Название: Sie
Автор: Henry Rider Haggard
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783754183830
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Am Ufer stand eine Schar von etwa fünfzig Männern. Soviel ich in dem Halbdunkel erkennen konnte, waren sie alle mit riesigen Speeren bewaffnet, hoch gewachsen, kräftig und von verhältnismäßig heller Hautfarbe. Abgesehen von einem um die Hüften geschlungenen Leopardenfell waren sie nackt.
Gleich darauf brachten sie auch Leo und Job herbeigeschleppt und stellten sie neben mich.
»Was, zum Teufel, ist denn los?« rief Leo, sich die Augen reibend.
»Mein Gott! Jetzt sitzen wir schön in der Tinte!« rief Job, und im gleichen Augenblick taumelte Mahomed auf uns zu, von einer dunklen Gestalt mit erhobenem Speer gefolgt.
»Allah! Allah!« jammerte Mahomed. »Hilf mir! Hilf mir!«
»Vater, dies ist ein Schwarzer«, sagte eine Stimme. »Was soll nach dem Willen der Herrscherin mit ihm geschehen?«
»Sie sagte nichts von ihm; doch tötet ihn nicht. Komm her, mein Sohn.«
Der Mann trat zu ihm, und die große dunkle Gestalt beugte sich zu ihm nieder und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
»Gut, gut«, sagte der Mann und stieß ein Lachen aus, das mir das Blut in den Adern gefrieren ließ.
»Sind die drei Weißen da?« fragte die Gestalt.
»Ja, sie sind da.«
»Dann holt, was für sie vorbereitet ist, und nehmt ihre Sachen aus dem Floß.«
Kaum hatte er dies gesagt, kamen Männer herbeigeeilt, die – ich traute meinen Augen kaum – Sänften auf ihren Schultern trugen, und man bedeutete uns, darin Platz zu nehmen.
»Wie angenehm, daß man uns nach all der Plackerei tragen will«, sagte Leo, der allem stets die heiterste Seite abzugewinnen weiß.
Wohl oder übel tat ich es den anderen gleich und bestieg die mir zugedachte Sänfte, die ich höchst bequem fand. Sie schien aus einem aus Grasfasern gewebten Tuch zu bestehen, das jeder Bewegung nachgab und, da es unten und oben an der Holzstange befestigt war, Kopf und Nacken eine angenehme Stütze bot.
Kaum hatte ich mich darin niedergelassen, als auch schon die Träger, in einen eintönigen Singsang verfallend, lostrabten. Etwa eine halbe Stunde lag ich still da, dachte über unsere ungewöhnlichen Abenteuer nach und fragte mich, ob mir meine achtbaren verknöcherten Kollegen in Cambridge wohl glauben würden, wenn ich durch ein Wunder in unsere vertraute Tafelrunde versetzt, ihnen davon erzählte. Es ist wirklich nicht meine Absicht, die guten gelehrten Leute zu beleidigen oder herabzusetzen, indem ich sie verknöchert nenne, doch ich habe die Erfahrung gemacht, daß selbst hochgebildete Professoren allzuleicht verknöchern, wenn sie beharrlich stets denselben Pfaden folgen. Ich selbst hatte mich bereits auf dem besten Weg dazu befunden, doch hatte sich in letzter Zeit mein Gesichtskreis bedeutend erweitert. So lag ich also da und grübelte und fragte mich, wie dies wohl alles enden würde, und schließlich schlief ich ein.
Ich muß wohl sieben oder acht Stunden geschlafen haben – es war ja auch seit dem Untergang der Dhau für mich die erste Gelegenheit, mich wirklich auszuruhen –, denn als ich erwachte, stand die Sonne schon hoch am Himmel. Die Träger trabten immer noch, und nach meiner Schätzung legten wir in der Stunde etwa vier Meilen zurück. Als ich durch den dünnen Seitenvorhang hinauslugte, sah ich zu meiner tiefen Erleichterung, daß wir die scheinbar endlosen Sümpfe verlassen hatten und nun über eine leicht gewellte Grasebene einem becherförmigen Hügel zustrebten. Ob es jener Hügel war, den wir vom Kanal aus gesehen hatten, weiß ich nicht, und ich habe dies auch später nicht herausfinden können, denn dieses Volk war, wie wir bald feststellen mußten, in solchen Dingen überaus verschwiegen. Neugierig betrachtete ich die Männer, die mich trugen. Sie waren wunderschön gewachsen, von gelblichbrauner Farbe, und kaum einer von ihnen maß unter sechs Fuß. Sie ähnelten in ihrem Aussehen stark den ostafrikanischen Somalis, nur daß ihr Haar nicht gekräuselt war, sondern in dichten schwarzen Locken bis auf ihre Schultern herabfiel. Ihre Gesichter waren scharf geschnitten und zum Teil von außerordentlicher Schönheit; vor allem ihre Zähne waren regelmäßig und wohlgeformt. Doch trotz ihrer Schönheit hatte ich den Eindruck, noch nie so böse, finstere Mienen gesehen zu haben. Sie drückten eine Kälte und Grausamkeit aus, die mich erschreckte und mit einem unheimlichen Gefühl erfüllte.
Etwas anderes, das mir an ihnen auffiel, war, daß sie nie zu lächeln schienen. Manchmal verfielen sie in den monotonen Singsang, den ich bereits erwähnte, doch die meiste Zeit waren sie völlig stumm, und nie hellte auch nur das leiseste Lächeln ihre bösen, düsteren Gesichter auf. Welcher Rasse mochten sie wohl angehören? Ihre Sprache war ein verstümmeltes Arabisch, doch sie waren keine Araber; dessen war ich mir ganz sicher. Dazu war ihre Haut zu dunkelgelb. Ich weiß nicht warum, doch ihr Anblick erfüllte mich mit einer tiefen Furcht, deren ich mich beinahe schämte. Während ich meinen Gedanken nachhing, erschien plötzlich eine andere Sänfte neben der meinen. Ihre Vorhänge waren zurückgezogen, und so sah ich, daß ein alter Mann darin saß, gekleidet in ein weites weißes Gewand aus grobem Leinen. Mir kam sofort der Gedanke, daß er die dunkle Gestalt gewesen war, die am Ufer gestanden hatte und von den anderen mit ›Vater‹ angeredet worden war. Es war ein wundersam aussehender alter Mann mit einem schneeweißen Bart, so lang, daß die Enden über die Seiten der Sänfte herabhingen, und einer Hakennase, über der zwei scharfe Augen funkelten. Seine Miene strahlte einen weisen und zugleich sardonischen Humor aus, der sich nur schwer beschreiben läßt.
»Bist du wach, Fremder?« fragte er mit tiefer Stimme.
»Gewiß, mein Vater«, erwiderte ich höflich, denn ich hielt es für ratsam, mich mit diesem unheimlichen Methusalem gut zu stellen.
Er strich sich über seinen schönen weißen Bart und lächelte leise.
»Aus welchem Lande du auch stammen magst – es ist ein Land, in dem man unsere Sprache kennt und in dem man seine Kinder zur Höflichkeit erzieht«, erwiderte er. »Doch sage mir, mein fremder Sohn, was sucht ihr in diesem Land, das seit undenklichen Zeiten keines Fremden Fuß betreten, hat? Seid ihr des Lebens überdrüssig?«
»Wir kamen hierher, um Neues zu suchen«, antwortete ich kühn. »Wir sind des Alten müde und deshalb übers Meer gezogen, um das Unbekannte kennenzulernen. Wir gehören einem tapferen Stamm an, der den Tod nicht fürchtet, mein hochverehrter Vater, wenn es Neues zu erforschen gilt.«
»Hm, mag sein«, sagte der Alte. »Ich will dir nicht voreilig widersprechen, mein Sohn, sonst würde ich sagen, daß du lügst. Es könnte jedoch sein, daß ›Sie‹, die Herrscherin, eure Wünsche erfüllen wird.«
»Wer ist ›Sie‹, die Herrscherin?« fragte ich neugierig.
Der Alte warf einen Blick auf die Träger und sagte dann mit einem Lächeln, das nichts Gutes zu verkünden schien:
»Das wirst du bald erfahren, mein fremder Sohn, falls es ihr gefällt, sich euch im Fleisch zu zeigen.«
»Im Fleisch?« erwiderte ich. »Was will mein Vater damit sagen?« Doch der Alte stieß nur ein gräßliches Lachen aus und gab keine Antwort.
»Wie heißt das Volk meines Vaters?« fragte ich.
»Der Name meines Volkes ist Amahagger, das Volk der Felsen.«
»Und darf ich fragen, wie der Name meines Vaters ist?«
»Mein Name ist Billali.«
»Und wohin gehen wir, mein Vater?«
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