Am Rande. Eine Bemerkung. Anna Lohg
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Название: Am Rande. Eine Bemerkung

Автор: Anna Lohg

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783742722935

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СКАЧАТЬ so schlagend männlich, und das machte schon was her. Das war wie eine Erlösung von der Schmach des verlorenen Krieges, es wäre die Befreiung von der Unterjochung irgendwelcher Siegermächte, ihrer erzwungenen Reparationen, ruhte eine erdrückende historische Last auch auf ihren zarten Schultern. Und da machte es doch Sinn, nun ein tausendjähriges Reich mit lauter aufrechten Männern und Frauen aufzubauen. Und die von Natur aus Unaufrechten könnten in Holzschuhen und Schürzen die niedere Arbeit verrichten, also, das war doch wenigstens mal bedenkenswert. Und nun ja, vielleicht war das ein bisschen übertrieben, das mit den Juden, die hatten sie eigentlich nie belästigt, zumindest die im Dorf nicht, aber es hatte doch gewiss seine Berechtigung, wenn die zum arbeiten weggebracht wurden, denn für das Reich musste schließlich einiges getan werden. Allerdings, ein bisschen schade war es schon, dass ein paar von den feschen Jungs den Josef Bett reif geprügelt hatten und der darauf weglaufen war, das wäre sicher nicht nötig gewesen, denn der Josef war eigentlich auch ganz fesch gewesen und seine Gesinnung hatte sie nie gestört, das war doch nun wirklich nicht von Belang, dieser Kommunismus. Und überhaupt, wer interessierte sich schon für Politik?

      In dem kleinen Haus stand Mia kurz vor der Geburt ihres zweites Kindes und Edmund liebte sie, ganz egal was sie dachte, hat er sie letztlich nicht ernst genommen.

      Unterdessen wurde Edmund heftig von seinem Vetter bei der Postdirektion bedrängt, zum Donnerwetter, sollte er als Diener des Staates endlich den Arm strecken, um des lieben Friedens Willen.

      "Edmund.", mahnte der Vetter. "Das ist gar nicht schwer.", sagte er, stand auf und hob seinen Arm. "Sieh her. Das ist ganz leicht." Mit dem schräg nach oben ausstrecktem Arm, schien es, als wolle er dort in seiner Amtsstube eine schwierige Pirouette üben.

      "Das ist albern."

      "Edmund.", der Vetter schüttelte den Kopf. "Du verstehst den Ernst deiner Lage nicht." Edmund dürfte sehr wohl den Ernst seiner Lage verstanden haben, es war sein Vetter, der die Sturheit nicht verstand. Wegen dem Hans würde Edmund gewiss keinen Hampelmann machen, also auf gar keinen Fall weder sein Bein noch seinen Arm sonst wohin hampeln.

      "Der will sich das goldene Lenkrad verdienen."

      "Edmund.", der Vetter schien verzweifelt. "Der beschwert sich überall. Inzwischen auch bei den ganz hohen Stellen. Der Postbote hat nun mal gefälligst den Hitlergruß zu machen."

      "Der hat sich schon in der Schule überall angebiedert."

      "Edmund.", flehte der Vetter um ein Einsehen. "Wegen diesen Beschwerden kann ich dich hier bald nicht mehr halten. Die schicken jetzt schon die Kinder an die Front."

      "Der Hans kann mich schon seit der Schule nicht leiden. Wenn es nicht der Arm ist, findet der was anderes, um sich darüber zu beschweren."

      "Edmund! Nur den Hitlergruß! Sei doch vernünftig!"

      Der Hans war zum Bürgermeister erklärt worden, nachdem der Vorgänger unverhofft abgedankt hatte. Zum feierlichen Anlass war Hans umgehend in eine Uniform geschlüpft, bei der ihm die Nähte ein wenig spannten, wie Mia meinte. Hans fühlte sich allemal dazu berufen, im Dorf endlich für Ordnung zu sorgen. Mit dem Hackenkreuz an der Tracht und förderlichen Einsichten im Kopf sah sich Hans, insbesondere als Bürgermeister, voll umfänglich im Besitz der Wahrheit, folglich im Recht. Die Partei, mit der er rundum konform ging, bot ihm nun die Gelegenheit, wahrhaft Großes zu verrichten und keiner der dörflichen Kleingeister könnte ihn dabei aufhalten, denn niemand stellt sich einem Hans in den Weg. Als erstes kümmerte sich Hans um dieses Gesindel am Rand des Dorfes, die hätten schon längst aus ihrer dürftigen Holzhütte entfernt werden müssen, ließ sich mit diesen verlausten Lumpensammlern nämlich kein Staat machen, erst recht kein tausendjähriges Reich. Nachdem die Zigeuner endlich weg waren, kümmerte sich Hans um den Totengräber, diesen abartigen Menschen, gewiss ein als Christ verkleideter Jude, nichts weiter als unwertes Leben, welches Hans bequem deportieren ließ. Überdies konnte der Fabrikant die schäbige Baracke vom Totengräber gut gebrauchen, weil in der Nähe der Fabrik schleungist elendig viele Zwangsarbeiter untergebracht werden mussten, hatte sich Hans mit unermüdlicher Tatkraft auch darum gekümmert, würde doch ansonsten das wirtschaftliche Rückgrat des Dorfes zusammenbrechen, da alle Arbeiter rechtschaffen an der Front kämpften. Und so sorgte sich Hans verlässlich um die großen Dinge und kleinen Gesten, stets geleitet von einem strengen Pflichtgefühl und ausschließlich zum Wohlergehen des ganzen Dorfes. Alles, aber auch wirklich alles, was er tat, meinte er von Herzen gut.

      Endlich sollte sich Hans auch eifrig darum kümmern, dass Edmund wegen seiner Sturheit an die Front geschickt wurde, nachdem Mia ihr zweites Kind auf die Welt brachte. Einen Jungen den sie Paul nannte, aber erst nachdem er seinen ersten Happen vollständig geschluckt und verdaut hatte. Dass Edmund ausgerechnet jetzt Krieg machen sollte, kam ihr nicht sonderlich gut zu pass, soweit wollte sie eigentlich nicht in diese, doch wohl eher politischen Angelegenheiten mit hinein gezogen werden. Tausend Jahre, ein Reich und nun wurde auch noch die Seife knapp, die sie dringend zum waschen der Windeln brauchte. An die wirklich wichtigen Dringlichkeiten dachte augenscheinlich niemand.

      Inzwischen stand Edmund in einer anderen Uniform auf dem Appellplatz. Hastig war er in die nächstbeste Kaserne verbracht worden, sollte dort mit anderen Nachgezogenen ein paar Tage trockene Übungen vollführen, um sich für die anhängige Schlacht zu wappnen. Eilig erteilte Lektionen schienen einer siegreichen Wehrmacht zu genügen, zumal sterben sowieso schon jeder kann. Gleich am ersten Tag hatte sich Edmund, bemüht stramm in einer zu großen Uniform, in der ersten Reihe aufgestellt, er war es leid ständig hinten zu stehen und nichts zu sehen. Doch was er sah, unverstellt von ganz vorne, gefiel ihm gar nicht, wie ein tollwütiger Dirigent stand da dieser Feldwebel oder war es ein Offizier, eben so ein ungehobelter Kerl, der ein betrübt wirkendes Orchester vollkommen überdreht anschrie. Rüde Umgangsformen waren doch ausgesprochen unangenehm, solcherlei Ansprachen hatte Edmund bereits in der Schule verabscheut, trotzdem bleib er stehen, so wie er damals gegenüber dem schreienden Lehrer mucksmäuschenstill sitzen geblieben war, als sei er ein dressiertes Äffchen in einem Zirkus, das vor einem frenetisch applaudierenden Publikum beim nächsten Knall der Peitsche durch einen brennenden Reifen springt.

      Angst ließ ihn, und vermutlich andere neben ihm, wie angewurzelt stehen, schien Edmund bereit sein Leben zu opfern, um es zu behalten. Mit Gebrüll wurde er zur Schlachtbank geführt, während er inständig hoffte, es möge ihm nichts schlimmes passieren. Dort stand er nun, als der auserwählte Nachschub für die verlustreiche Ostfront, als könnte ausgerechnet Edmund, wie der letzte Mann im Reich, dem Wahnwitz zum Sieg über die ganze Welt verhelfen.

      "Wer hat einen Führerschein?" Plötzlich, dort auf dem Appellplatz, bohrte sich diese Frage in sein Hirn. "Wer hat einen Führerschein?" Das Gebrüll war in seinem Kopf zu Mus geworden, frei von Verständlichkeit, bis diese Frage in sein Bewußtsein drang, klar wie der Ton einer vollendeten Glocke. Und Edmund schnellte ohne Zögern seinen rechten Arm gebieterisch empor. So stolz war er auf seinen Führerschein, dass er dort, als Soldat der Wehrmacht, in jauchiger Uniform, stramm seinen rechten Arm gen Himmel reckte, als wolle er Hitler begeistert Heil wünschen, sollte ihm diese Geste diesmal das Leben retten. Unter den gestreckten Händen wurden nur drei Mann aus den vorderen Reihen ausgesondert und genau da stand auch Edmund, zum ersten Mal in der ersten Reihe. "Austreten!" Er hatte keine Ahnung, wohin ihn dieser Austritt führen würde, doch statt im Schützengraben zu sterben, wollte er seinem Tod lieber in einem Automobil entgegen fahren.

      Das geschmiedete Glück bleibt ein Aberglaube, aber Edmund konnte sein Glück kaum glauben, als er und die beiden anderen Auserwählten zu Chauffeuren ernannt wurden, die Generäle kutschieren sollten, in stets sicherer Entfernung vom Schlachtfeld. Irgendwer muss schließlich abseits des Gemetzels die kleinen Zinnsoldaten auf einem großen Brett hin und her schieben, eine Schlacht führen, bei der namenlose Figürchen auf einem unwirklichen Gelände ihren Tod finden. Krieg ist für manche nur ein Planspiel. Und Edmund ward erkoren, solch rühmliche Spieler mit reichlich klimperndem Nippes an der СКАЧАТЬ