Durch die Bank. Dieter Lüders
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Название: Durch die Bank

Автор: Dieter Lüders

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

Серия:

isbn: 9783737565554

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СКАЧАТЬ Weiterführung. Man hätte nur weitere Ausflüchte geerntet.

      „Das stimmt nicht; geben Sie mir meinen Vater.“

      „Er ist nicht da.“

      „Geben Sie ihm jetzt bitte den Telefonhörer!“

      Es war einen Moment still. Die Frau musste es begriffen haben. Dann folgte das, was immer folgte, wenn man jemanden zu etwas überredete. Nur hier war es so, dass Claudia postwendend mitbekam, wie sehr sich ihre Manipulation niederschlug. Sie musste mit anhören, wie die Frau am Telefon Ärger bekam. „Ich bin nicht zu sprechen, wie oft soll ich dir das noch sagen?“ Es war die Stimme ihres Vaters, aufgebracht und wütend.

      Claudia war der Meinung, dass das ein gutes Zeichen war. Er sollte sich in seinem Domizil nicht auch noch wohlfühlen. Rauswerfen hätte sie ihn sollen, oder er sie. Mit so einer Frau durfte ihr Vater nicht länger zusammensein.

      „Was willst du von mir?“

      Claudia war rechts rangefahren.

      „Papa! Hör mir bitte einen Augenblick zu, nur kurz!“

      „Du hast mir nachspioniert!“

      Jemand musste geredet haben, und es kam noch schlimmer.

      „Wenn du jetzt auch noch für die Bank arbeitest, dann bist du nicht mehr meine Tochter!“

      Seine Stimme war nicht abweisend. Es klang viel mehr wie ein Hilferuf. Er wartete auf ihre Antwort. Er legte nicht auf. Er wollte sie noch einen Satz sprechen lassen. Sie konnte ihn jetzt gänzlich verärgern oder am Ball bleiben. Sanfte Worte, und bloß keinen Druck ausüben. Eben noch bestimmend, und jetzt sollte sie ihre Liebe ausdrücken. Worte der Versöhnung waren gefragt. Claudia hatte diese Begabung. Sie war echt und ehrlich. Es fiel ihr leicht, und sie musste nicht lange überlegen. Sofort als sie seine Stimme hörte, egal in welchem Zustand, sie liebte ihn und fand die richtigen Worte.

      „Papa, bitte! Ich möchte dich sehen. Wir haben beide in der letzten Zeit nicht die besten Tage gehabt. Komm schon, gib dir einen Ruck!“

      Jetzt stellte Claudia den Motor ab. Jetzt begriff sie, dass sie ihn tatsächlich erreicht hatte. Sie hatte es gehofft, und es fiel ihr unendlich schwer, diesen Schritt zu tun.

      „Lass mich kurz vorbei kommen“, bat sie ihn.

      Horst war derart nachdenklich geworden, dass er nicht mehr widersprechen konnte. Er wollte es auch nicht. Sich gegen sein Schicksal zu stemmen, war immer kraftraubend. Wenn aber noch jemand kam, der einem Erleichterung versprach, dann fielen Mauern.

      „Weißt du denn, wo?“

      „Ich bin in zehn Minuten da.“

      Genug ist genug! Claudia wollte ihrem Bauchgefühl nicht weiter folgen. Zu gerne hätte sie sich wie ein Wasserfall offenbart, aber das ging nicht. Kein Dank, keine Freude. Es war nicht die Zeit. Alles hing an einem seidenen Faden. Er war nicht reif für ihre Gefühle. Schweren Herzens blieb sie stumm und hörte nur noch, dass aufgelegt wurde.

      Was würde sie für Abgründe vorfinden? Es waren nur noch wenige Häuserblocks, eine Adresse in Altona. Es gab schönere Stadtteile in Hamburg. In letzter Zeit gab es aber einige Veränderungen, was die Stadtentwicklung anging. Altona hatte sich gemausert. Viele Neubauten waren entstanden, in etwa so viele wie in der Hafencity. Claudias Einschätzungen avancierten ihr Ziel, wie manche Kreditsicherungsanstalten. Sie schätzten die Bewohner, unter wenigem anderen, nur nach ihrem Wohnort ein. Es nannte sich Geo-Scoring. Kreditwürdig waren dabei nicht die Bewohner von Lurup oder Steilshoop; wer in einem der sozialen Brennpunkte wohnte, hatte von vornherein einen Punkteabzug. Das galt aber nicht für ganz Altona. Denn zu Altona gehörte auch Blankenese. Bahrenfeld, Ottensen und Othmarschen waren absolut nicht einschätzbar, Pöseldorf war klar, die `Creme dé la Creme`, eine Arbeitslosenquote, die gegen Null ging. Ein Durchschnittseinkommen, welches Bankkaufleuten Dollarzeichen in den Augen bescherte - und Nienstedten erst! - direkt an der Elbe gelegen und superreich.

      Friedensallee, die Straße, in der auch die Filmschule Hamburg-Berlin ihren Sitz hatte. Künstler und Studenten, Nummer einunddreißig. Claudia musste vorbeifahren. Es gab keinen Parkplatz weit und breit. Straßencafés und rostige Fahrräder an den Baumschutzbügeln. Lieferwagen und Kinderwagen. Wenige Städte hatten so ein vielschichtiges Leben zu bieten. Junge Leute, Kinder mit Schulranzen auf dem Rücken, Auszubildende, ältere Leute mit Rollatoren, Frauen mit langem Mantel und Kopftuch und ein Pizzalieferant mit Turban. Alles da, nur kein Parkplatz!

      Claudia dachte längst nicht mehr an Manuel. Der junge und dynamische Sohn eines Bankdirektors hatte in ihrem Kopf Platz gemacht für die Suche nach einem Parkplatz. Absurd und ironisch. Es ging um einen wichtigen familiären Anlass, und das Schicksal sträubte sich. Ihr Vater wartete womöglich. Mehr oder weniger hoffnungsvoll hätte er ihr dabei zusehen können, wie sie sage und schreibe fünfmal an dem Haus vorbeifahren musste.

      Aus den angekündigten zehn Minuten wurden fünfundvierzig! Zu lange für eine einfache Lösung. Horst hatte den Glauben aufgegeben und öffnete inzwischen eine weitere Flasche. Fünfunddreißig Volumenprozent - Korn. Getreide, was zum Brot des Lebens hätte verarbeitet werden können, wurde zu Schnaps destilliert. Schnaps, zur Freude und als Absacker erfunden, degenerierte zum Frustverstärker. Weil Claudias Ankunft sich verspätete, gab Horst seine Hoffnung auf. Wie einst Jakob seinem Bruder Isaak den Segen gegen ein Linsengericht eintauschte, so sehr setzte auch Horst Wohlert auf die schnelle Bedürfnisbefriedigung. Wie ein Tiger im Käfig, so kreiste er im Zimmer umher. Er brüllte seine Kneipenbekanntschaft an und auch sich. Er hoffte für Minuten auf seine Tochter, doch sein Glaube war zu schwach. Nicht, dass er die Hoffnung auf Rettung aufgab, nein! Er machte nur einen faulen Kompromiss. Dafür hasste er sich, und dieser Selbsthass wollte wachsen. Er wollte weiterwachsen und größer werden und Früchte tragen. Die Zerstörung suchte nicht nur in Horst eine Wohnung, sie vermehrte sich auch noch. Ungepflegte Hoffnung verfaulte zu einem billigen Kompromiss.

      Claudia hatte geklingelt. Die Haustür war offen gewesen, und sie war in die dritte Etage gegangen.

      „Was wollen Sie?“, hatte eine Frau im Morgenmantel sie gefragt.

      Vier Uhr nachmittags - und ein Morgenmantel? Hatte sie den noch an oder schon wieder? Ihre Haare - ein jämmerlicher Mittelscheitel. Halb hellgrau und halb dunkelgrau. Diese Falten, Tränensäcke! Wenn Chantal das gesehen hätte... Die Tapeten vergilbt und Plastiktüten von Discounters im Flur. Claudia hatte mit vielem gerechnet, aber das durchfuhr ihre Glieder, so dass sie vieles vergaß. Sie hätte an Peter Schlüter, ihren neuen Chef, denken können; Disziplin und schnurgerade geparkte Luxuslimousinen.

      Eine Zigarettenkippe war irgendwann einmal aus dem Aschenbecher gefallen. Sie hatte es nicht bemerkt, und ihr Hausschuh schob sie an die Schwelle. Sie trampelte auf ihrem Abfall herum. Hier wohnte also inzwischen ihr Vater. Claudia hätte jetzt an Manuel denken können. Sie hätte sich vorstellen können, wie sie mit ihm an einem Südseestrand Longdrinks schlürfen würde. Ein einsamer Strand. Nur das Säuseln der Palmwedel im Wind und das Rauschen seichter Wellen. Aber an Realitäten wie diesen zerbrachen schon ganz andere Träume. Zu sehen, wie sie eine Zigarettenkippe mit ihren Plüschlatschen über das PVC-Parkettimitat schob und es noch nicht mal zu bemerken schien. Das schien ihr das Niedrigste und Verwerflichste zu sein, was einem Menschen widerfahren konnte; es nicht mehr mitzubekommen.

      Oder war es Absicht, so zu leben? War diese Frau vom Leben zur Ohnmacht verdammt worden? Warum hatte sie sich aufgegeben? Hatte sie sich nicht aufgegeben, weil sie gar nie lebte? Claudia wusste nicht, ob sie jetzt hassen oder lieben sollte. Verwahrloste Leute verwirrten schon immer auch ihre Mitmenschen. Sie hielten sie von guten СКАЧАТЬ