Till Türmer und die Angst vor dem Tod. Andreas Klaene
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Название: Till Türmer und die Angst vor dem Tod

Автор: Andreas Klaene

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783738062090

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СКАЧАТЬ bekam er mit, dass er gerufen wurde, und zwar in einem Ton, der ihm sagte, dass es zuvor bereits einen Ruf gegeben hatte, einen, der nicht bei ihm angekommen war.

      »Hallo, junger Mann, Ihr Käse! Oder darf es sonst noch etwas sein?!«

      So ganz schien diese Frau das Leben doch nicht im Griff zu haben, wenn sie einen wie ihn, der seine Zeit und das Leben überhaupt tausend Mal hin und her gewendet hatte, wie einen Siebzehnjährigen ansprach. Er hob zum Zeichen, dass er verstanden hatte, die Hand Richtung Käsetheke, ohne sich umzudrehen. Die Frau mit den Einweghandschuhen sollte nicht noch einmal rufen. Er würde schon kommen, jedoch nicht auf der Stelle.

      Inzwischen war die Frau, die soeben einiges in ihm durcheinander gebracht hatte, zwischen den Regalen verschwunden. Diese Tatsache brachte ihm nicht gerade Ausgeglichenheit. Er machte kehrt, schnappte sich den Gouda, der in weißem Papier griffbereit auf der Glasfläche lag, warf der Verkäuferin ein verlegenes Lächeln und ein schnelles »Danke!« zu, schenkte der Mutter und ihrer kleinen Akrobatin im Vorbeieilen ein charmantes Gesicht und machte sich zielstrebig mit seinem Wagen davon.

      Till schob bis zur nächsten Kreuzung, blieb stehen, schaute links und rechts und entschied sich für rechts. Beim Halt an der nächsten Kreuzung das Gleiche. Wieder bog er rechts ab, schob noch schneller durch den langen Gang, bugsierte an Männern und Frauen vorbei, die in den Weiten dieses Warenwaldes offensichtlich nicht auf ra­sante Fahrer gefasst waren. Manche standen plaudernd da, als befänden sie sich mitten im Wald und packten gleich ihr Picknick aus. Eine dickliche Frau, die ihn kommen sah, riss ihren mitten im Weg dümpelnden Einkaufswagen an ihren Leib. Als er im Vorbei­ziehen ein Wort des Dankes fallen ließ, sah sie ihn begeistert an wie einen Marathonmann, der noch die Kraft aufbrachte, sie trotz aller Erschöpfung in der Zielgeraden zu grüßen. Von solchen Frauen ging etwas Rührendes aus, etwas, das ihn auch durchaus erwischte. Aber nur wie ein kitzelnder Streifschuss.

      Im nächsten Augenblick machte er eine Entdeckung, die in seinem inneren Maschinenraum alles auf Stopp stellte: Sarah war endlich wieder aufgetaucht und schlenderte suchend an den Regalen entlang.

      Für Till hatte dieser Moment aber etwas Unwirkliches. Jetzt, wo er sie klar vor Augen hatte, bekam er Zweifel. Er fragte sich, ob es wirklich sein konnte, dass er sie mit nur einer einzigen Suchaktion gefunden hatte. Und noch ein anderer Gedanke fing an, in ihm zu wabern: Er hatte sie doch nur ein paar Sekunden lang hinter dem Lamberti-Palais gesehen. Reichte solch eine Minisequenz, um einen Menschen Tage später zwischen anderen klar identifizieren zu können?

      Er war sich so gut wie sicher, dass diese Frau Sarah war, obwohl sie nun nicht im festlichen Kleid vor ihm aufkreuzte und obwohl sie ihr dunkles Haar in diesem Supermarkt ganz anders trug. Jetzt hatte sie es zusammengebunden, und auch das schwarze Shirt, das nun weit ihren Oberkörper umspielte, hinterließ eine andere Atmosphäre als das Bild, das er in Erinnerung hatte. Hingegen das Rot einer scharfen Chili-Schote, das sich als Jeans um ihren Po und ihre Beine schmiegte, das schien eindeutig ein Merkmal der Frau zu sein, die er hinterm Hotel in Aurich viel zu schnell aus den Augen verloren hatte.

      Till hatte es jedenfalls überhaupt nicht mehr eilig. Er schob seinen Wagen in ihre Richtung, musste auf dem Weg dorthin noch einiges in seinem Kopf klären.

      Was ihm jetzt, während er dieser Frau mit jedem Schritt näher kam, am meisten zu schaffen machte, war seine eigene Rolle. Er dachte an das, was er hier veranstaltete, und hielt sein Verhalten nicht gerade für erwachsen. Till kam sich geradezu pubertär vor. Er entlarvte sich als einen, der kopflos Stunden seines Arbeitstages investierte, um eine Frau aufzuspüren, die er nicht kannte und die bei näherem Hinsehen zur Enttäuschung mutieren konnte. Und schlimmer noch: Er musste daran denken, wie Hunde sich gebärdeten, männliche, wenn sie den Duft einer läufigen Hündin in der Nase hatten: Nichts konnte sie aufhalten, sie liefen zielstrebig der Nase nach. Ohne Gehirn. Auch über jede Schnellstraße.

      Nein, dieses Bild passte nicht, dachte er, nicht zu ihm, und schob es mit dem Einkaufswagen aus seinem Gedankenweg. Im Grunde hatte er doch gar keine Ahnung, wie er die Frau, die mittlerweile direkt neben ihm immer nach weiß Gott was suchte, einschätzen sollte. Wenn ihre Stimme die richtige wäre, das wusste er, könnte sie der Himmel sein, der in Eichendorffs Gedicht die Erde küsste.

      Ohne es geplant zu haben, verhielt Till sich nun ganz automatisch wie sie: Er suchte. Was, das wusste er noch nicht. Aber sein Hin-und-her-Geschlendere sollte sie wissen lassen, dass sie beide etwas gemein­sam hatten. Wenn zwei unter Vielen ihre Gemeinsamkeit entdeckten, konnte sie das zusammenbringen. Zumindest wäre das ein Grund, etwas zueinander zu sagen.

      Er blickte ratlos auf zahllose Deoflaschen, Aftershaves und Zahncremes, die sich akkurat wie Soldaten bei einer Militärparade präsentierten. So, als könnte er mittlerweile nicht mehr daran glauben, auf eigene Faust fündig zu werden, schaute er kurz zu ihr hinüber. Sie ließ sich jedoch nicht stören, konzentrierte sich auf ihre eigenen Besorgungen. Dann hörte er, wie sie etwas sagte. So, als würde sie mit sich selbst sprechen. »Ich könnte es ja wissen.«

      Er schaute sie an. »Hm? – Meinen Sie mich?«

      Nun blickte Sarah ihm so offen und freundlich ins Gesicht, als wäre selbstverständlich er gemeint. »Was könnten Sie wissen?«

      »Wo Sie finden, was Sie suchen.«

      »Aha, das ist ja nett«, sagte er, und seinen Augen war anzusehen, dass er ihr Angebot noch viel netter als nett fand. »Aber Sie scheinen ja selbst auch noch nicht fündig geworden zu sein.«

      »Ich weiß aber, dass es hier direkt vor mir steht. Stehen muss! Ich meine, in diesem Regal.«

      »Ach so, Sie stecken also auch in dem Wald, den man vor lauter Bäumen nicht sieht?!«

      »Manchmal guckt man halt mit dem falschen Auge.«

      Als er nicht sogleich reagierte, sondern lediglich in ihre Augen blickte und sich versucht sah, zumindest ganz kurz einmal mit sämtlichen Sinnen in dieses Blau zu tauchen, hakte sie nach. »Also, wollen Sie jetzt davon profitieren, dass ich mich hier auskenne?«

      Till hatte das Gefühl, schon längst profitiert zu haben. Er sah ins Regal, griff sich dann etwas linkisch an den Kopf und meinte: »Was für die Haare suche ich.«

      »Sehen Sie, ist doch gut, dass Sie mich gefragt haben. Sie sind näm­lich gerade daran vorbeigelaufen.«

      Und schon ging sie zwei, drei Schritte in die entsprechende Richtung. Till folgte ihr. Nun war er sich so gut wie sicher, dass diese Frau Sarah war. Jedenfalls klang sie wie die, die er hinterm Fenster im Lamberti-Palais belauscht hatte. Obwohl, das sanft Eindringliche, das ihn beim ersten Mal so elektrisiert hatte, konnte er jetzt nicht heraushören. Doch das irritierte ihn kaum, schließlich musste sie ihm ja nicht eindringlich klarmachen, dass es höchste Zeit für sie war, aufzubrechen und sich um jemanden zu kümmern, der irgendwo allein herumlag.

      Als er nach dem Shampoo griff, hörte er hinter sich eine andere Stimme.

      »Hey Sarah, schön, dass ich dich sehe! Hab ich da richtig gelesen, dass du am Samstag auch dabei bist?«

      Die beiden Frauen umarmten sich flüchtig und Sarah fragte: »Du meinst in der Kulturremise?«

      »Ja klar. Also, wenn du da bist, komme ich auf jeden Fall nach Aurich.«

      »Das finde ich ganz toll, wenn du auch dabei bist, Biggi.«

      »Klar, sowas darf ich mir doch nicht entgehen lassen. Was wird’s denn diesmal von dir geben?«

      Doch auf diese Frage rückte СКАЧАТЬ