Название: MPU Protokolle
Автор: Helge Hanerth
Издательство: Bookwire
Жанр: Сделай Сам
isbn: 9783847609162
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„Was bedeutet ihnen Alkohol?“
„Alkohol bedeutete Ersatz für andere Freuden während der Schwangerschaft meiner Frau. Ich fand aber so nach und nach auch neue Aspekte. So wurde Alkohol auch zur Belohnung für eine gute Leistung. Wenn ich trank, dann hatte ich mir das verdient. Ich schaute zurück auf den Tag. Ich feierte meine Leistungen und mit ihnen mich selbst. Das war erlaubt, denn nicht viele Chefs sind gute Chefs. So ersetzte der Alkohol deren Inkompetenz oder Ignoranz. In meinem Job gab es ein vergleichendes Ranking. Ich gehörte immer zu den Top10 unter den Mitarbeitern. Lob und ein Präsent bekamen aber nur die Plätze eins bis drei.
Alkohol konnte aber auch sehr gut Tatendrank kompensieren. Dann wurde man müde und genügsam und war mit Fernsehunterhaltung zu frieden oder träumte stattdessen von tollen Aktionen in ferner Zukunft.“
„Ihr Anlass zum Trinken war die Schwangerschaft ihrer Frau?“
„Richtig, und die Schwangerschaft leitete auch das Ende der Trinkphase ein.“
„Warum haben sie früher so wenig getrunken?“
Hatte ich die Frage nicht schon beantwortet? Ich ging also von einer Kontrollfrage aus und sagte: „Weil ich glücklich war. Das Glück war mit Alkohol nicht zu toppen. Gleichwohl war die Monotonie der neuen Häuslichkeit zu toppen, die die Schwangerschaft begleitete. Es war nichts mehr los. In allen Lebenslagen drängt es mich zu einer aktiven Rolle. Ich kann zu Hause nicht mal Musik hören, ohne mich nicht zwischendurch ans Klavier zu setzen, um wenigstens mal eine Melodie nachzuspielen oder nach den passenden Akkorden zu suchen.
Vor allem aber fehlte mir der Sport. Mit Sport konnte ich selbst einem misslungenen Tag etwas Aufregung abringen. Auch entschädigte Sport für Misserfolge und kompensierte Stress. Sport generierte neue Kraft und Lust. Sport war seit meiner Kindheit täglich da. Sport war so wichtig wie das Atmen. Sport hat meinen Charakter geprägt. Ehrgeiz, Ausdauer, Leidensfähigkeit und Siegeswille haben sich mir erst durch Sport so richtig tief eingebrannt. Ohne das Wohlgefühl beim Sport ist ein Tag nicht vollständig.“
„Sie hatten also keine Lust das Trinken fortzusetzen?“
„Auf Dauer erwarte ich mehr von einem Tag als Alkohol bieten kann. Alkohol schafft nichts, an das man sich gerne zurück erinnert. Auch den Endorphin-Kick beim Sport kann Alkohol nicht erreichen. Und meine neue Familie kann ich ohne Alkohol viel detaillierter wahrnehmen. Ich nehme viel mehr Facetten im Verhalten meines Sohnes wahr, als das mit Alkohol möglich wäre. Vor allem wird mein Sohn mir erst so zu einem unfassbaren Mysterium. Das Ende des Trinkens war der erwartete Startschuss, um in mein altes, neues Leben zurückzukehren.
„Welche seelischen Belastungen gab es während des Trinkens?“
„Ich sah nur die eine Belastung, die Umstände der Schwangerschaft vorübergehend ertragen zu müssen. Da das Ende dieser Zeit absehbar war, konnte ich mit der Belastung gut leben. Es galt nur die Zeit zu überbrücken. Andere dauerhafte Belastungen gab es nicht. Das wäre auch eher kontraproduktiv gewesen und widersprach meiner leicht aneckenden, ungeduldigen Natur. Probleme waren Herausforderungen sich zu beweisen. Gerade im Berufsleben waren sie Kick und nicht Belastung. Immerhin wurde ich als Projektleiter für das Lösen von Problemen bezahlt. Weitere private, seelische Belastungen gab es auch nicht. Ich war von niemand abhängig. Ich hatte immer die Freiheit, Dinge zu verändern, die mir nicht passten. Es wäre selbst legitim gewiesen, meine Ehe zu beenden, wenn man sich vergeblich um einvernehmliche Lösungen bemüht hätte. Nur in der Schwangerschaft und kurze Zeit danach, war mir das ein Tabu. Für das Arbeitsleben und auch privat gilt, dass es immer eine Alternative gibt für die man sich entscheiden kann, für eine andere Firma wie für einen anderen Partner. Es gab also außerhalb der Schwangerschaftszeit, keinen Grund nicht nach dem zu greifen, was einen glücklicher gemacht hätte.“
„Wie wirkte sich die Zäsur durch den Führerscheinentzug auf Ihr Leben aus?“
Nach kurzem Überlegen erwiderte ich: „Stillstand! Ich fühlte mich ausgebremst. Die Leere war unerträglich. Ich wurde nicht gefordert. Ich drehte nur noch an kleinen Rädchen. Es war ein Gefühl, als wollte man eine neue Sprache lernen, z.B. Dänisch, und im Unterricht beginnen sie in aller Ausführlichkeit mit dem kompletten Alphabet, das nur in kleinen Teilen anders ist als im Deutschen. So etwas ist doch nicht auszuhalten. Ich pflegte deswegen meine Hobbys in einer Weise wie lange nicht mehr. So gewann mein Leben wieder an Fahrt.“
„Haben sie da gefühlt, das Trinken eine Alternative sein könnte?“ Meine Antwort war klar: „Nein – es gab ja genug Alternativen, die potenter waren. Und ich hatte nicht vergessen, dass Alkohol kein vollständiger Ersatz für einen aktiven Kick sein konnte. Die Scheinwelt des Alkohols hielt nie lang und führte nur in den Schlaf. Spätestens nach einem Kater war alles wieder so wie vorher. Nur mit aktivem Handeln schaffe ich. Selbst im Vergleich zum simplen Joggen, verlor Alkohol hinsichtlich seines Spaßfaktors. Joggen ist eben auch ein aktiver Kick.“
„War und ist ihr Trinkverhalten überlegt, vielleicht sogar kontrolliert?“
„Ja, denn ich trank nur nach Plan. Jeden Abend mache ich mir Gedanken über den nächsten Tag. Meist begann ich mit einer Reflektion des abgelaufenen Tages. Ich nenne das meinen sokratischen Monolog. Mit einem Plan im Hinterkopf gehe ich dann in den folgenden Tag. Größere Änderungen gehen dann nicht mehr. So etwas müsste ich erst mal überschlafen. Sokratische Monologe ergeben sich ganz automatisch beim Einschlafen, wenn man im Bett liegend den Tag Revue passieren lässt. Man genießt die frische Erinnerung an das Getane und freut sich auf die Fortsetzung am nächsten Morgen. Der Erinnerung folgen dann Verbesserungsvorschläge und Planungen.
Der sokratische Monolog ist ganz nebenbei eine selbstdiagnostische Methode mit integrierter Evaluation. Schließlich ist nur das geprüfte Leben wert gelebt zu werden. Ich will meine begrenzte Lebenszeit nutzen. Außerdem macht es Lust aufs Leben, wenn ich den Genuss des Erlebten durch Erinnerungsschleifen möglichst lange nachwirken lasse.
Nie entschied ich mich unter Alkoholeinfluss ein Fahrzeug zu führen. Die Alkoholfahrt war das Ergebnis einer nüchternen Überlegung. Ich wollte beim Termin mit dem Chef am nächsten Tag ein flaschenfreies Auto haben. Das entsprach meinen Ordnungsprinzipien. Ich stieg nach schnellem Trinken sofort und noch ohne Alkoholwirkung ins Auto im Glauben ohne Blutalkohol zu Hause anzukommen, wenn das Zeitfenster klein blieb. Nur mit dieser Möglichkeit konnte ich überhaupt von meinem normalen Procedere abweichen.
Andere Regeln verboten das Lagern von Alkohol im Haus oder legten Trinkmengen zwingend bereits am Vortag fest. Trinken wurde so zu einer bewussten und als sicher empfundenen Entscheidung. Die Regeln legitimierten mich, jede eventuelle Versuchung von mir zu weisen. Dazu sind doch Regeln da.
Die Entscheidung zu trinken fiel immer am Arbeitsende. Zu erst musste ein Tageswerk geschaffen werden, das zum Trinken berechtigte. Für jedes Trinkereignis musste Alkohol neu gekauft werden. Der wurde in zwei bis drei Dosen aufgeteilt. Die erste Dosis trank ich im Auto in der Garagenauffahrt oder in der Garage. Danach stellte ich mein Fahrrad hinter das Auto und schloss das Garagentor. Wollte ich die zweite oder dritte Dosis konsumieren, musste ich in die Garage gehen. Dieser Umstand zwang vorher zur Beantwortung der Frage, ob das denn wirklich sein musste. Um dem Wunsch nach einer weiteren Dosis nachzugeben, hätte ich beim Öffnen der Garage mein Fahrrad griffbereit vorgefunden. Die Entscheidung das Auto für den Kauf weiteren Alkohols zu nehmen, wäre nur möglich geworden, durch das absichtliche Wegschieben des Fahrrads. Eine solche Entscheidung wäre sehr dumm gewesen. Es gab eine Tankstelle und einen Kiosk in kurzer Entfernung.
Kontrolle ist mir in СКАЧАТЬ