MPU Protokolle. Helge Hanerth
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Название: MPU Protokolle

Автор: Helge Hanerth

Издательство: Bookwire

Жанр: Сделай Сам

Серия:

isbn: 9783847609162

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СКАЧАТЬ Alkoholisiert hätte ich die mathematisch-physikalischen Grundlagen mit Ausflügen in die Quantenmechanik nie verstanden.

      Eine zentrale Rolle spielte der Uni-Sport. Selbst Fallschirmspringen war möglich. Die Gelegenheit musste ich nutzen. Später konvertierte ich allerdings zu den Gleitschirmfliegern. Das lag mir mehr. Ich liebe dieses Gefühl von Harmonie mit den Elementen. Das kannte ich schon vom Segeln und Surfen. Gerade die ersten Male fühlte ich mich schon am Start mit dem Gleitschirm wie Otto Lilienthal, der als erster Mensch auf einem Hügel bei Berlin das Fliegen lernte. Das Gefühl ohne Motorkraft, sondern allein mit der eigenen Muskelkraft den Boden unter den Füßen zu verlieren und ins Fliegen überzugehen war großartig.

      Besondere Highlights waren immer wieder Flüge in der Thermik oder im Aufwindband eines Berges. Hier hatte die Luft Balken und es trug mich immer höher, genauso wie die Bussarde, von denen gelegentlich einer vorbeischaute. Im Pustatal in Südtirol kam ein Greifvogel von unten in meinen Aufwindbart geflogen und passte seine Kreisrichtung der meinen an. Nach zwei Kreisen hatte er aber schon ein so starkes Steigen, dass er bereits deutlich über mir flog. Zwei weitere Minuten vergingen und der Vogel war bereits so hoch, dass ich ihn nicht mehr ausmachen konnte. Ich werde nie vergessen, dass er seine Drehrichtung der meinen angepasst hatte. Woher kannte er diese Flugregel? Auch wenn es nur ein Zufall war, ich empfand das Zusammentreffen als meine Absolution vor dem großen Thermikprofi.

      Am Wichtigsten aber war Schwimmen. Jede Woche fuhr ich dreimal die im Winter besonders lange Strecke zum Schwimmbad im südlichen Zipfel der Stadt. Weder Regen noch Kälte konnten mich davon abhalten. Beim Schwimmen konnte ich mich mit Abstand am besten <auspowern> und gleichzeitig geradezu in mir ruhen. Beim Schwimmen hatte ich als Teenager meine größten Erfolge erlebt, und hier bot sich mir die Gelegenheit erneut, mich mit Gleichgesinnten für Wettkämpfe zu quälen.

      Gerne erinnere ich mich dabei an eine Frau aus Wuppertal die in einem höheren Leistungskader trainierte und gerade im Sprint für mich unmöglich zu schlagen war. Herrlich auch eine ältere Doktorandin aus Spanien, die im Nationalkader geschwommen hatte und immer noch sehr schnell unterwegs war. In meinem zweiten Studienjahr waren wir dann sogar Ausrichter der deutschen Hochschulmeisterschaften. Leistungssport unter Alkohol ging nicht. Davon war ich überzeugt. Ich wollte es erst gar nicht probieren. So etwas zerstörte bestimmt meine Endorphinkicks (Endorphin ist ein Hormon, das vom Körper bei Hochleistung ausgeschüttet wird).

      Neben dem Sport war Musik meine wichtigste kulturelle Aktivität. Es gab einen Jazzclub und für mich war es Ereignis genug, wenn beispielsweise ein Exbassist von Lionel Hampton oder einfach nur talentierte Studenten und ihre Dozenten der Musikhochschule aufspielten. Immer ging ich alleine zu den Gigs. Ich empfand das stressfreier. Schließlich kam ich nicht für ein gesellschaftliches Ereignis, sondern wegen des Musikgenusses. Im Schatten der Hochschule blühte eine vielfältige Szene mit den unterschiedlichsten Bands. Ich hätte gerne in der einen oder anderen Formation mitgespielt, aber ich war damals noch zu verhaltensgestört und scheu, um die nötigen Beziehungen aufzubauen. Selber spielte ich also nur zu Hause auf meinem Keyboard. Damit konnte ich jederzeit, wenn mir danach war, spielen. Nie mussten sich Nachbarn gestört fühlen, denn es ging auch leise. Und an langen, nasskalten, einsamen und melancholisch stimmenden Herbsttagen, wirkte das Instrument geradezu wie ein Antidepressivum. Dann spielte ich nach einem abgewandelten Beatles-Zitat <Play a sad song and feel better>. Tatsächlich ging dann jedes Mal die Sonne auf. Alkohol tötet die Musik selbst in einer Jazzkneipe. Schließlich wollte ich nicht nur zuhören, sondern neue Riffs und andere technische Kniffe lernen.

      „Irgendwelche Alkoholerfahrungen in dieser Zeit?”

      „Gelegentlich ein Bier. Das kam aber selten vor, denn meistens ging ich allein zu Jazzveranstaltungen. Andere alkoholische Getränke trank ich gar nicht. Einen leichten Rausch erlebte ich bei einem Umzug.“

      Ich erzählte, dass ich einer Freundin zugesagt hatte, dass ich natürlich als Umzugshelfer mit anpacken würde. Sportlich durchtrainiert wie ich war, war ich von meinen Qualitäten als Möbelpacker sehr überzeugt. Als Belohnung für die Helfer gab es zwei Kästen Bier. Später sollten noch belegte Brötchen und Kaffee dazukommen. Wir mussten früh anfangen, weil der erste Transporter um 7:30 Uhr beladen abfahren musste. Ich packte kräftig mit an, so wie ich es angekündigt hatte. Als erstes nahm ich mir selbstverständlich die Waschmaschine vor, die ich alleine aus dem Kellerraum bis zur Treppe bugsierte. Nach etwa einer Stunde echter Maloche meldete sich mein Magen mit großem Hunger. Ich hatte morgens in Erwartung der belegten Brötchen meine Wohnung ohne Frühstück verlassen. Kein Wunder also, dass mein Magen nach harter Arbeit auf nüchternem Magen sein Recht einforderte. Nur, die belegten Brötchen waren noch unterwegs. Also fingen die ersten Helfer an von dem Kasten Bier zu trinken, der schon da stand. Naja dachte ich mir, Bier enthält doch reichlich sättigende Broteinheiten und nahm ein Bier, dass ich noch schwitzend mit einem befriedigenden Aah in wenigen Schlucken austrank. Das tat gut, meldete mein Magen sofort zurück. So nahm ich noch eine zweite Flasche und stürzte deren Inhalt etwas langsamer die Kehle hinunter. Danach ging es gleich weiter mit dem Schleppen von Bücherkisten, die unbedingt noch mit dem ersten Transport abfahren sollten. Nachdem ich zwei Kisten zum Auto gebracht hatte, griff meine Hand scheinbar unwillkürlich nach dem Treppengeländer. Ein paar Momente später erkannte ich, dass die Ursache für das schwankende Treppenhaus, in den beiden Bieren nach der Anstrengung auf nüchternem Magen liegen müsste. Kurze Zeit nachdem der erste Transporter abgefahren war, kamen tatsächlich Brötchen und Croissants und eine Kiste Mineralwasser. Ich genoss die Pause sehr und war froh, dass die bierbedingten Schwankungen schnell nachließen.

      Das Hauptstudium machte soviel mehr Spaß als das Grundstudium. Es fehlte jedoch das Praktische. Deswegen nutzte ich jede Gelegenheit, mich als Hiwi zu verdingen. Ich half in chemischen oder biologischen Laboren mehrmals auch ohne dafür Geld zu erhalten. Die Projekte, die ich mit meiner Arbeit unterstützte, waren immer finanziell dünn budgetiert. Trotzdem reizte mich die ideelle Herausforderung und die Beschäftigung mit einem naturwissenschaftlichen Gegenstand. Das waren immer Aufgaben, bei denen schon der Gedanke an Alkohol störte.

      Die einzige Berührung mit hochprozentigem Alkohol während des gesamten Studiums hatte ich, als ein Mitbewohner und Sammler von Single Malt Whiskys zu einer Whiskyprobe eingeladen hatte. Ich folgte aber einer inneren Stimme, die sich plötzlich meldete, diese Geschichte nicht zu erzählen. Ursprünglich hatte ich gedacht, die Geschichte sei ein gutes Beispiel dafür, dass ich auch erstklassigen Gelegenheiten, bei denen der Alkohol schon auf dem Tisch stand, ausweichen konnte.

      Nach dem zweimal im Verlauf meiner Trinkhistorie Zweifel am Wahrheitsgehalt aufgekommen waren, hatte ich Bedenken, dass meine Geschichte nicht als Beispiel für kontrollierten Umgang mit Alkohol aufgenommen werden würde. Ich fürchtete plötzlich, der Schuss könnte nach hinten losgehen. Man suchte schließlich nach Hinweisen, die exzessiven Konsum rückblickend erklärten. Da war es doch mit Blick auf die Statistik möglich, dass man der Wahrheit keinen Glauben schenken wollte. Nichttrinken konnte so als Mittrinken umgedeutet werden. Alkoholiker neigten doch zu Verharmlosungen und Lügen. Aus diesen Gründen also erzähle ich nur den Lesern hier die folgende Episode. Der Gutachter hat sie nicht gehört.

      Ein Mitbewohner hatte eine kleine, erlesene Gruppe zu einer Whiskyprobe eingeladen. Die kleine Runde von <Connaissieurs> gab sich sehr kompetent, zumal man einen irischen Kommilitonen für den Abend gewinnen konnte. Die Runde war recht unterhaltsam, auch weil ein Teilnehmer sich als Sammler exklusiver Zigarren geoutet hatte. Großzügig verteilte man die braunen Stangen, nannte Namen, Preise und Besonderheiten. Man trank und schmauchte und debattierte über die Bedeutung des Schluckens zur Beurteilung des <Aftertaste> in Zusammenhang mit einer Whiskyprobe. Ich wollte weder trinken noch rauchen und genoss einfach nur die Atmosphäre im Debattierklub. Das wurde so akzeptiert. Es war locker und entspannt. Ein Drängen oder gar Nötigen wie seinerzeit bei meinem Bordkommando auf dem Kriegsschiff gab es nicht. Jeder tat wie er wollte. Ich musste nichts beweisen. Meine pure Anwesenheit und meine Kommentare waren den Gästen ein vollkommen ausreichend, unterhaltsamer Beitrag.

      Mittrinken СКАЧАТЬ