Unter Barbaren. Ralph Ardnassak
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Название: Unter Barbaren

Автор: Ralph Ardnassak

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783847617785

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СКАЧАТЬ Operation und Arbeitslosigkeit. Ihre Art, sich zu geben, ist die Reaktion auf diese Tiefen. Sie ist nur wenig älter als Klatt.

      Sehr schlank und groß, liebt sie es, in kurzen Röcken und Hosen zu gehen. Sie weiß, dass die „Beiden“ es gern sehen. Was sie nicht weiß ist, dass die „Beiden“ beim Mittagessen über ihre behaarten Unterschenkel Witzchen machten. Corinna hat viele Probleme: das Haus, das sie sich mit ihrem Mann in der Stadt gekauft hat, muss saniert werden; ihre Kinder fallen in der Schule ab und so weiter. Sie redet und redet und redet, in einer einfachen, oft derben und burschikosen Art, mit den regional typischen grammatikalischen Eigenheiten und Schnitzern. Klatt lässt sie reden. Sie ist sehr schwer berechenbar. Hinter ihrer Freundlichkeit steckt ein ungeahntes Maß an schlummernder Aggressivität. Resultat der Tiefschläge des Lebens, die sie hat hinnehmen müssen. Sie kann ein ordinäres Schandmaul haben, dass einem die Spucke wegbleibt. Klatt mag ihr widerliches Anbiedern bei den „Beiden“ nicht. Corinna hasst die neue Sekretärin. Angst ist es, die Neue könne bei den „Beiden“ beliebter sein als sie. Klatt kennt ihren Schwachpunkt: Corinna schafft keine dreitausend Anschläge pro Minute auf der Schreibmaschine. Die Neue schafft das spielend. Corinna liebt es, ausführlich darzulegen, dass sie täglich Geschlechtsverkehr mit ihrem Mann hat. Sie braucht es, sagt sie. Klatt erinnert sich, gelesen zu haben, dass manche Frauen nach einer Totaloperation ein unstillbares Bedürfnis nach Sex haben. Corinna hatte vor zehn Jahren eine Totaloperation. Dies könnte einiges erklären. Oder es ist nur Gerede, weil sie weiß, dass die „Beiden“ es gern hören. Klatt interessiert das alles wenig.

      Corinna gegenüber sitzt Klara Haubold. Klara ist zehn Jahre älter als Corinna und gerade Oma geworden. Immer ist Klara penibel darauf bedacht, alles richtig zu machen, nicht aufzufallen und adrett auszusehen. Sie ist sehr unsicher und oft verlegen. Klatt muss oft über ihre umständliche Art lachen. Ein Lachen, das Klara kränkt. Sie kann auf eine lange Reihe von Jahren im Buchhalterberuf verweisen. Aber Hinweise auf ihr Alter, die enorme Größe ihrer Füße oder die Zahl der Falten in ihrem Gesicht, genügen, ihr mühsam aufgebautes Selbstvertrauen zusammenbrechen zu lassen. Sie mag Komplimente, fürchtet aber, jedes Kompliment, welches ihr gemacht wird, sei ein Scherz. Klatt sitzt oft hier, in seinen Seminarpausen und trinkt Kaffee mit den Frauen. Mit fast wissenschaftlicher Neugier befragen sie ihn dann, wobei jedes Detail aus seinem Leben von Interesse zu sein scheint. Die Frauen lieben es, zu tratschen. Keinen lassen sie dabei ungeschoren. Einer ist zu dick, ein anderer zu dünn. Und so weiter.

      Im Nebenraum sitzt die neue Sekretärin: Hauptobjekt der Gespräche der Frauen.

      „Haste jeseh’n Klärchen?“, fragt Corinna über den Tisch gebeugt ihre Kollegin: „Haste jeseh’n, Klärchen, jestern hat se den Kaffee verschüttet! Die kann nischt, wa?“

      Klara Haubold lacht über die Art von Corinna und dreht verlegen einen Bleistift zwischen den Fingern.

      „Mit der ha’m wa’ ‘n Fehlgriff jemacht, wa, Klärchen?“

      Corinna braucht tagtäglich die Bestätigung, die Beste zu sein. Sie sieht sich als zukünftige Personalchefin, als Herrin über Einstellung und Entlassung!

      „Warte man“, sagt Klara und lächelt: „die entpuppt sich noch, die Neue! Glob’s mir!“

      „Meenste?“

      „Glob’s mir! Kannst mir’s glob’n!“

      So geht es Tag um Tag.

      Die Neue, Frau Bunge, kann sich Mühe geben, wie sie will. Die Kolleginnen lassen kein gutes Haar an ihr. Corinna lästert ungeniert über ihre hochtoupierten Haare, ihre dünnen Beine, ihren fehlenden Busen.

      Klara fühlt sich als Seniorin mit älteren Rechten gegenüber der Neuen. Sie achtet stets peinlich darauf, dass die gepolsterte Verbindungstür zwischen der Buchhaltung und dem Sekretariat geschlossen bleibt, damit die Neue nichts von dem mitbekommt, was in der Buchhaltung gesprochen wird.

      Die große Glastür am Eingang schlägt hörbar zu. Gelächter und Gekicher, wie von Jungen dringt herein. Klara reckt den Hals und versucht durch das Glasfenster in der Tür der Buchhaltung auf den Gang zu spähen.

      „Corinna, kommen die Beeden?“

      Corinna ist aber mit dem Feilen ihrer Fingernägel und der Lektüre eines Kataloges für Werbegeschenke beschäftigt. Sie redet laut vor sich hin: „Guck mal, Klärchen, so schöne Spritzjußfijuren jibt’s hier!“

      Dann werden ihre Augen weit. Träumerisch den Blick zur Decke gerichtet, kommt sie auf ihr Lieblingsthema zu sprechen: „Heini, meen Mann, hat mich jestern och Spritzjuß jeje’m!“

      Klara wird ärgerlich: „Corinna! Die Beeden!“

      Sicherheitshalber schaltet Klara schon ihren Personalcomputer ein und öffnet irgendwelche Kontenbücher. Sie bewegt hastig die Maus hin und her und blättert scheinbar geschäftig in einem Ordner. Die Angst vor möglicher Entlassung steht ihr im Gesicht geschrieben. Sie weiß, in ihrem Alter findet sie nichts mehr. Und sie muss noch ein paar Jahre aushalten, bis zur Rente.

      Schnell setzt sie, wie zur Probe, ein geschäftiges Lächeln auf.

      Die gepolsterte Tür vom Sekretariat wird geöffnet. Männerstimmen wehen herein. Eine wiederholt echoartig alle Worte. Ein Vorsprecher und ein Nachsprecher:

      „Morgen, die Damen!“

      „Morgen, die Damen!“

      Die „Beiden“ sind da!

      Die „Beiden“, das sind Dr. Baumann, der hiesige Institutsleiter, von den Seminarteilnehmern nur „Doktor Schlaumann“ genannt und sein Stellvertreter, Herr Zeckert. Die Betonung liegt auf „Herr“, das er in Ermangelung eines salonfähigen akademischen Titels ersatzhalber als solchen benutzt. Und richtig betont klingt das „Herr“ beinahe wie ein waschechter Doktor!

      Eigentlich gibt es die Stelle des Stellvertretenden Institutsleiters gar nicht. Aber Schlaumann hat sie seinem Freunde, seinem Schatten zuliebe geschaffen. Die „Beiden“ tauchen nur zusammen auf. Es mag so lächerlich aussehen, wie es will. Und hinter ihrer Kumpanei steckte nichts weiter, als eine tiefsitzende Unsicherheit und eine Angst vor dem Leben, die sie kompensierten, indem sie sich aneinander festhielten wie kleine pickelige Schuljungen, die den Schwarzen Mann fürchten.

      Schlaumann trägt seinen obligaten schlechtsitzenden grauen Anzug mit den Knitterfalten im Rücken und in den Kniekehlen. Er gibt allen Anwesenden seine fleischige. warme, immer verschwitzte Hand, ohne sie dabei anzusehen. Schlaumanns Körperfülle verströmt den üblichen leicht säuerlichen Geruch, vermengt mit seinem Deo der Marke „Sumatra Rain“ zu einer unangenehmen Mischung. Seine Brille ist leicht beschlagen, sein Haar ist sorgfältig gescheitelt, wenn er sich bei der Begrüßungszeremonie nach vorn beugt, rieseln feine Schuppen auf den Teppich. Am Hinterkopf steht ein Haarbüschel ab und gibt ihm die Aura eines dicklichen Pennälers, der den Lehrer durch Übereifer milde stimmen will.

      Unmittelbar nach Schlaumann betritt Herr Zeckert den Raum. Zeckert ist einen ganzen Kopf kleiner als Schlaumann und extrem dünn. Eine Tatsache, die er auf seine hohen Blutzuckerwerte zurückführt. Auf dünnen Säbelbeinen läuft er um den Tisch und gibt, wie sein Vorgesetzter, allen Anwesenden die Hand. Zeckert gibt sich betont leutselig. Er drückt einem die Hand mit festem Griff, so fest, dass seine Fingergelenke dabei knacken. Zeckerts Hand ist immer sehr warm und trocken. Seine Handfläche erinnert an die Berührung warmen Wüstensandes. Zeckerts schmales Gesicht rahmt ein schütterer, stets sorgfältig geschnittener Vollbart. Er ahmt so seinen Vater nach, der im Zweiten Weltkrieg auf einem U-Boot gefahren ist. Zeckert ist immer fahrig und nervös. Sein Zucker macht ihn СКАЧАТЬ