Wille wider Wille - aus den Indianerhütten Arizonas - Band 115 in der gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski. Gustav Haders
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Wille wider Wille - aus den Indianerhütten Arizonas - Band 115 in der gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski - Gustav Haders страница 8

СКАЧАТЬ erst christianisieren, und dann kommt die sogenannte Zivilisation ganz von selbst. Dies lehrt die Geschichte aller Völker.“

      „Unsere Regierung hat aber nicht ohne Erfolg gearbeitet. Wir haben eine Reihe von zivilisierten Indianerstämmen.“

      „Durch die Arbeit der Regierung?“

      „Ja.“

      „Da bist du im Irrtum. Wo immer ein zivilisierter Indianerstamm ist, da hat die Kirche Mission getrieben. Die Missionsarbeit hat Christen gemacht. Das Christentum hat solche hat solche Indianer zu zivilisierten Menschen umgewandelt. Die Regierung schreibt sich Erfolge zu, die gar nicht auf ihre Rechnung kommen. Jene Indianer wären heute wahrscheinlich genau so weit, wenn die Regierung gar nicht und die Kirche allein gearbeitet hätte; und sie wären sicherlich heute genauso weit zurück, noch ebenso unzivilisiert wie diese deine Indianer hier, wenn die Regierung allein gearbeitet hätte.“

      „Du hältst also unsere Arbeit für zwecklos?“

      „In gewissem Sinne ja. Ich meine auch, ein Mann wie du sollte mir beistimmen. Du solltest die Nutzlosigkeit der Regierungsarbeit ohne Missionshilfe zugeben.“

      „Dazu bin ich denn doch nicht ohne weiteres bereit!“ sagte Sims. „Warum meist du denn, dass ich arbeite?“

      „Weil du einen guten Verdienst hast.“

      „Du redest sehr offen.“

      „Willst du, dass ich anders rede?“

      „Nein. Aber um auf die Sache zurückzukommen. Nimm z. B. deinen Dohaschtida. An diesem haben ohne Zweifel während seines Aufenthalts auf der höheren Schule Dutzende von Pastoren ihr Heil versucht. Alle ohne Erfolg. Dohaschtida ist mit ungebrochenem Willen in das Land seiner Väter zurückgekehrt.“

      „Ich habe mich vorhin nicht ganz richtig ausgedrückt. Ich sprach von Missionshilfe. Ich hätte sagen sollen: Predigt des Evangeliums. Diese Predigt ist hier in unserem Lande, wie überhaupt in der Welt, sehr rar. Die rechte Predigt des Evangeliums gibt dem Menschen etwas, hat weiter nichts im Sinn, als das Menschenherz geschickt zum Nehmen zu machen. Viele Prediger aber machen, wenn es hoch kommt, das Evangelium zur Grundlage für gesetzliche Forderungen; andere aber, was schlimmer ist, benutzen es zu fadem, leidigem Moralisieren. Beides, das letztere noch mehr als das erstere, ist absolut kraftlos, den inneren Menschen, wie du dich zuvor ausdrücktest, zu erneuern. Das wahre Evangelium ist eine Kraft Gottes, aber nur das wahre, und als solches allmächtig.“

      „Könntest du mir mit wenigen Worten den Inhalt des wahren Evangeliums nennen?“

      „Gewiss.“

      „Und der wäre?“

      „Dir sind deine Sünden vergeben.“

      „Sind vergeben? Sind?“ fragte Sims sinnend.

      „Ja. Sind vergeben. Nicht: werden vergeben. Sie sind vergeben. Sobald du den Akt der göttlichen Sündenvergebung für die Gesamtheit der Menschen sowohl, wie für jedes einzelne Individuum, von irgendwelchem menschlichen Tun oder Verhalten abhängig machst, oder aus der Vergangenheit, wo er liegt, in die Gegenwärt oder Zukunft versetzest, so hast du die Herrlichkeit des Evangeliums zerstört und seine Kraft und Gnade vernichtet,“

      „Ich muss gestehen“, sagte Sims, was du da aussprichst, ist mir neu; aber ich muss sagen, es heimelt mich an, obwohl ich dich nicht voll verstehe. Ich will dich weiter hören.“

      „Aber heute nicht mehr“, sagte ich, „es ist spät geworden. Wir wollen uns zur Ruhe begeben.“

       Wir schüttelten uns herzlich die Hände, und ich verließ das Haus des Herrn Superintendenten, um nach meinem ganz am entgegengesetzten Ende des Schuleigentums gelegenen Wohnplatzes hinüberzugehen.

       Es war heller Mondschein und alles öde uns still. Es war um Mitternacht herum. Als ich mich dem Schlafgebäude der Mädchen näherte, an dem mein Weg mich vorbeiführte, näherte, sah ich eine hohe Mädchengestalt in der Kleidung der Schülerinnen, ein Indianermädchen, leichtfüßig über die breite Veranda des Hauses laufen. Das Mädchen eilte die Treppe hinab und lief geradeswegs über den weiten Rasen dem Zaune zu. Behände kletterte es an dem mit Stacheln versehenen Gitterwerk in die Höhe, schwang sich über den, den etwa zehn Fuß hohen Zaun oben abschließenden Querbalken, sprang auf den Erdboden und lief in größter Eile in die Wüste hinein, wo sie bald meinen Augen zwischen Kaktusstauden und dem Wüstengestrüpp verschwunden war.

Grafik 52

       Eine Ausreißerin!

       Sollte ich zurückgehen und Sims benachrichtigen?

       Nein, ich war hier kein Polizist.

       * * *

      Die verlassene Missionsstation

       Die Erlebnisse des Tages folgen dem Menschen gar oft in der Ruhe der Nacht. Man muss sie noch einmal wieder durchmachen, aber selten in einer verbesserten Auflage. Ich schlief sehr unruhig, wachte oft auf und hatte immer geträumt. Band war ich mit Dohaschtida zusammen, bald mit dem davongelaufenen Mädchen, bald mit beiden zusammen. Sobald ich wieder einschlief, träumte ich auch wieder, und immer wieder waren diese beiden Gegenstand meiner Traumgebilde. Im Moment des Erwachens wusste ich, was ich geträumt hatte, aber sofort verschwanden alle Einzelheiten aus meinem Gedächtnis, nur dass es die beiden wieder gewesen waren, blieb haften. Sonderbar, Dohaschtida und das durchgebrannte Mädchen. Die beiden hatten doch gar nichts miteinander zu tun.

       Beim Frühstück, das wie alle Mahlzeiten von sämtlichen Angestellten der Schule gemeinschaftlich eingenommen wurde, war das Gesprächsthema das während der Nacht fortgelaufene Mädchen. Ich beteiligte mich natürlich nicht an der Unterhaltung, hörte aber sehr aufmerksam zu. Der Schulname der Entlaufenen war Nona Kerston, mit ihrem Indianernamen hieß sie Najodikahi. Sie galt für eine hochbegabte Schülerin und war etwa siebzehn Jahre alt. Alle Lehrer und Lehrerinnen waren davon überzeugt, dass sie sehr viel gelernt hatte und beständig sehr viel dazu lerne. Sie zeigte aber und nur, wenn sie dazu gezwungen war, wie viel sie sich auf allen Gebieten des Wissens angeeignet hatte.

Grafik 34

       Najodikahi war schon wiederholt fortgelaufen und zurückgebracht worden. Die Matrone, die die Aufsicht im Schlafsaal der großen Mädchen hatte, erklärte, sie werde Nona Kerston zur Strafe ihre Haare kurz schneiden. Najodikahi würde dann nicht eher wieder weglaufen und unter die Indianer zurückkehren, als bis die Haare wieder gewachsen seien. „Man kann den Indianermädchen kein größeres Herzeleid antun“, sagte die Dame, „als wenn man ihnen die langen, dicken, glänzenden, schwarzen Haare, auf die sie so stolz sind, abschneidet. Ich tue das drum nicht gerade gern, aber ich muss mal wieder ein Exempel statuieren. Das Fortlaufen nimmt in letzter Zeit zu sehr überhand.“

       Najodikahis Eltern lebten sieben Meilen nördlich von der Schule. Man hoffte, das Mädchen noch im Laufe des Vormittags wieder eingebracht zu haben. Zwei berittene Polizisten waren bereits unterwegs, um Najodikahi zurückzuholen.

       СКАЧАТЬ