Название: Geschichte meines Lebens
Автор: George Sand
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783754183267
isbn:
„Mein Ehrgeiz, sagst Du? ich und Ehrgeiz! wenn ich weniger traurig wäre, würdest Du mich durch dies Wort zum Lachen bringen. Ach! ich habe nur noch ein Verlangen, seit ich Dich kenne; das Verlangen, Dich für die Ungerechtigkeiten der Welt und des Geschicks zu entschädigen, Dir eine ehrenhafte Stellung zu sichern und Dich vor Elend zu bewahren, wenn mich eine Kugel auf dem Schlachtfelde treffen sollte. Bin ich Dir das nicht schuldig, da Du so lange mein Mißgeschick getheilt und meinetwegen einen Palast mit einer Hütte vertauscht hast! Urtheile etwas besser über mich, meine Sophie, beurtheile mich nach Deinem eignen Gefühl. Nein, es giebt keinen Augenblick in meinem Leben, wo ich nicht an Dich dächte, und Nichts kann mich für das bescheidne Stübchen meiner theuern Frau entschädigen; das ist das Heiligthum meines Glücks — und in meinen Augen ist Nichts so viel werth, als ihre hübschen, schwarzen Haare, ihre schönen Augen, ihre weißen Zähne, ihre anmuthige Gestalt, ihr Perkalkleid, ihre hübschen Füße, ihre kleinen Zeugschuhe. Ich bin in das Alles verliebt, wie am ersten Tage, und ich wünsche nichts weiter in der Welt. Aber um dies Glück in voller Sicherheit zu besitzen, um mit unsern Kindern nicht gegen das Elend ringen zu müssen, ist es nöthig in der Gegenwart einige Opfer zu bringen. Du sagst, daß wir in einem Palaste weniger glücklich sein würden, als in unserer kleinen Dachstube; daß nach Abschluß des Friedens der Prinz zum König ernannt werden wird, daß wir dann genöthigt sein werden, in seinen Staaten zu wohnen, daß wir unsere Verborgenheit, unser Zusammenleben und die herrliche Freiheit verlieren werden, die wir in Paris genossen. Es ist in der That wahrscheinlich, daß der Prinz König werden und uns in seine Staaten mitnehmen wird; aber ich leugne, daß wir uns irgendwo nicht glücklich fühlen sollten, wo wir zusammen sein können, und daß irgend etwas eine Liebe stören könnte, welche durch die Ehe geheiligt ist. Wie thöricht bist Du, mein liebes Weib, zu glauben, daß ich Dich weniger lieben würde, wenn ich im Luxus und im Goldglanze lebe! und wie lieblich bist Du zu gleicher Zeit, dies Alles zu verachten. Aber auch ich verachte ja jene Größe und Eitelkeit, und inmitten jener Freuden werde ich von Langeweile bedrückt, das weißt Du wohl! Du weißt, mit welchem Eifer ich mich daraus zurückziehe, um ruhig mit Dir in einem kleinen Winkel zu sein. Und für diesen kleinen Winkel muß ich arbeiten und mich schlagen, muß ich jede Belohnung annehmen und danach trachten, ein Regiment zu bekommen, weil wir uns dann nicht mehr zu trennen brauchen, und dadurch die Mittel zu einer so ruhigen, so einfachen, so traulichen Häuslichkeit bekommen, wie Du Dir wünschest. Und wenn mich nun auch ein wenig Eitelkeit antriebe, Dich zuweilen glücklich und glänzend an meinem Arme zu zeigen, um Dich für die einfältige Nichtachtung gewisser Leute zu rächen — was wäre Böses dabei? Ich gestehe, daß ich stolz sein würde, ganz allein der Schöpfer unsers Glückes gewesen zu sein und nur meinem Muthe, meiner Vaterlandsliebe zu verdanken, was Andere durch Gunst, durch Intrigue oder durch die Chimäre der Geburt erlangen. Ich kenne Leute, die Alles, was sie sind, dem Namen oder der Leichtfertigkeit ihrer Frauen verdanken; mein Weib wird einen andern Werth geltend zu machen haben; ihre treue Liebe und die Verdienste ihres Mannes.
„Die schöne Jahreszeit ist nun wieder gekommen! wie lebst Du, meine Geliebte? Ach, mit wie traurigen und entzückenden Erinnerungen erfüllt mich der Anblick einer schönen Wiese oder eines grünenden Waldes. Welche köstlichen Augenblicke verlebte ich vergangenes Jahr mit Dir an den Ufern des Rheines. Ihr kurzen Augenblicke des Glückes, von wie viel Sehnsuchtsschmerzen seid ihr gefolgt! Bei Marienwerder bin ich allein am Ufer der Weichsel spazieren gegangen, meinem Kummer hingegeben, mit einem Herzen, das von Traurigkeit und Unruhe zerrissen war. In der Natur sah ich Alles wieder aufleben, aber mein Herz war dem Gefühl des Glückes verschlossen. Ich befand mich an einem Orte, der demjenigen in der Nähe von Coblenz gleich war, wo Du Dich so fürchtetest, wo wir uns auf das Gras setzten und wo ich Dich in meine Arme schloß, um Dich zu beruhigen. Ich fühlte mich von der Erinnerung an Dich durchglüht, ich irrte wie ein Wahnsinniger umher, ich suchte Dich, ich rief Dich umsonst. Endlich habe ich mich niedergesetzt, von Schmerz ermüdet und zerschlagen, und statt meiner theuern Sophie habe ich an diesen traurigen Ufern nur Einsamkeit, Unruhe und Eifersucht gefunden. Ja, Eifersucht, ich muß es gestehen! auch ich werde in der Ferne von Gespenstern umlagert; aber ich sage Dir nichts davon, weil ich fürchte, Dich zu erzürnen. Ach! wenn die Anstrengung der Märsche und der Lärm der Schlachten einen Augenblick für mich aufhören, werde ich tausend Qualen zur Beute. Alle Furien der Leidenschaft bestürmen mich; ich empfinde alle Beängstigungen, alle Schwachheiten der Liebe. Oh! gewiß, mein theures Weib, ich liebe Dich, wie am ersten Tage! Möchten unsere Kinder Dich unaufhörlich an mich erinnern; gehe nur mit ihnen spazieren, laß Dich durch sie zu jeder Stunde an unsre Schwüre und an unsern Bund erinnern. Sprich auch von mir mit ihnen; ich lebe ja nur für sie, für Dich und für meine Mutter! —
„Der Ort, den wir einnehmen und der Frühling erinnern mich an Fayel. Aber ach! wie fern ist Boulogne — das traurige Schloß überläßt mich ganz meiner Sehnsucht. Als ich ankam, habe ich es ganz leer gefunden; Alles war mit dem Prinzen nach Elbing gegangen, wo die große Revue des Kaisers stattgefunden hat. Der Prinz hatte den Oberbefehl und hat mich schön herumgejagt. Lebe wohl, theures Weib; man spricht viel vom Frieden, nichts verkündigt die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten. Ach! wann werde ich bei Dir sein! ich drücke Dich und unsre Kinder tausendmal in meine Arme. Denke an Deinen Gatten, Deinen Geliebten.
Moritz.“
„Wie liebenswürdig von meiner Aurora, daß sie an mich denkt, und daß sie es Dir schon zu sagen weiß.“
Im Monat Juni desselben Jahres begleitete mein Vater den Prinzen Murat, der seinestheils in Napoleon's Gefolge war, als dieser sich zu der berühmten Conferenz auf dem Floße von Tilsit begab. Im Juli kehrte mein Vater nach Frankreich zurück, begab sich aber mit Murat und dem Kaiser, der neun Könige und neun Fürsten ernennen wollte, bald darauf nach Italien.
Venedig, 28. Sept. 1807.
„Nachdem ich allen Abgründen von Savoyen und vom Montcenis entgangen war, bin ich in einen morastigen Graben des Piémont gefallen; es war die schwärzeste, widerwärtigste Nacht und noch dazu inmitten eines Holzes, das als Mördergrube berüchtigt ist, und wo am Tage zuvor ein Kaufmann aus Turin erschlagen und beraubt worden war. Mit dem Säbel in der einen, die Pistole in der andern Hand haben wir Wache gestanden, bis man uns mit verstärkten Kräften zu Hülfe gekommen ist. Bald nachher fehlten uns die Pferde zum Weiterkommen СКАЧАТЬ