Название: Sie
Автор: Henry Rider Haggard
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754183830
isbn:
»Vorbei!« erwiderte er flüsternd. »Das könnte ich nicht einmal, wenn ich wollte.«
Er legte an, und der rotbraune Bock, der sich inzwischen sattgetrunken hatte, hob den Kopf und blickte über den Fluß. Er stand auf einer kleinen Anhöhe, die sich durch den Sumpf zog und anscheinend gern vom Wild benützt wurde, und hob sich von dem roten Abendhimmel ab. Es war ein wunderbares Bild, und ich glaube, daß ich diesen faszinierenden Anblick, selbst wenn ich hundert Jahre alt werde, nie vergesse. Rechts und links breiteten sich unabsehbare, tödliche Dünste verströmende Sümpfe aus, da und dort von Tümpeln schwarzen unbewegten Wassers unterbrochen, die wie Spiegel die roten Strahlen der untergehenden Sonne zurückwarfen. Hinter und vor uns wälzte sich träge der Fluß dahin, auf eine schilfumsäumte Lagune zu, auf deren Oberfläche eine sanfte Brise mit den langen Abendschatten spielte. Im Westen hing der riesige rote Feuerball der Sonne, der eben hinter dem dunstigen Horizont versank und den weiten Himmel, über den Kraniche und Wildvögel dahinzogen, golden und blutigrot färbte. Und inmitten dieser unendlichen Einöde wir – drei moderne Engländer in einem modernen englischen Boot –, und vor uns, klar abgehoben vom Abendhimmel, der edle Bock.
Paff! Mit mächtigen Sätzen eilt er davon. Leo hat ihn verfehlt. Paff! Wieder vorbei. Nun ist die Reihe an mir, doch er flitzt dahin wie ein Pfeil, schon über hundert Meter weit entfernt. Beim Himmel! Er strauchelt und überstürzt sich! »Es scheint, Master Leo, ich habe ein besseres Auge als du«, sage ich und kämpfe gegen den unedlen Jubel an, der in einem so herrlichen Moment selbst in der Brust des wohlerzogensten Sportsmannes aufsteigt.
»Verflucht, ja«, knurrte Leo; doch dann huscht rasch ein Lächeln über sein Gesicht, und er fügt hinzu: »Verzeih, alter Junge. Ich gratuliere dir; es war ein prächtiger Schuß, und die meinen waren nichts wert.«
Wir sprangen aus dem Boot, liefen zu dem Bock und stellten fest, daß die Kugel ihn ins Rückgrat getroffen hatte. Wir brauchten über eine Viertelstunde, um ihn zu reinigen und so viel von dem besten Fleisch herunterzuschneiden, wie wir tragen konnten. Nachdem wir es im Boot verstaut hatten, blieb uns gerade noch genügend Zeit, um zu der Lagune zu rudern, zu welcher sich der Fluß, an dieser Stelle in den Sumpf vorstoßend, erweiterte. Als wir etwa dreißig Faden vom Ufer Anker warfen, verschwand das Licht. An Land zu gehen, wagten wir nicht, da wir nicht wußten, ob wir trockenen Boden zum Kampieren finden würden, und außerdem fürchteten wir die giftigen Ausdünstungen der Sümpfe, vor denen wir auf dem Wasser sicherlich besser geschützt waren. So entzündeten wir eine Laterne, verspeisten zum Abendbrot wieder eine eingemachte Rindszunge und versuchten sodann zu schlafen, was jedoch, wie wir bald feststellen mußten, unmöglich war. Ob sie durch die Laterne angelockt wurden oder durch den ungewohnten Geruch weißer Männer, auf die sie seit tausend Jahren gewartet hatten, weiß ich nicht; jedenfalls wurden wir plötzlich von Zehntausenden der blutdürstigsten und größten Moskitos, die mir je untergekommen sind, angegriffen. In ganzen Wolken stürzten sie sich auf uns und stachen und summten, bis wir fast verrückt wurden. Tabakqualm schien sie nur noch mehr anzustacheln, und schließlich blieb uns nichts anderes übrig, als uns bis über den Kopf in Decken einzuhüllen und uns schwitzend und kratzend und fluchend ihrer zu erwehren, so gut es ging. Während wir so saßen, ertönte plötzlich wie ein Donnergrollen in der Stille das Brüllen eines Löwen, dem gleich darauf das eines zweiten folgte; anscheinend schlichen die beiden durch das etwa sechzig Meter von uns entfernte Uferschilf.
»Ein Glück«, sagte Leo, seinen Kopf aus der Decke hervorstreckend, »daß wir nicht an Land sind, was, Onkelchen?« (So pflegte Leo mich zuweilen in seiner respektlosen Art zu nennen.) »Verdammt! Ein Moskito hat mich in die Nase gestochen«, rief er und zog rasch wieder seinen Kopf ein.
Wenig später ging der Mond auf, und trotz des Gebrülls, das immer wieder vom Ufer zu uns herüber drang, schliefen wir, uns völlig in Sicherheit wähnend, allmählich ein.
Was mich veranlaßte, meinen Kopf aus der Decke hervorzustrecken, weiß ich nicht; vielleicht hatte ich bemerkt, daß die Moskitos durch sie hindurchbissen – jedenfalls hörte ich, als ich es tat, Job erschrocken flüstern: »Oh, mein Gott, sehen Sie nur!«
Sofort blickten wir alle auf und gewahrten im Mondschein nahe dem Ufer zwei große, sich immer mehr erweiternde Kreise und in ihrem Mittelpunkt zwei dunkle, sich bewegende Gestalten.
»Was ist das?« fragte ich.
»Diese verdammten Löwen, Sir«, antwortete Job in einem Ton, in dem sich Gekränktsein, Respekt und Angst seltsam mischten. »Sie schwimmen hierher, um uns zu fressen.«
Ich blickte wieder hin – kein Zweifel, ich sah deutlich das Funkeln ihrer wilden Augen. Angelockt durch das Fleisch des erlegten Bockes oder durch uns selbst, schickten die hungrigen Bestien sich tatsächlich an, unsere Stellung zu stürmen.
Leo hatte bereits sein Gewehr ergriffen. Ich riet ihm zu warten, bis sie näher heran waren, und hob ebenfalls mein Gewehr. Gleich darauf erreichte auch schon das erste Tier, die Löwin, eine fünfzehn Fuß von uns entfernte Sandbank, wo das Wasser nur etwa fünfzehn Zoll tief war. Sie schüttelte sich und brüllte laut. In diesem Augenblick feuerte Leo, und die Kugel drang ihr mitten in den offenen Rachen und kam hinten am Hals wieder heraus. Sie sank zusammen und fiel ins hoch aufspritzende Wasser. Gleich dahinter kam der andere Löwe, ein voll ausgewachsenes Männchen. Er setzte eben die Vorderpranken auf die Sandbank, als etwas Seltsames geschah. Etwas bewegte sich im Wasser, so daß es aussah, wie wenn in einem englischen Teich ein Hecht einen kleineren Fisch verschlingt, nur tausendmal heftiger und wilder, und plötzlich stieß der Löwe ein fürchterliches Gebrüll aus und sprang, etwas Schwarzes hinter sich her ziehend, auf die Sandbank.
»Allah!« schrie Mahomed, »ein Krokodil hat ihn am Bein gepackt!« Er hatte recht. Wir sahen den langen Rachen mit den schimmernd weißen Zähnen und dahinter den Körper des Krokodils.
Und dann folgte ein ganz außergewöhnliches Schauspiel. Der Löwe erklomm die Sandbank ganz, während das halb darauf, halb im Wasser liegende Krokodil sein Hinterbein festhielt. Er brüllte, daß die Luft von dem Geräusch erzitterte, und dann drehte er sich mit einem wilden Knurren um und umklammerte mit seinen Pranken den Kopf des Krokodils. Das Krokodil, dem er, wie wir später feststellten, ein Auge ausgerissen hatte, ließ das Bein los und drehte sich auf die Seite, und im gleichen Moment biß es der Löwe in die Kehle, und sie wälzten sich, schrecklich miteinander ringend, auf der Sandbank. Es war unmöglich, ihren Bewegungen zu folgen, doch als sich uns wieder ein klareres Bild bot, hatte sich das Blatt gewendet: das Krokodil, dessen Kopf nur noch eine einzige blutige Masse war, hatte den Löwen mit eisernem Biß um die Weichen gepackt und schüttelte ihn hin und her. Das gequälte Tier biß, in seinem Todeskampf laut aufbrüllend, um sich, schlug mit seinen Pranken nach dem schuppigen Kopf seines Feindes und zerfetzte mit den Klauen seiner Hinterbeine den weichen Hals des Krokodils.
Ganz plötzlich kam das Ende. Der Kopf des Löwen sank auf den Rücken des Krokodils, und er starb mit schrecklichem Stöhnen, während das Krokodil noch einen Augenblick regungslos dastand und dann langsam, die Zähne immer noch in den Rumpf des Löwen eingegraben, auf die Seite rollte.
Dieses Todesduell war ein zugleich wundervolles und entsetzliches Schauspiel, wie es wohl nur wenige Menschen gesehen haben. Als es zu Ende war, befahlen wir Mahomed Wache zu halten und verbrachten die restliche Nacht so ruhig, wie die Moskitos es uns gestatteten.
6 Ein frühchristlicher Brauch
Am nächsten Morgen erhoben wir uns bei der ersten Dämmerung, säuberten uns, so gut es ging, und rüsteten uns zum Aufbruch. Als es so hell war, daß wir unsere Gesichter erkennen konnten, mußte ich laut auflachen. Jobs feistes rundliches Gesicht war durch die Moskitostiche zum nahezu doppelten Umfang angeschwollen, und Leo sah nicht viel СКАЧАТЬ