Les Misérables / Die Elenden. Victor Hugo
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Читать онлайн книгу Les Misérables / Die Elenden - Victor Hugo страница 45

Название: Les Misérables / Die Elenden

Автор: Victor Hugo

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783754173206

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СКАЧАТЬ vier Mädchen waren entzückend lieblich. Ein wackerer klassischer Dichter, eine damalige Berühmtheit, der an jenem Tage unter den Kastanienbäumen zu Saint-Cloud lustwandelte, der Chevalier de Labouisse, sah sie um zehn Uhr Morgens vorübergehen und bemerkte: »Ich glaubte, es gebe blos drei Grazien,« Favourite, die Freundin Blacheville's, die »Alte« lief voraus im Walde, sprang über die Gräben, stieg über die Sträucher und ermunterte, übermüthig wie eine junge Faunin, die Andern durch ihr Beispiel. Sephine und Dahlia, deren Reize sich gegenseitig vervollständigten und zu besserer Geltung brachten, hielten sich wohlweislich beisammen und ahmten, sich unterfassend, die Haltung feiner Engländerinnen nach; denn damals kamen die ersten keepsakes auf, die Frauen beflissen sich melancholischer Mienen, wie später der Byronismus bei den Männern Mode wurde, und trugen sentimentale Schmachtlocken. Fantinen erklärten Listolier und Fameuil den Unterschied, der zwischen ihren Professoren Delvincourt und Blondeau bestand.

      Blachevelle schien eigens dazu geschaffen zu sein, des Sonntags Favourite's, an einem Ende mit Palmen gezierten Kaschmirshawl zu tragen.

      Tholomyès marschierte hinterdrein. Er war sehr aufgeräumt, aber man merkte es ihm an, daß er sich als den Diktator der kleinen Schaar fühlte. Sein Hauptschmuck waren Beinkleider mit sogenannten Elefantenbeinen, aus Nankin, mit Sprungriemen aus Kupferdrahtgeflecht. Dazu ein gewaltiger Spazierbaum, der seine zweihundert Franken gekostet haben mochte, in der Hand, und da er alles Neue haben mußte, ein sonderbares Ding, das man eine Cigarre nannte, im Munde. Der kecke Mensch rauchte!

      »Das ist ein Kerl, der Tholomyès!« sagten die andern voller Bewunderung. »Diese Pantalons! Dieser Schneid!«

      Was Fantinen betrifft, so war sie die personifizierte Freude. Ihre prächtigen Zähne hatte sie augenscheinlich von Gott speziell zu dem Zweck bekommen, daß sie fleißig lachen sollte. Ihr Strohhütchen mit den langen, weißen Bindebändern trug sie lieber in der Hand, als auf dem Kopfe. Ihr dickes blondes Haar, das leicht ausging und beständig wieder aufgesteckt werden mußte, erinnerte an Galatea, wie sie von Polyphen verfolgt, durch das Weidengebüsch dahinfloh. Ihre rosigen Lippen waren bezaubernd schön. Die etwas in die Höh' gezogenen Mundwinkel, die auf Sinnlichkeit zu deuten schienen, sahen aus, als forderten sie Keckheiten heraus; aber die langen, bescheiden gesenkten Wimpern milderten diesen Ausdruck. Ihre ganze Toilette hatte einen Anflug von Heiterkeit. Sie trug ein malvenfarbenes Barégekleid, kleine Goldkäferschuhe mit hohen Absätzen, deren Bänder sich kreuzweise über den feinen durchbrochnen Strumpf legten, und eine eng anliegende Mousselin Spencerjacke. Ihre weniger sittsamen Freundinnen hatten tief ausgeschnittne Kleider an, aber Fantinens durchsichtige Mousselinjacke, die den Augen verrieth, was sie doch zu verhüllen bestimmt schien, war verführerischer und der berühmte Liebeshof der Vicomtesse von Cette mit den meergrünen Augen hätte wahrscheinlich den Preis der Koketterie für diese Jacke gegeben, die Fantinens Schamhaftigkeit wahren sollte. Die Naivität ist manchmal recht pfiffig!

      Ein klares Gesicht, ein feines Profil, tiefblaue Augen, breite Augenlider, kleine stark geschweifte Füße, schön eingefügte Hand- und Fußgelenke, eine sehr weiße, von den blauen Verzweigungen der Adern durchschimmerte Haut, kindlich frische Wangen, ein Hals kräftig, wie der einer äginetischen Juno, ein starker geschmeidiger Nacken, Schultern, die wie von einem Coustou gemodelt schienen, mit einem reizenden, durch den Mousselin sichtbaren Grübchen; dies waren Fantinens statuenhafte Reize, denen ein Gemisch von Fröhlichkeit und Ernst Leben verlieh.

      Ihrer Schönheit war sich Fantine nicht allzu sehr bewußt. Jene wenigen Idealisten, die nur die Vollkommenheit als schön anerkennen, hätten in dieser graziösen Pariserin die heilige Euphonie der Alten vermuthet. Diese Tochter des Volkes hatte Rasse. Ihre Schönheit besaß sowohl Stil wie Rhyrmus, der Form des Ideals und seine Bewegung.

      Wir haben gesagt, Fantine war die personifizirte Freude, aber sie zeichnete sich nicht minder durch Schamhaftigkeit aus.

      Einem aufmerksamen Beobachter wäre es nicht entgangen, daß trotz der Lebens- und Liebeslust, die aus allen ihren Zügen sprach, Sittsamkeit der Hauptzug ihres Wesens war. Es lag auf ihrem Gesichtchen jene Art Verwunderung die eine Psyche von der Venus unterscheidet. Fantinens lange, weiße und feine Finger erinnerten an die der keuschen Befralin, die mit goldner Nadel die Asche des heiligen Feuers durchforscht. Obgleich sie Tholomyés nichts versagt hatte, war ihr Gesicht ein durchaus jungfräuliches geblieben; bisweilen nahm es sogar einen Ausdruck von Ernsthaftigkeit, ja Herbheit an, der oft unvermittelt den des Frohsinns ablöste. Ihre Stirn, ihre Nase und ihr Kinn boten auch jene Harmonie der Linie dar, die mit der Harmonie der Proportion keineswegs zusammenfällt, und aus der sich die ästhetische Wirkung des Gesichts ergiebt; in dem charakteristischen Zwischenraum, der die Basis der Nase von der Oberlippe trennt, lag jene kaum merkliche und reizende Falte, die ein Kennzeichen der Keuschheit ist, und die Barbarossa an einer unter den Trümmer von Ikonium gefundenen Dianastatue so sehr bewunderte.

      Allerdings ist die Liebe ein Vergehen; aber Fantine besaß noch eine Unschuld nach ihrem Fehltritt.

      IV. Tholomyés singt vor Freude ein spanisches Lied

      Der ganze Tag, war von Anfang bis zu Ende fröhlich wie eine schöne Morgenröthe. Die ganze Natur schien ein Festgewand angelegt zu haben. Die Beete in Saint-Cloud athmeten süße Wohlgerüche aus; von der Seine stieg ein kühler Hauch empor; die Zweige gestikulierten im Winde; die Bienen plünderten die Jasminblüthen; das Bummlervölkchen der Schmetterlinge ließ sich auf die Schafgarbe, den Klee und den Taubhafer nieder, und in dem majestätischen Park des Königs von Frankreich trieb sich ein Haufe Vagabunden herum, die Vögel.

      Unsere vier Paare freuten sich mit unermeßlichem Behagen des Sonnenscheins, des lieblichen Anblicks der Felder, Blumen und Bäume.

      Und Angesichts des paradiesischen Kommunismus, den sie überall in der Natur sahen, konnten auch die Schönen nicht so grausam sein, nur das strenge Recht walten zu lassen und zwischen ihren Liebhabern und deren Freunden einen genauen Unterschied zu machen. Sie ließen sich Alle von Allen küssen, ausgenommen Fantine, die wahrhaft liebte und sich spröde verhielt. Ihr sinniges Wesen verdroß Favourite: »Du siehst immer absonderlich aus!« spöttelte sie.

      Nach dem Frühstück sahen sich die vier Paare eine vor kürzer Zeit aus Indien bezogne Pflanze an, die zu jener Zeit ganze Schaaren von Parisern nach Saint-Cloud zog, ein sonderbares und reizendes Bäumchen, dessen unzählige und verworrene, überaus feine blätterlose Aestchen mit tausenden von weißen Röschen bedeckt waren.

      Nach pflichtschuldiger Bewunderung des allerliebsten Gewächses riet Tholomyés: »Wie wär's Kinder, wenn wir uns einen Eselritt genehmigten? Ich poniere.« Sie mietheten also einen Eseltreiber und kehren über Vanves und Issy zurück. In letzterem Ort schaukelten die Herren mit starken Armen ihre Schönen in dem großen Netz, das zwischen den zwei, von dem Abt de Bernis besungenen Kastanienbäumen ausgespannt ist. Während die Kleider malerisch im Winde flogen, sang Tholomyès, der als Toulousaner – Toulouse ist mit Tolosa verwandt – sich spanisch aufgelegt fühlte, ein zur Situation passendes spanisches Lied:

      Soy de Badajoz.

      Amor me blama

      Coda mi alma

      Es en mis ojos

      Ovequé ensennas

      A' tus piernos

      Nur Fantine wollte sich nicht schaukeln lassen, und wieder zankte Favourite: »Was das für eine Ziererei ist!«

      Nach dem Ritt abermals ein großartiges Amüsement: Eine Kahnfahrt auf der Seine. Dann ging es zu Fuß von Passy nach der Barriere de l'Etoile. Trotzdem sie seit fünf Uhr Morgens auf den Beinen waren, begann hier das Vergnügen noch einmal. »Sonntag giebt's keine Müdigkeit!« СКАЧАТЬ