Название: Geschichte meines Lebens
Автор: George Sand
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
isbn: 9783754183267
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Charleville, den 1. Messidor (Juni).
„... Mit unsern großen Federbüschen, unsern Vergoldungen und unsern schönen Rossen machen wir einen verteufelten Staat; man spricht von uns bis Soissons und bis Laon (der Heimath Jean Francis Deschartres')! Aber von so viel Ruhm werden wir wenig berührt und möchten lieber weniger zierlich sein, als unser Feuer auf der Parade abnutzen. Außerdem ist man hier eben so neugierig und schwatzhaft wie in la Châtre. Der General hat schon versucht, ein kleines Abenteuer einzuleiten, aber er hatte kaum zweimal mit derselben Frau gesprochen, als sich in den drei Stätten Sédan, Mézières und Charleville ein ungeheurer Lärm erhob ...“
Charleville, den 1. Thermidor (Juli).
„Mein General hat einen sonderbaren Einfall. Er wußte nur ganz oberflächlich, daß ich der Enkel des Marschalls von Sachsen bin und hat mich neulich weitläufig darüber befragt. Du kannst Dir nicht denken, welchen Eindruck es auf ihn gemacht hat, als er gehört hat, daß Du durch Parlamentsbeschluß anerkannt bist, und daß der König von Polen mein Ur-Großvater ist. Zwanzig Mal täglich spricht er davon und überhäuft mich mit Fragen; aber unglücklicherweise habe ich mich um das Alles niemals bekümmert und es ist mir unmöglich, ihm meinen Stammbaum vorzuzeichnen. Der Name Deiner Mutter ist mir entfallen und ich weiß durchaus nicht, ob wir mit den Löwenhaupt's verwandt sind. Du mußt Dich wohl seinem Wunsche anbequemen und mir über das Alles Rechenschaft geben. Er will mich nach Deutschland senden; will mir Empfehlungsbriefe des Ministers des Innern und der Generäle Marceau und Macdonald mitgeben, damit ich mich dort als den einzigen Abkömmling des großen Mannes anerkennen lasse.
„Ich werde mich wohl hüten, auf solche Extravaganzen einzugehen, aber ich will auch Dupont's Manie nicht bestimmt entgegentreten, denn er behauptet, daß ich meines Namens wegen Capitain werden müßte, und daß er sich dazu verpflichten wolle, mir diesen Rang sofort zu verschaffen. Da ich denselben durch mein Verhalten verdient zu haben glaube, will ich ihn gewähren lassen. Erinnerst Du Dich der Zeit, als ich nicht protegirt sein wollte? Das war noch vor meiner Dienstzeit; ich hatte noch Illusionen über das Leben und bildete mir ein, daß Klugheit und Tapferkeit zum Fortkommen genügten. Die Republik hatte mir diese thörichten Hoffnungen in den Kopf gesetzt; aber kaum habe ich mich im Leben etwas umgesehen, so habe ich auch erkannt, daß die Regierungsweise von ehemals nicht verschwunden ist und ich glaube, daß Bonaparte mehr dafür schwärmt, als man ihm ansieht.“
An Herrn Deschartres.
Charleville, den 8. Thermidor Jahr X.
„Sie sind sehr gütig, lieber Freund, daß Sie sich in meinen Angelegenheiten so viele Mühe geben. Seien Sie überzeugt, daß ich den Werth eines Freundes, wie Sie sind, zu schätzen weiß. Sie betreiben Alles, was mich betrifft, mit einem Eifer, den ich nicht genug anzuerkennen vermag — aber erlauben Sie, daß ich's Ihnen ohne Umschweife sage: in gewisser Beziehung geht dieser Eifer zu weit. Ich will Ihnen keineswegs das Recht absprechen, sich um mein Betragen zu bekümmern, wie Sie sich um meine Geschäfte und um meine Gesundheit kümmern, — es ist das Recht der Anhänglichkeit und ich werde dasselbe zu ertragen wissen, selbst wenn es mich verletzte, wie ich das schon in mißlichen Verhältnissen bewiesen habe. Aber in Ihrem Feuereifer sehen Sie die Dinge von der schwärzesten, tragischesten Seiten Sie sehen also falsch, und meine Freundschaft für Sie verpflichtet mich nicht, Ihren Irrthum zu theilen.
„Wenn Sie mir z.B. prophezeihen, das ich mit dreißig Jahren die Schwächen des Alters haben werde, und daß mich diese zu großen Dingen untauglich machen werden, weil ich in meinem vierundzwanzigsten Jahre eine Geliebte habe, so erschreckt mich das nicht sehr. Ueberdies ist es ein Fehlgriff, daß Sie mir in Ihren Ermahnungen das Beispiel meines Großvaters vorhalten. Er war von einer Galanterie, der ich nicht nahe komme und doch gewann er im Alter von fünfundvierzig Jahren die Schlacht von Fontenoy. Ihr Hannibal war ein Dummkopf, als er sich mit seinem Heere in Capua einschläfern ließ — aber wir Franzosen sind nie kräftiger und tapferer, als wenn wir aus den Armen eines schönen Weibes kommen; und was mich betrifft, so glaube ich viel klüger und keuscher zu sein, wenn ich mich der Liebe für eine Einzige hingebe, als wenn ich täglich in meinen Neigungen wechselte, oder indem ich Dirnen aufsuchte, wozu ich, wie ich Ihnen gestehen muß, durchaus keine Neigung habe.
„Nun gefällt es Ihnen zwar, der Consequenz wegen, das Wesen, mit welchem ich verbunden bin, eine Dirne zu nennen; aber es ist leicht einzusehen, daß Sie ebensowenig wissen, was eine Dirne ist, als Ihnen unbekannt zu sein scheint, was ein Weib ist. Ich will es Ihnen erklären, denn ich habe das Leben der Husaren so etwas kennen gelernt, und weil ich es kennen gelernt habe, beeilte ich mich, es zu verlassen. Freilich haben wir über diesen Gegenstand schon so viele Lanzen gebrochen, daß es kaum nöthig sein sollte, darauf zurückzukommen; aber da Sie darauf bestehen, die, welche ich liebe, anzuklagen, muß ich dabei beharren, sie zu vertheidigen.
„Eine Dirne — da ich es Ihnen nochmals auseinandersetzen muß, — ist ein Geschöpf, welches spekulirt und seine Liebe verkauft. Es giebt deren viele in der großen Welt, obwohl sie vornehme Namen und besuchte Häuser haben; mit diesen könnte ich nicht acht Tage leben. Aber eine Frau, die sich uns anschließt, wenn sie uns im Unglück begegnet; eine Frau, die uns widersteht, solange wir uns in einer scheinbar glänzenden Stellung befinden und die uns erhört, wenn wir mit Lumpen bedeckt sind, und dem Hungertode nah (— so war ich, als ich aus den Händen der Kroaten kam); eine Frau, die uns die vollständigste Treue bewahrt, seit dem Augenblicke, wo ihn Liebe für uns erwacht ist; eine Frau, die nicht gestattet, daß wir ihr einige Unterstützung gewähren, selbst nicht, wenn uns eine Erbschaft zugefallen ist; die uns die Bankbillets von hundert Louisd'or in's Gesicht wirft, sie mit Füßen tritt und sie nur aufnimmt, um sie weinend in's Feuer zu schleudern — nein! hundert Mal nein! ein solches Weib ist keine Dirne; wir dürfen sie treu und innig lieben und sie vertheidigen gegen Jedermann. Nur ein Nichtswürdiger könnte einer solchen Frau ihre Vergangenheit vorwerfen — dieselbe möchte gewesen sein, wie sie wollte, — nachdem er ihre Liebe genossen und ihre Hülfe angenommen hat; und Sie wissen recht gut, daß ich ohne V... sehr in Noth gewesen wäre, nach Frankreich zurückzukehren. Wenn wir in der ersten Jugend ohne Hülfsmittel und ohne Stütze sind, bestimmen oft die Verhältnisse über uns, gegen unsern Willen. Die Frauen besonders, die schwächer sind als wir, und durch uns verleitet werden — da wir einen Ruhm darin suchen, ihre Schwäche irre zu führen, können sich leicht vom rechten Wege verlieren. Aber umgebt die ersten Heiligen des Paradieses mit allen Arten von Verführungen; laßt sie mit Unglück und Verlassenheit ringen und Ihr werdet sehen, ob sie Alle so gut daraus hervorgehen werden, wie gewisse Frauen, deren Verdammung Ihr für eine heilsame Gerechtigkeit haltet!
„Sie irren sich also, mein Freund, und das ist Alles, was ich zu sagen habe, um die Rathschläge zu verwerfen, die Sie für gut halten und die ich als verderblich ansehe. Was meine Mutter betrifft, so bitte ich Sie, mich nicht zur Liebe für dieselbe aufzufordern; ich bedarf in dieser Beziehung der Aufmunterung keines Menschen, denn ich werde nie vergessen, was ich ihr schuldig bin und meine Liebe, meine Verehrung für sie können Allem widerstehen. Leben Sie wohl, mein lieber Deschartres; ich umarme Sie von ganzem Herzen — Sie wissen besser als jeder Andere, wie viel Anhänglichkeit es für Sie hat.
Moritz Dupin.“
Von Moritz an seine Mutter.
„Nun ja! meine gute Mutter, ich will es Dir gestehen, ich bin — wenn auch nicht traurig, wie Du glaubst — doch ziemlich unzufrieden über die Wendung, welche meine Angelegenheiten genommen haben. In den öffentlichen Zuständen sind große Veränderungen eingetreten [Das lebenslängliche Konsulat.] und diese versprechen uns nicht viel Gutes. Die Schwierigkeiten, welche der Tod des ersten Consuls herbeiführen СКАЧАТЬ