Unter Barbaren. Ralph Ardnassak
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Название: Unter Barbaren

Автор: Ralph Ardnassak

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783847617785

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СКАЧАТЬ Sie ist zufrieden. Alles ist so, wie es sein soll!

      III

      Klatt fährt aus dem Schlaf hoch, sein Kopf schmerzt heftig, und er verspürt eine seltsame Mischung aus Durst und Übelkeit, die, wie er weiß, vom Biertrinken kommt. Ein Wecker piepst, ein hoher, unangenehmer, rhythmischer Ton. Klatt weiß, es ist ihr Wecker. Der Wecker der Schrock hat geklingelt. Es ist fünf Uhr. Die Schrock müsste aufstehen, denn um sieben beginnt ihr Arbeitstag. Aber sie bleibt liegen und rührt sich nicht, wie immer: Klatt richtet sich mühsam auf und tastet in der Dämmerung nach dem weißen Fleck auf dem Regal, der ihr Wecker sein muss. Er patscht ihn aus. Er würde das nicht tun, und er tut es nicht um ihretwillen. Aber er weiß, dass die Schrock den Wecker lärmen lassen würde, bis zur Erschöpfung der Batterien. Das stört Klatt, und er weiß auch, dass die Wände hellhörig sind: die Nachbarn. Die Schrock weiß, dass Klatt, der Trottel, schon wach werden wird. Auf den kann sie sich verlassen. Der funktioniert präziser, als ihr Wecker. Klatt patscht den Wecker aus, und dann rüttelt er die Schrock, das zusammengekrümmte Bündel unter der Decke neben sich, dass seine Frau sein sollte, dass ihm fremd und feind ist, wie ein unheimlicher Eindringling. Auch das tut er nicht um der Schrock willen. Aber er weiß, sie wird sonst verschlafen, irgendwann wird sie aufwachen und aggressiv feststellen, er hat sie nicht geweckt. Er und das Kind würden es ausbaden müssen, ihre Aggression und ihre Laune. Vielleicht würde sie dann wütend das Bad blockieren und extra lange duschen, und das Kind würde dann nicht rechtzeitig fertig werden und womöglich seinen Schulbus verpassen, was ihr ganz egal zu sein schien. Also weckte Klatt die Schrock lieber, indem er sie rüttelte. Sie wusste, sie konnte sich darauf verlassen. Aber sie reagierte mit einem bösen verhaltenen Knurren unter ihrer Decke hervor. Sie war wütend, nicht auf ihre Arbeit oder den Wecker, sondern auf diesen Trottel, der sie da aus dem Schlaf riss, wie jeden Morgen! Hätte er sie nicht geweckt, wäre sie aus diesem Grunde auf ihn wütend gewesen, das wusste sie genau! So oder so hätte er ihre Wut zu spüren bekommen, ihm blieb keine Alternative, aber das war nicht ihr Problem, denn dazu war er ja schließlich da! Warum hatte er sie denn geheiratet?! Sie konnte sich auf den Trottel verlassen. Der würde sie immer wieder wecken, ganz gleich, ob sie ihn anschrie oder nach ihm schlug oder trat, was auch hin und wieder schon passiert war. Sie knurrte also ein wenig, drohend, nicht allzu laut. Es war eine Warnung an den Trottel. Und der würde sie nun noch ein paar Minuten liegen lassen, ehe er wieder versuchen würde, sie zu wecken. Und so geschah es jeden Morgen, drei- oder viermal, bis sie endlich wütend aufstand und ins Bad ging, um sich zu duschen. Klatt lag dann noch ein wenig wach. Die Hände unter dem Hinterkopf verschränkt, lag Klatt im Bett. Und draußen, in den anderen Blocks, gingen die Lichter an, bei denen, die noch Arbeit hatten. Klatt lag im Bett, und er wartete darauf, dass die Tür hinter ihr ins Schloss fallen würde. Aber sie trödelte zu lange herum, die Schrock, mit Duschen und Haare waschen und Zähneputzen und Schminken. Dann qualmte sie ihm schon am frühen Morgen die Küche voll, zwei oder drei Zigaretten rauchte sie hastig, noch vor dem Weggehen. Ihm wäre es lieber gewesen, er hätte das Bad allein für sich, aber er konnte nicht länger warten, das Kind würde sonst den Schulbus verpassen. Und so stand Klatt auf, kochte Kaffee und deckte in der Küche den Tisch für sich und das Kind. Für die Schrock deckte er nie, denn aß erst mit ihren Kollegen. Hier, mit ihm und dem Kind, aß sie nie.

      Klatt stellte zwei Frühstücksteller auf den Bistrotisch, zwei Tassen und zwei Messer, Butter. Die Vitaminmarmelade, die sein Kind gern aß und die Sauerkirschmarmelade. Dann nahm er ein Brötchen aus dem Schrank und legte es auf den Teller des Kindes. Jeden Morgen dieselbe Prozedur. Er öffnete den Kühlschrank und entnahm ihm das Schulbrot des Kindes, damit es nicht vergessen wurde.

      Dann steht die Schrock in der Küche. Schon fertig angezogen und geschminkt und mit ihren sechs Ringen an den Fingern.

      Ihre Augen sind noch kleiner und böser. Klatt weiß nicht, ob er sie ansprechen soll oder nicht. Man kann nie vorhersagen, wie die Reaktion sein wird. Da ist es am besten, er schweigt. Genau das war verkehrt! Aber vielleicht wäre auch das Reden verkehrt gewesen! Die Schrock jedenfalls, bellt mit vor Wut heiserer Stimme in die kleine Küche: „Guten Morgen, heißt das! Schon mal was von Grüßen gehört? Anscheinend nicht! Was erwarte ich überhaupt von so einem Idioten?!“

      Damit hat er sein Fett weg und ist in den Arbeitstag entlassen. Soll der doch sehn, wie er klarkommt! Und sie setzt sich an den Tisch, schenkt sich eine Tasse Kaffee ein, blättert in ihrer Illustrierten und raucht noch ein- oder zwei Zigaretten, denn sie hat noch ein paar Minuten Zeit.

      Klatt geht ins Bad und macht sich fertig. Er atmet auf, als die Tür draußen ins Schloss fällt und Schritte treppab hörbar werden. Unten startet die Schrock das Auto und ist verschwunden. Klatt kann das Kind wecken und mit ihm frühstücken. Sie haben noch Zeit. Es wird ein friedliches Frühstück.

      Klatt hat sein Kind zur Bushaltestelle gebracht. Ein heftiger Wind kommt die Straße herunter. Blätter wirbeln auf. Klatt sieht sich nach seinem Kind um, das mit den anderen Schülern auf den Bus wartet. Sein bunter Scout - Ranzen leuchtet. Klatt wendet sich ab. Er muss zum Seminar. Er fühlt sich ausgebrannt und müde. Seine Augen brennen. Er hat Angst, vor dem Seminar zu versagen, weil er nicht genügend vorbereitet ist, wie er findet. Angst bestimmt Klatts Leben. Er ist ihr Gefangener!

      Klatt geht die wenigen Schritte von der Bushaltestelle bis zur Hochschule, vorbei an den alten Gebäuden, die auf die Zeit des Junkerswerkes zurückgehen. Klatt passiert das Pförtnerhäuschen der Hochschule. Die alte Frau Klapproth sitzt hinter der Scheibe und strickt.

      Es geht auf halb acht. Klatt wird nicht der erste sein im Institut. Die neue, übereifrige Sekretärin wird bereits da sein, wie Klatt weiß. Übereifer kann eine lästige Sache sein. Aber er wird erklärbar, wenn man als junge Frau ein ganzes Jahr zu Hause war, arbeitslos. Arbeitslos und ohne Einkommen sind die Verlierer dieser Gesellschaft! Wer möchte schon auf Dauer dazugehören, in einer Zeit, in der Wissen nicht überall hoch angesehen wird! Man muss nicht unbedingt viel wissen oder können, heutzutage, um seinen Job zu behalten. Es hilft, an der richtigen Stelle den Mund aufzumachen, ihn aber auch zur rechten Zeit zu halten! Ein kurzer Rock kann helfen, eine tief dekolletierte Bluse, der Kaffee, dem man dem Chef auf Schritt und Tritt hinterher trägt, ein Kuchen, den man dem Chef bäckt oder eine kleine Denunziation und so weiter! Auf diese Weise sitzt mancher besser im Sattel, als ein fähiger Könner! Klatt versteht das, aber er hasst es! So soll nun einmal diese Zeit sein, diese Gesellschaft! Aber Klatt findet das krank. Krank und widernatürlich!

      Klatt steigt mit dem Aktenkoffer die kurze Treppe zum Institut hinauf. Hinter der Tür erwartet ihn der Geruch von frischem Bohnerwachs. Die dürre, schielende Reinigungskraft versteht ihr Handwerk!

      Klatt schließt sein Büro auf. Er kennt die Geräusche dieses Raumes: das leise Ticken der elektrischen Uhr neben der Tür und das Schnarren der Neonröhren nach dem Einschalten. Über seinen Schreibtisch hinweg mit dem Computer, vorbei an dem Bücherregal mit den bunten Rücken der betriebswirtschaftlichen Lehrbücher, blickt Klatt auf die Obstbäume von Schrebergärten. Dahinter, hinter einer dürren Reihe krank wirkender Erlen, dehnt sich das Feld bis hinunter zur Stadt an der Saale. So weit aber kann Klatt nicht sehen. Die Schrebergärten mit ihren Bäumen versperren die Sicht.

      Klatt blickt zur Uhr. Noch zwanzig Minuten bis zum Seminar. Die „Beiden“ sind noch nicht eingetroffen. Er wird noch einen Kaffe trinken, noch ein wenig mit den Kolleginnen reden, Trost und Wärme suchen für den Tag.

      Klatt geht die wenigen Schritte den Gang hinunter bis zum Büro der Buchhaltung. Dort sitzen Corinna Dobinsky und Klara Haubold. Corinna Dobinsky begrüßt ihn mit dem üblichen: „Hallo, Schatzi!“

      Klatt weiß, das hat nichts zu sagen. Außer den „Beiden“ und einigen Respektspersonen ist bei ihr jeder ein „Schatzi“. Es ist nicht unbedingt ein Kompliment, vor ihr „Schatzi“ genannt zu werden. Sie trägt eine Maske der Freundlichkeit vor sich her. Nett sein, zu jedermann, so lautet ihre Job-Sicherungs-Strategie. СКАЧАТЬ