nicht. Jetzt stand er schwitzend in der Umkleide, nachdem er zuvor 75 Minuten lang Hanteln gestemmt und Crosstrainer malträtiert hatte. Seine Server-App hatte ihm die Mitteilung gemacht, dass auf „Fannys Laptop“ ungewöhnlich viele neue Daten kopiert wurden. Sie nutzte ihr Notebook vor allem für soziale Netzwerke, private Emails und das Abspielen von Musik. Dass sie um diese Uhrzeit eine größere Menge neuer Ordner und Dateien erstellt hatte, konnte nur bedeuten, dass sie entgegen ihrer Gewohnheit ihren Laptop für ihre Arbeit nutzte. Das war eine erfreuliche Nachricht. Bislang war es Mike nicht gelungen, sich Zugang zum internen Netz ihres Arbeitgebers zu verschaffen. Vielleicht bot sich jetzt diese Möglichkeit. Nicht dass er dies unmittelbar benötigte. Er war polizeilich niemals auffällig geworden, es existierte weder dort noch bei SCHUFA, Flensburger Verkehrszentralregister oder sonst einer zentralisierten Kartei ein besonderer Eintrag über ihn. Er musste sich also nicht bei ihrem Arbeitgeber einhacken, um sich von der Interpol-Fahndungsliste zu löschen. Aber die Vorstellung, Zugang zu einer der geheimsten Netzwerke der Bundesrepublik zu haben, reizte ihn maßlos. Er verzichtete auf die Dusche und schlüpfte schwitzend in seine Klamotten. Keine zehn Minuten später saß er auf seinem Sofa und klickte auf das Serversymbol auf seinem Laptop-Desktop. Er benötigte vier Klicks, um zu wissen, womit er es zu tun hatte.

      „Jackpot!“

       NSA-Hauptquartier, Crypto City, Maryland, USA, Dienstag 7.48 Uhr

      „Sir, we have access from an unknown device.“

      Ein NSA-Mitarbeiter in schwarzem Rollkragenpullover klopfte an die offen stehende Glastür des Leiters der Überwachungsabteilung „Allied Observations“ und schaute seinen Vorgesetzten fragend an.

      „Follow it and report back if necessary.“

       Spiegel-Redaktion, Hamburg, Dienstag 13.08 Uhr

      Grit Junkermann saß in der Kantine über einem Makkaroni-Auflauf und hörte ihrer Kollegin Friederike zu. Friederike war die „Klatschtante“ der Redaktion, nicht nur weil sie sich um die aktuelle Bericherstattung zu Stars und Sternchen kümmerte, sondern weil sie alles wusste, was der Spiegel-Flurfunk zu sagen hatte.

      „Ich glaub das nicht, der macht in aller Öffentlichkeit mit seiner Assistentin rum, und zuhause sitzt seine Frau mit vier Kindern!“

      Friederike konnte sich wunderbar aufregen, über alles und jeden. In diesem Fall war ihre Entrüstung durchaus nachvollziehbar, auch wenn ihre moralischen Vorstellungen an vielen Stellen differierten.

      „Jedenfalls sag ich zu ihm, 'Wenn du ihr das Herz brichst, dann mach ich dich fertig!' Da schaut der mich an als hätte ihn eben ein Güterzug überfahren. So ein Vollpfosten, der kapiert echt gar nix!“

      Friederike hatte den Salat gewählt, und während sie sich jetzt über den Kollegen aus der Wirtschafts-Abteilung echauffierte, landeten ein paar Spritzer des Joghurtdressings auf Grit Junkermanns Brille. Sie versuchte, die kleinen weißen Flecken so gut es ging zu ignorieren und wendete sich ihrem Auflauf zu. Friederike war keine einfache Kollegin, aufbrausend und distanzlos, selbst für Grits Maßstäbe, aber sie war loyal und unterhaltsam, war für jeden Spaß zu haben und immer die letzte auf der Tanzfläche. Grit mochte sie, selbst wenn sie ihr Dressing auf ihrer Brille verteilte.

      „Wie geht’s denn bei dir voran?“

      Einer ihrer positiven Charakterzüge war, dass Friederike sich ernsthaft für andere interessierte. Ihre Fragen waren keine Floskeln, sie freute sich mit einem, wenn man eine gute Story hatte und half auch mal mit einem ihrer unendlich vielen Kontakte aus, wenn man einen guten Informanten brauchte. Grit kaute auf ihren Makkaroni und überlegte, ob sie Friederike um einen Tipp bitten sollte. Ihre Kollegin hatte ausgezeichnete Connections in die Hamburger Glitzerwelt, von St Pauli bis zur High Society, aber im politischen oder kriminologischen Bereich war selbst ihr Adressbuch dünn besetzt.

      „Naja, geht so. Ich mach erstmal Hintergrundrecherche, bevor ich mich ans Eingemachte setze.“

      Klang gut, hörte sich tatsächlich so an als hätte sie einen echten Plan.

      „Erst der Barschel, jetzt diese blöde NSA-Geschichte. Du hast echt die Arschkarte.“

      Friederikes СКАЧАТЬ