Durch die Bank. Dieter Lüders
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Название: Durch die Bank

Автор: Dieter Lüders

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

Серия:

isbn: 9783737565554

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      „Geradezu unfair!“ Manuel grinste dabei sichtlich. Wieder fiel ihm ihre Entschlossenheit auf. „Ich habe ein sehr gutes Gefühl, was unsere Zusammenarbeit angeht.“

      „Es beruhigt mich etwas, dass wir uns verstehen.“ Claudia lehnte sich in ihrem Sessel zurück und schlug die Beine übereinander.

      Manuel rollte an den Schreibtisch heran und sah, dass dort die Aktenordner der Landmaschinenfirma waren. Sie waren auseinander gerutscht, wie Ringordner auseinander rutschten, wenn man versuchte, sie übereinander zu legen. Der Pappkarton mit den Visitenkarten stand an der Tischkante. Claudia wollte ihn später auspacken. Diesmal wollte sie den Schreibtisch anders einrichten, nicht mehr so wie in der letzten Bank. Nicht, dass sie abergläubisch gewesen wäre, es hätte sie nur zu sehr erinnert. Eine Wunde, die nur ein nächster Erfolg heilsam verpflastern konnte.

      „Darf ich?“ Manuel deutete an, dass er in die Ordner sehen wollte.

      „Klar; das ist jetzt unser Projekt.“ Claudia schob ihm einen Ordner entgegen. Sie zog sich einen weiteren heran. „Kontoauszüge und Betriebswirtschaftliche Auswertungen. Oh Mann!“ Nachdem Claudia die Aufschrift auf dem Ordnerrücken gelesen hatte, schlug sie ihn auf. „Kopien, Originale, und das über drei, vier, fünf...“ Sie blätterte. Dann rutschte ihr Finger von den Papierecken. Das Blättern gelang ihr nicht mehr. Sie feuchtete ihren Finger an, was Manuel in seinen Gedanken unterbrach. Sie blätterte weiter. „sechs, sieben Jahre.“

      Wie sie ihren Zeigefinger mit der Zungenspitze berührte, das ging Manuel nicht mehr so schnell aus dem Gedächtnis. Sie trug roten Lippenstift und etwas Wangenrouge. Die Augenlider, die Wimpern und auch die Haare waren perfekt zurecht gemacht. Manchmal fehlte an den Mundwinkeln etwas Lippenstift, oder auf der Oberlippe wurde versucht, etwas hinzu zu mogeln. Hier nicht. Keine Klümpchen an den Wimpern, alle parallel. Er wusste nicht, dass sie vor wenigen Stunden noch im Beauty-Center von Chantal gewesen war. Und sie wusste nicht, wie sehr dieser Besuch gerade seine Wirkung entfaltete. Ihre Haare waren schulterlang, dunkelbraun und schwangen sich in großen Wellen um ihr schlankes Gesicht, so dass es ihn fast an die Frisuren der achtziger Jahre erinnerte. Chantals Laden war ein Geheimtipp.

      Manuels Ordner enthielt die Details zu den Bilanzen. Die Aufstellung des Inventars, was, wann und um wie viel Prozent abgeschrieben wurde. Ganz hinten war ein ausfaltbarer Kontenrahmen eingeheftet, falls mal ein Auszubildender oder ein Praktikant in den Ordner sah und die Kontonummer nicht auswendig wusste.

      „Typisch! Warum hat er nicht auch noch gleich einen Taschenrechner mit eingeheftet?“ Manuel klappte den Ordner zu. „Wollen wir das wirklich alles haarklein nachvollziehen?“, fragte er sie.

      „Besser wäre es.“ Auch sie schloss ihren Ordner.

      Dann bemerkten sie beide gleichzeitig, dass da noch ein Dritter lag. „Schriftverkehr“, las sie laut vor und schlug ihn auf.

      Als sie das Wort ‘Verkehr’ aussprach, wusste Manuel nicht, ob er sich hassen oder akzeptieren sollte. Er wollte die anderen Bedeutungen dieses Wortes jetzt nicht bedenken! ‘Verkehr’ ist Bewegung, Bewegung ist Leben. Schiffe und Lastwagen. Musste Straßen-und Schiffsverkehr immer etwas mit Schmutz zu tun haben? Informationslogistik wäre ein unbefleckter Begriff. Nur nackte Informationen! Unbefleckt, nackt! Manuel sehnte sich nach Reinheit in seinem Kopf. Waren Gedanken denn nicht auch so eine Art von Motor, die nicht ohne Umweltverschmutzung auskamen? Oder wurden bisher nur noch keine Antriebstechniken für Gehirne erfunden, die bei ihrer Krafterzeugung nicht auch gewisse Flurschäden anrichteten?

      Entweder würde es Jahre dauern oder nie gelingen, die Wörter ‘Information’ und ‘Logistik’ nicht mit Schlafzimmerdunst zu benebeln. Genugtuung machte sich in ihm breit, und die Unruhe wich, als er so dachte. Das Zusammenklappen des Ordners holte Manuel zurück in die Realität. Claudia hatte genug gesehen und schlug den Ordner demonstrativ zu. Sie legte ihn nahezu achtlos zu den anderen.

      „Das ist also alles, was uns die Landmaschinenfirma gegeben hat.“ Claudia bemerkte, dass Manuel jetzt ruhiger war. Vor ein paar Minuten war er angespannt, als ob er eine kleine Reise gemacht hätte - in Gedanken. War Manuel ein Phantast? Er trug keine Armbanduhr. Wo andere Uhren trugen, die möglichst teuer waren, da trug er noch etwas Teureres - nichts. Zeit war Geld, und Zeit schien er wie Heu zu haben. Oder hatte er die Uhr nur vergessen? War er ein wirrer Träumer, ein Grübler, ein Zweifler und Bedenkenträger? Ein Visionär gar? Sie hatte so einen Blick erst ein einziges Mal gesehen. Pupillen, die einem das Gefühl vermittelten, dass man in die Linse einer Videokamera sah. Gleichzeitig versprachen seine Augen den Blick in ein Kaleidoskop. Aus dieser Entfernung konnte sie nichts erkennen. Sie hätte ihm so nahe sein müssen wie einem Schlüsselloch, um in seiner Welt etwas zu erkennen.

      *

      Claudia fuhr mit ihrem kleinen Trendflitzer die Elbstrasse entlang. Zurück, in Richtung nach Hause. Manuel war hinter ihr. Sie sah immer wieder in den Rückspiegel und konnte sich nicht genug freuen, dass Manuel ihr so gut gefiel. Doch plötzlich schoss ihr ein Gedanke durch den Kopf: sie hatte einen Auftrag. Die Landmaschinenfirma ihres Vaters sollte sie retten. Wie würde ihr Vater es aufnehmen, wenn er erführe, dass sie jetzt für die Bank arbeitete? Würde er es begrüßen? Würde er diesen Schuss vor den Bug wahrnehmen? Ein letzter Rettungsanker. Sie wollte ihm helfen, wollte ihm den Lebenssinn wiedergeben. Er hatte für siebenundvierzig Angestellte und Arbeiter zu sorgen, die ihm egal geworden waren. Sie hatten auch Familien und Angehörige. Denen mussten sie täglich erklären, warum ihr Job auf der Kippe stand. Manch einer musste auch seiner Bank sagen, warum er den Kredit für sein Haus nicht mehr tilgen konnte. Urlaube fielen aus, und Anschaffungen konnten nicht gemacht werden, weil Horst Wohlert einfach ausgestiegen war. Hätte er seinen Posten nicht geordnet zurücklassen können? Er hätte nur einen Geschäftsführer einstellen müssen, um Zeit und Ruhe ohne Ende zu haben. Auch die Landwirte in der Region hatten unter diesen Umständen ihre Sorgen bekommen; ihre Maschinen wurden nicht mehr repariert. Es gab aber auch Nutznießer. Es waren jene Pappenheimer, die ihre Rechnungen nicht mehr bezahlten. Sie freuten sich, dass keine Mahnungen mehr kamen. Auf die hatte es Claudia besonders abgesehen. Als sie daran dachte, dass es manchen Leuten gut tat, dass ihr Vater vor die Hunde ging, da fasste sie sich ein Herz. Sie hatte eine Mission zu erfüllen. Was ihr besonders am Herzen lag, das war ihr eigenes Herz. Ihre Seele litt unter dem unnötigen Niedergang ihres Vaters. Ihr eigen Fleisch und Blut. Ihre Mutter lebte schon nicht mehr. Um so mehr galt es, den Vater zu beschützen. Sie hatte die Macht und den Willen. Aber eines musste sie versuchen. Sie musste mit Horst ins Gespräch kommen. Einige wenige Unterschriften waren nur nötig. Wenn nur nicht das Insolvenzverfahren schon angelaufen wäre! Der vorletzte Strohhalm war, dass das Insolvenzverfahren noch nicht eröffnet war. Der Termin stand noch nicht fest. Bis dahin also erst mal „Plan A“ - und den ging sie jetzt an. Manuel überholte sie. Sie winkte ihm kurz zu und wählte die Nummer, die sie in Erfahrung gebracht hatte. Dort sollte ihr Vater erreichbar gewesen sein. In der Telefonanlage ihres Autos erklang das Freizeichen. Lange hatte sie nicht gebraucht, um in Erfahrung zu bringen, wo er sich aufhielt. Dazu überwand sie sich schon einmal. Sie telefonierte mit einer Kneipe. Dort, wo er schon in früheren Zeiten oft verkehrte. Da gab man ihr weitere Hinweise. Irgendeine Kneipenbekanntschaft hatte er gemacht, und da war er wohl untergekrochen. Bisher hatte unter dieser Telefonnummer aber noch niemand abgenommen. Jetzt aber meldete sich tatsächlich eine Frauenstimme.

      „Was wollen Sie?“ Es war ein eieriger Tonfall, ein raues Timbre, eine Mischung aus Aggression, Angriffslust und Gleichgültigkeit. Ein Mensch ohne Ziele, mit dem Rücken zur Wand. Abwehren, mauern und blocken. Dieser Mensch brauchte eine klare Ansprache, einen Befehl und Orientierung. Claudia hatte es intuitiv erkannt.

      „Geben Sie mir bitte meinen Vater!“

      „Der ist nicht zu sprechen.“

      Nun gab es zwei Sorten von Menschen: die einen reagierten, СКАЧАТЬ