Название: Durch die Bank
Автор: Dieter Lüders
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783737565554
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Er torkelte, das war das erste, was Claudia sah. Mit seinen Händen stützte er sich an der Wand ab. Jeden Meter neu. An der Garderobe verfing er sich in einem Mantel.
„Annette! Schick sie weg!“ Horst stand an der Tür, und Claudia bekam vor Schreck weiche Knie.
„Was willst du noch von mir?“ Er hielt sich im Türrahmen fest. Annette war nicht mehr zu sehen. „Ihr Banken habt mir mein Leben kaputt gemacht. Mein Haus habt ihr mir genommen, und du arbeitest für die? Geh mir aus den Augen!“
„Brüll da nicht so rum!“, mischte Annette sich ein.
„Es geht dich nichts an, wie ich mit meiner Tochter rede.“
„Deinetwegen verlier ich noch meine Wohnung!“, kam Annette in Rage.
„Papa! Wie kannst du um diese Uhrzeit schon so betrunken sein? Ich bin gekommen, weil ich dir helfen wollte.“
„Ich brauche keine Hilfe.“
„Das ist doch nicht normal, was du da machst. Wo soll das enden?“
Dann sackte er zusammen. Er konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten. Claudia wollte ihn stützen, aber er rutschte ihr aus den Händen und glitt zu Boden. Annette stand weit hinter der Tür und hielt sich die Hände vor das Gesicht. Sie weinte. Es waren viele Tränen - stumme Tränen. Sie musste oft geweint haben. Es waren ihre eigenen Tränen. Sie wurden geweint, um von anderen nicht gesehen zu werden. Verzweiflung und Hilflosigkeit, nur noch ein Häufchen Elend.
„Ich will dich nicht mehr sehen. Dein Anblick erinnert mich nur noch an euch Scheißbanken.“ Er versuchte sich hinter die Tür zu bewegen. Es sah aus wie dieser russische Kosakentanz, der Kasatschok. Doch dann stieß Horst mit dem Hinterkopf an die Wand. Schmerzen verspürte er nicht. Aber Claudia erschrak zu Tode.
„Du bist nicht mehr meine Tochter.“ Er versuchte gegen die Tür zu treten.
„Wenn du mit Mutter auch so umgegangen bist, dann ist es wirklich kein Wunder, dass sie sich was angetan hat.“
Dann erwischte er mit dem Fuß die Tür. Sie krachte ins Schloss. Claudia trat wütend von außen gegen die Tür. Dann war es still.
Als Claudia wieder in ihrem Auto saß, versuchte sie ihr Make-up zu retten, verlaufen und verwischt. Alleine dieser Anblick brachte sie zum Weinen. Alles andere von eben konnte man mit Tränen nicht ausdrücken, nicht an einem Tag. So gehörte Familie nicht. Aber wer sollte helfen, wenn einer sich nicht helfen lassen will? Trennen wäre eine Möglichkeit, aber das ging zwischen Blutsverwandten nicht. Man blieb verwandt. Bei einer Ehe oder anderen Verhältnissen, wie im Job oder im Verein, ging das mit einem Neuanfang!
Ihre Kosmetik war wieder ansehnlich, da klingelte ihr Autotelefon. Eine Handynummer erschien im Display. Claudia nahm den Anruf entgegen.
„Ja? Petersen.“
„Schlüter hier.“ Es war Manuels Stimme. „Der Junior.“
„Ah!“ Claudia war sehr überrascht. Mit vielem hätte sie gerechnet, aber damit nicht. Und es kam noch besser.
„Frau Petersen. Ich wollte sie fragen, ob sie heute abend etwas Zeit hätten!“
Claudia hatte Zeit. Nur wusste sie nicht, ob sie das so schnell einfach zugeben sollte. Es fiel ihr aber auch nichts dagegen ein.
„Warum nicht?“, sagte sie kurz und bündig.
„Schön. Strandperle, heute abend um sieben?“, fragt er.
„Gerne.“
Und schon war der Anruf wieder beendet. Kurz, aber wirkungsvoll. Endlich konnte sie an etwas Schöneres denken als an den Zustand ihres Vaters und daran, was er aus seiner Firma gemacht hatte. Weder das eine noch das andere beschäftigte sie. Es war wieder Manuel in ihrem Kopf. Michelangelo musste so etwas als Vorbild gehabt haben, als er den David aus Stein meißelte, der noch heute in der „Galleria del´ Accademia“ in Florenz steht.
Claudia unterlag einem Trugschluss. Es war wie bei der Partnersuche. Wer sich selber als sportlich, groß und schlank einschätzte, der war damit nicht zwangsläufig auf der Seite der Mehrheit. Hier war es genau umgekehrt! Claudia hatte Manuel in viel zu guter Erinnerung. Ihre Phantasie überhob Manuel zu einem Übermenschen. Es gab einen Namen für dieses Phänomen. Da, wo der Verstand aufhörte, fing die Leidenschaft an. Viele hätten hier voreilig Liebe diagnostiziert. Die ja mit einer Sehstörung namens „Blindheit“ einhergeht. Bisher gab es aber keinen Liebesbeweis.
Die Schlaglöcher der Stadt setzten ihrem kleinen Wägelchen zu. Sie wich auch gar nicht aus. Sie schwebte auf Wolke sieben. Vor kurzem hatte sie noch schlaflose Nächte, weil sie nach zig Bewerbungen noch nicht einmal ein Vorstellungsgespräch bekam. Ihre Ersparnisse gingen zu Ende. Die Reparatur der Waschmaschine wollte sie sich schon nicht mehr gönnen, dann ging auch noch das Radio kaputt. Sie war auch froh, dass sie den elektrischen Fensterheber am Auto nicht hatte reparieren lassen. Das Geld hatte sie sich lieber aufgehoben. Am Anfang der nächsten Woche, wenn sie den zweiten Teil ihrer Rundumbehandlung bei Chantal bekäme, würde sie es ausgeben können - und das nicht für den Fensterheber. Der war erst dran, wenn das erste Gehalt auf ihrem Konto war.
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