Ein moderner Lederstrumpf. Robert Kraft
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Читать онлайн книгу Ein moderner Lederstrumpf - Robert Kraft страница 10

Название: Ein moderner Lederstrumpf

Автор: Robert Kraft

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783754183892

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СКАЧАТЬ wo ist hier der Weg nach Trenton?« redete sie einen Mann an.

      Dieser blieb gar nicht stehen, und sie hätte noch lange fragen können. Wer wusste hier etwas von einem Wege nach Trenton.

      Da tauchte wieder der grosse, gelbe Mann auf mit dem gelben Hunde, den sie schon immer an Bord gesehen hatte.

      »Folgen Sie mir immer, ich zeige Ihnen die Landstrasse nach San Francisco.«

      Ellen hörte nicht den Witz heraus, sie empfand nur die Erleichterung, hier einen Wegekundigen zu haben; er mochte vorhin ihre Frage nach Trenton gehört haben, dort fuhr er schon; schnell schwang sie sich auf ihr Rad und fuhr ihm nach.

      Sie wusste, dass dies jener Stout oder richtiger Starke war, der Weltumradler. Auch sie hatte oftmals vom ersten Promenadendeck aus den hünenhaften Mann bewundert, dessen enganliegender Lodenanzug den athletischen Gliederbau zeigte, und diese Ruhe, die er beim Gange, bei jeder Bewegung offenbarte, war wahrhaft majestätisch zu nennen. Gepanzert musste dieser Mann sein, sitzend auf gepanzertem Schlachtross, in der gepanzerten Faust das Schwert, welches unsere heutige Generation nicht mehr zu regieren vermag — es war die eherne Statue eines ausgestorbenen Geschlechtes.

      Wollte er schon wieder eine abenteuerliche Fahrt antreten? Doch was ging es Ellen an. Ja, sie stand mit ihm allerdings in inniger Beziehung, sie wollte ja seinen Weg machen, wollte beweisen, dass sie, ein Weib, dasselbe in wenig mehr als die Hälfte der Zeit leisten könne, was jener kraftvolle Mann geleistet, aber sie kam gar nicht dazu, mit ihm auch nur ein Wort zu wechseln, nicht darum, weil er zweiter Cajüte fuhr, sondern weil sich ihre Bewunderung bald in Abneigung gegen diesen Mann verwandelt hatte.

      Einmal hatte sie beobachtet, wie eine Dame den an Deck Promenirenden lächelnd und fächerwedelnd ansprach. Und was that dieser Mensch? Er liess sie einfach lächelnd und fächerwedelnd stehen, gab einfach gar keine Antwort. Ellen konnte ja auch stolz und reservirt sein, aber diese amerikanische Sitte, einen freundlich fragenden Menschen als Luft zu behandeln, weil es Einem eben gerade nicht passt, mit ihm zu sprechen, fand sie empörend.

      Ein andermal wollte eine Dame dem schönen Hunde Zucker geben, und als er diesen nicht nahm, streichelte sie ihm wenigstens den Kopf.

      »Lassen Sie doch meinen Hund in Ruhe!« rief der Kerl in barschestem Tone.

      Da war es aus. Sie hasste den Grobian förmlich. Na, was sollte man auch von solch' einem Weltenbummler viel verlangen, ein ungebildeter, ungehobelter Geselle war's. Nein, sie hasste ihn nicht, jetzt war er Luft für sie.

      In diesem Augenblicke, wie sie hinter ihm her fuhr, allerdings nicht. Da sorgte sie, dass sie ihn nicht aus den Augen verlor. Er schien doch wieder eine lange Radreise antreten zu wollen.

      Auch er trug einen Tornister auf dem Rücken, nur viel umfangreicher als der ihre, hinten auf der sehr starken Maschine war noch ein grosses Pack angeschnürt; vorhin hatte sie gesehen, dass er am Gürtel zwei gewaltige Revolver in Futteralen hängen hatte. Die Landstrasse nach San Francisco wollte er ihr zeigen? Gut, sie benutzte ihn als Führer, bis sie aus der Stadt heraus war, dann, wenn sie den Weg allein wusste, blieb sie zurück oder sie jagte mit einem Worte des Dankes auf ihrem leichten Rade an ihm vorbei.

      Dann drängte sich ihr mit Macht ein Gedanke auf: nun geht es los! Und mit einem Male hätte sie, schon hier zwischen Häusermauern im Strassengewühl, laut aufjubeln mögen. Nun geht es los! Geradeaus, immer geradeaus in die schöne Welt hinein! Es giebt keine Rückfahrt, keine Heimkehr mit der schmutzigen Eisenbahn! Immer geradeaus auf geflügeltem Stahlross!

      Der zehn Schritt vorausfahrende Starke blickte sich einmal nach ihr um. Er wusste sehr geschickt stets den freiesten Weg zu nehmen. Und merkwürdig, der grosse, gelbe Hund hielt sich nie neben seinem Herrn, sondern immer dicht neben ihrem Rad.

      Wagen und Menschen wurden spärlicher, Starke bog in eine breite, einsame Strasse ein und schlug auf dem Asphalt ein sehr flottes Tempo an. Die folgende Ellen bemerkte jetzt, dass er für seine grosse Maschine eine recht kleine Uebersetzung hatte, kleiner als die ihre, und dann wunderte sie sich, wie der Hund neben ihr bei dieser raschen Fahrt lief. Er jagte nicht in Sprüngen, sondern er trabte immer noch, warf die Vorderbeine einzeln hoch, es erinnerte ganz an den Lauf des mächtig ausgreifenden, englischen Wagentrabers. Diese Ruhe, wie der Hund gleich wie auf elastischen Sprungfedern vorwärts flog, ohne Hast, ohne Keuchen; das fiel ihr wirklich auf, es imponirte ihr.

      Es kamen Gärten mit Villen, die Häuser wurden kleiner, dann wieder das rege Treiben einer Fabrikvorstadt mit dampfenden Schloten; hier roch es nach verbranntem Horn, dort nach parfümirterSeife, dann war der Duft kein Geruch mehr zu nennen, wieder eine ruhige Strasse, wieder Villengärten, die Häuser wurden immer ländlicher — und da eine Chaussee, eine richtige Landstrasse mit Aepfelbäumen, und da grünte in der lachenden Morgensonne das erste Feld!

      Ellen hatte bedauert; dass der Antritt der Reise nicht in das Frühjahr fiel. Und nun war sie im September, dennoch plötzlich im Frühling! Dort sprang ja eben erst die Saat mit frischem Grün aus der Erde.

      Es war die zweite Aussaat, welche noch in dem Nordamerika eigenthümlichen Nachsommer, dem sogenannten indianischen, zur Reife kommt; und jetzt war der Frühling dieses indianischen Sommers. Die Uhr der letzten Dorfkirche zeigte die neunte Morgenstunde. Jubilirend stieg eine Feldlerche auf.

      Jetzt musste sich der gelbe Mann dort vorn verabschieden, damit sie ungestört mitjubiliren konnte.

      Zuerst versuchte sie ihn zu überholen. Es gelang nicht. Er schien es zu merken, fuhr noch schneller. Nun, so fuhr sie einmal fünf Minuten langsam, dann war er verschwunden. Sie that es. Der Hund schoss an ihr vorüber, war mit drei Sätzen an seines Herrn Seite; und plötzlich fuhr dieser auch langsamer. Sie noch langsamer, er blickte sich um und that desgleichen.

      Was sollte das? Nun vorwärts, vorbei an ihm! Und sie flog vorüber.

      »Besten Dank, Mr. Starke.«

      »Immer gerade aus, bis nach Newark sind es sieben englische Meilen.«

      So, nun hatte sie ihn hinter sich. Richtig, nach Newark hätte sie fragen sollen, nicht nach Trenton. Rüstig trat sie in die Pedale, immer schneller, sie wollte ihn weit hinter sich bekommen. Er hatte sich ja jetzt recht freundlich gezeigt, aber sonst war sein Wesen so roh wie sein Gesicht roth.

      Die Aepfel reiften. Im schnellen Vorbeifahren haschte sie einen rothwangigen, und wie sie ihn in der Hand hielt und schon zum Munde führen wollte, fiel ihr der Diebstahl ein. Vor ihr war ja Niemand, neben der Landstrasse lief der hohe Eisenbahndamm, aber hinter ihr? Sie wendete sich etwas im Sattel.

      »Immer pflücken Sie ab, das ist hier erlaubt, wenn man nicht gerade mit dem Wagen einsammelt.«

      Da war dieser Mensch schon wieder dicht hinter ihr! Er musste ihr überhaupt immer so nahe gefolgt sein. Sie fuhr langsamer — er kam nicht an ihr vorüber. Sie fuhr ganz, ganz langsam, blickte sich um — er fuhr auch ganz, ganz langsam. Sie fuhr schneller — er auch. Sie sprang ab — er kippte mit dem Rade um und pflückte einen Apfel ab. Jetzt war aber Ellen nicht mehr befangen.

      »Was wünschen Sie eigentlich von mir, mein Herr?«

      »Nichts.«

      »Ja, was haben Sie eigentlich vor, mein Herr?«

      »Ich beabsichtige jetzt diesen Apfel zu essen.«

      »Sie wollen mir folgen.«

      »Jawohl,« kam es mit unerschütterlichem Gleichmut aus kauendem Munde.

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