Scheinheilung und Patientenerschaffung - Die heillose Kultur - Band 3. Dr. Phil. Monika Eichenauer
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СКАЧАТЬ meiner Ausbildung der „Core-Energetik“, einer psychoanalytischen Körpertherapie, wurde mittels des psychoanalytischen Persönlichkeitskonzeptes des „Selbst“ gearbeitet. Dabei wird emotional differenziert zwischen dem „höheren“ und dem „niedrigen“ Selbst. Das höhere Selbst spiegelt unser innigstes Lebensziel und –anliegen; das niedrige Selbst, die vielen Gefühle, die jeder Mensch im Laufe seiner Erziehung lernen muss, zu verbergen. Sie verschwinden hinter Abwehrmechanismen. Zum Beispiel verschwindet die Wut, den Eltern gehorchen zu müssen, Dinge tun zu müssen, die man nicht wollte, oder auch die Trauer, eigene Bedürfnisse nicht erfüllt bekommen zu haben, im niederen Selbst. Abwehrmechanismen stellen Reaktionen des Menschen auf bestimmte emotionale Ereignisse dar, ließe sich in Kürze definieren. Hinter den Abwehrmechanismen, und dergestalt mit ihnen verwoben hinsichtlich der Art und Weise, welche Formen sie annehmen im persönlichen Ausdruck, wird das niedere Selbst individuell gehütet. Die Enttäuschung, dass man nicht verstanden wurde, seine Gefühle nicht ausleben durfte, der Schmerz, allein gelassen worden zu sein in Situationen, in denen die Eltern möglicherweise gar nicht ahnten, dass es so eine emotionale Auswirkung haben könnte. Das Alleinsein mit der Tatsache, ein „anderer zu sein“, als man mittels Maske vorgibt zu sein, weil man lernte, zu glauben, so, wie man ist, wäre man weder geliebt noch akzeptiert, bringt Isolation hervor. Soll heißen: Jeder Mensch lernt aus Angst, die Liebe von Menschen zu verlieren, eigene Gefühle, von denen jeder Mensch instinktiv spürt und damit weiß, dass die anderen (seien es Eltern, Partner oder Autoritäten) sie nicht schätzen, Teile von sich hinter einer Maske zu verbergen: Jeder Mensch möchte lieber geliebt sein, statt sich in Konflikte oder Unwegsamkeiten des Verlassenwerdens zu begeben.

      Also haben Menschen den Konflikt in sich selbst, sich entscheiden zu müssen: Bleiben sie bei ihren Gefühlen und teilen sie sich mit oder drücken sie sie aus, oder verbergen sie diese hinter einer sozial angepassten Maske. Verstecken sie sich hinter der Maske, unterdrücken sie ihre Gefühle, und behalten sie in sich und für sich. Diese zurückgehaltenen Gefühle bilden in einem Menschen das „niedere Selbst“ – es sind all’ jene Gefühle, die nicht in den Beziehungen mitgeteilt, nicht ausgedrückt werden konnten oder durften. Menschen speichern sie in sich als „nicht akzeptiert“, sprich als „böse“ ab. Der Grad der Gefühlsunterdrückung hängt direkt mit dem in der Erziehung vermittelten Wertesystem zusammen. Wertesysteme richten sich nach den herrschenden Werten in einer Gesellschaft und differenzieren sich je nach dem, in welche Schicht ein Mensch geboren wird, individuell weiter.

      Die „Maske“ hat die Aufgabe, unser eigentliches, emotional von anderen Menschen abgelehntes, Selbst zu verbergen. Menschen verbergen es aber auch, wenn sie von deren Ablehnung zutiefst überzeugt sind und bilden die Befürchtung aus, wenn sie ihr Selbst zeigten oder lebten, sie abgelehnt würden. Die Maske ist ein sozial als wertvoll angesehenes und zum Überleben notwendiges, kulturelles Produkt, um sich in der Gemeinschaft von Menschen angenommen zu fühlen. Die Maske schützt vor unliebsamen Sanktionen der Beziehungspartner.

      Das Erstaunliche in der Core- Energetik-Ausbildung war, wie viel Energie, Freude und Lust freigesetzt wurde, wenn einer der Teilnehmer den Anteil ausdrücken und ausleben konnte, den er bislang aus Angst, abgelehnt zu werden, meinte, verheimlichen und verstecken zu müssen. Befreiung und Erlösung, gefolgt von Lachen und Frohsinn erfüllten den Raum.

      Bei der Arbeit mit dem höheren Selbst war hingegen große Scham auffällig, die darin lag, öffentlich persönliche Herzenswünsche mitzuteilen. Mit dieser bipolaren „Selbst-Arbeit“ ändert sich der Umgang mit uns selbst und anderen nachhaltig: Die Maske bröckelt. Es wird zeig- und mitteilbar, was und wie man selbst auch noch ist. Weiter wird deutlich, was dazu führte, dass emotionales Erleben verborgen wurde. Das Resultat einer solchen Ausbildung ist ein enormer Zuwachs an Freiheit im Ausdruck der eigenen Persönlichkeit – aber auch hinsichtlich der eigenen Erlebensfähigkeit, Kreativität und generellen Lebenslust. Lösungen und Aufarbeitungsmethoden sind strukturierbar. Das Konzept vom Selbst, wie es die Core-Energetik anbietet, könnte vielen Menschen eine Hilfestellung geben, ihren eigenen Erlebens- und Handlungsradius zu erweitern, statt an dem Nichtzeig- und -sagbaren zu ersticken oder zu erkranken. Diese einfache psychoanalytische Struktur zeigt aber auch einen Weg, die eigene menschliche Würde und Achtung sich selbst und anderen Menschen gegenüber zu erweitern wie zu bezeugen. Was für ein Erlebnis es für einen wohlerzogenen Menschen ist, endlich mal der Bösewicht und Rabauke sein zu dürfen und zu spüren, ohne es wirklich oder ausschließlich zu sein, wie viel und welche Gefühle auf dieser Dimension seines Lebens in Energie eingebunden waren, die ja auch konstruktiv lebendig zu nutzen ist, ist nur erlebbar, als hier beschreibbar. Es erwächst eine menschliche Nähe in der Gruppe voller (Selbst-)Vertrauen.

      Politiker und Business-Menschen könnten dank der Core-Energetik oder auch mittels Gestaltarbeit lernen, ihre eigene wie auch fremde Sicht- und Handlungsweisen zu verstehen, und damit Gefühl und Wissen um sich selbst wie um andere Menschen erweitern. Sie könnten erfahren, warum sie so handeln, wie sie handeln. Ob sie dann, nach einer solchen Erfahrung, in der sie ihre eigene Verletzlichkeit oder Einsamkeit und ihre Wut oder Ohnmacht spürten, also sensibilisiert für Themen und Gefühle sind, noch so leben und handeln wollen, das steht auf einem anderen Blatt …

      Aber genau diese Erfahrung, diese Sensibilisierung, ist erforderlich, um einen Ekel gegen Grausamkeit (siehe oben Philip Reemtsma) zu entwickeln und gemeinsam neue Werte aus unserem Selbst zu bergen, die dem Leben zuträglich sind.

      Heutzutage mangelt es an Aufrichtigkeit, an persönlicher Größe, an Verantwortungsgefühl und an der Selbstverständlichkeit anzuerkennen, dass wir alle Menschen sind – egal, ob erfolgreich, arbeitslos, arm oder wohlhabend. Insofern trifft zu, was Alice Miller hinsichtlich der Verbindung der Bedeutung des psychischen Hintergrundes berühmter Menschen wie Nietzsche, Picasso, Käthe Kollwitz in der Auswirkung auf ihre Werke bezogen, an jeweiligen analytischen Hintergrund der Kindheitsgeschichte konstruiert.

      So beschreibt Miller:

      „Das werden aber nur diejenigen Studenten tun können, die in ihrer Kindheit nicht misshandelt worden sind oder die ihre Misshandlungen aufgearbeitet haben und daher für das Leiden geprügelter Kinder offene Ohren und Augen haben. Mit solchen Untersuchungen werden sie wohl kaum Begeisterung bei ihren Professoren wecken. Doch wenn sie darauf verzichten können, werden sie Beweise dafür liefern, dass die an Kindern ausgeübten Verbrechen auf die ganze Menschheit zurückschlagen. Sie werden auch illustrieren können, auf welchen unerwarteten Wegen dies geschieht.“ (Alice Miller: Der gemiedene Schlüssel, 1996, S. 15)

      Es bedarf starker Nerven, um zu erfahren, aus welchen Urgründen Menschen kriminelles Verhalten an den Tag legen, um dann zu warten, bis sie es durchführen, um zu dokumentieren, dass ihre Hypothesen richtig waren. Das halte ich gleichfalls für grausam.

      So stellt es sich auch in unserer Kultur dar: Wir haben viel Wissen, kennen Zusammenhänge, aber die Anwendung lässt auf sich warten!

      Aber das scheint Konsens in Gesellschaften zu sein. Es läuft auf ein Rechthaben hinaus, auf das man im Sinne der Allgemeinheit und zum Schutz von Menschen verzichten lernen sollte. Will man schützen, bleibt nichts anderes, als Reflexion des eigenen Verhaltens und der Verantwortungsübernahme zu wählen, um zu gesellschaftlichen Änderungen im Zusammenleben von Menschen beitragen zu können. Man muss nicht warten, bis es nachgewiesen wird. Soweit Menschen aus Fehlern lernen und man die Fehler kennt, sollte man sie vermeiden. Aber das Feld zwischen Fehler kennen und Fehler vermeiden, ist gespickt mit den Vorteilen der einen und den Nachteilen der anderen Hälfte der Menschheit oder in einem Konflikt, Geschäft, Verhalten in der Beziehung zweier Menschen. Deshalb, so könnte man schlussfolgern, lernt man nicht aus Fehlern. Auch hier gilt, wer das meiste Geld hat, um Grenzüberschritte zu finanzieren, wird Grenzen überschreiten und Fehler machen, die bereits andere machten.

      Psychologische und ärztliche Psychotherapeuten haben lange genug abgewartet, ob sich aus irgendeiner, und sei es aus einer noch so kleinen Ecke des allgemeinen Bewusstseins, aus СКАЧАТЬ