Wille wider Wille - aus den Indianerhütten Arizonas - Band 115 in der gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski. Gustav Haders
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Читать онлайн книгу Wille wider Wille - aus den Indianerhütten Arizonas - Band 115 in der gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski - Gustav Haders страница 5

СКАЧАТЬ ausging. Jetzt, wo die Missionare fort sind, verschwindet das wieder. Es war alles noch zu sehr im Werden und von der Gegenwart und ständiger Weiterarbeit der Männer abhängig. Aber es war ein Zeichen von dem Wert und der Frucht der Arbeit der Missionare. Es galt nur weiterzuarbeiten und zu warten. Aber das wollten die Leute nicht. Sie hätten kein Geld dazu, hieß es; man könne das Geld anderswo besser anwenden, wurde gesagt. Mir hat das nie einleuchten wollen. Wenn ich an die großen, prunkvollen Kirchengebäude denke, die die Christen ihrem Gott bauen, so will mich dünken, dass da reichlich Geld sein muss. Auch glaube ich, dass die lieben Leute ihren Gott nicht recht kennen, wenn sie meinen, er habe mehr Freude an solchen Gebäuden als an der Arbeit, so ein verkommenes Volk, wie die Indianer es sind, aus dem Schmutz und Elend, aus Nacht und Tod zu ziehen. Das eine tun und das andere nicht lassen, das würde mir recht scheinen. Aber das eine tun und das andere lassen, nein, David, das will mir nicht in den Sinn.“

       Sims schwieg und schien auf eine Antwort von mir zu warten. Was sollte ich viel dazu sagen? Es war ja richtig, was Sims sagte, aber es war nun einmal so und ließ sich nicht ändern, und war nicht dadurch zu bessern, dass wir darüber miteinander redeten. So ging ich nicht auf den angeregten Punkt ein.

      „Haben die Missionare ihren Leuten im Osten das nicht auseinandergesetzt?“ fragte ich.

      „Freilich haben sie das getan. Aber du kennst die Menschen, wie sie sind. Wo findest du einen Menschen, der sich Mühe gibt, dir nur mit seinen Gedanken zu folgen, wenn du ihm etwas auseinandersetzest, es sei denn, dass ein Bekanntwerden mit dem Gesagten ihm einen persönlichen Vorteil bringt? Hast du nicht Klatsch oder Sensationelles oder etwas die Person deines Gegners Betreffendes zu berichten, so hört dich dieser, wenn es hoch kommt, vielleicht mit halben Ohren an. Versuche es, jemandem, der in einer Sache eine Ansicht gefasst hat, über diese Sache deine Ansicht darzulegen, die aus unbestreitbar besseren Quellen geschöpft ist und mit persönlichen Erfahrungen belegt ist. Es hört die aus hundert Leuten höchstens einer mit dem Gedanken zu, du möchtest es vielleicht besser wissen als er, und seine Ansicht könnte verkehrt sein. Die übrigen neunundneunzig haben von vornherein die Absicht, bewusst oder unbewusst, bei ihrer Ansicht zu bleiben. Sie folgen deiner Rede gar nicht, noch erwägen sie deine Argumente. Sie warten nur geduldig oder ungeduldig auf den Moment, wo du deine Rede beendet hast, damit sie dir ihre Ansicht noch einmal wieder vortragen können. So zu sein, gebietet dem Menschen seine ihm angeborene Selbstsucht und sein Selbstgefühl. Es geht uns mit den Regierungskreisen in Washington genauso, wie den Missionaren mit ihren kirchlichen Organisationen im Osten, von denen sie abhängig waren. Sie alle haben die tollsten und hirnverbranntesten Ansichten über Indianer und Indianererziehung; über das, was man tun könnte und tun sollte. Und – sie halten an diesen Ansichten fest. Da helfen keine schriftlichen und da helfen keine mündlichen Auseinandersetzungen. Die schlimmsten sind die Herren Inspektoren, die hin und wieder auf ein paar Tage auf den Indianerreservationen erscheinen. Sie bringen ihre fertigen, festen Ansichten mit, wenn sie kommen, und finden dieselben hier bestätigt, weil sie, wiederum bewusst oder unbewusst, nach nichts weiterem sich umschauen und umhören, als nach solchem Material, mit dem sie ihre Ansichten bestätigen und das Erhärtung derselben ausnützen können. David, es kostet Jahre sorgfältigen Beobachtens, um sich nur ein wenig Verständnis des Indianers und der Art, wie an ihm zu arbeiten ist, anzueignen. Es kann bei dem verschlossenen Charakter des Indianers und seiner steten Wachsamkeit, dem weißen Manne sein Inneres zu verbergen, nicht anders sein. Aber wie gesagt: Selbstsucht, Selbstbewusstsein, Selbstgefühl. Der Mensch ist ‚all I‘, sagt der Amerikaner, ‚lauter Ich‘.“

      „Dein Urteil über die Menschen ist hart!“ sagte ich. „Doch es gibt Ausnahmen. Die wahren Christen, die sind anders.“

       Deren gibt es wohl nicht sehr viele!“ meinte Sims, und etwas wie ein ironisches Lächeln zeigte sich auf seinen Lippen.

      „Vielleicht mehr, als du denkst.“

      „Mir sind sie nicht begegnet.“

      „So hast du Augen und Ohren nicht offen gehalten.“

      „Es ist meine Gewohnheit, wenn ich unter Menschen komme, dieselben zu beobachten und zu studieren.“

      „So stellst du dir unter einem rechten Christen etwas anderes vor, als du solltest.“

      „Das mag sein. Ich glaube aber, in einem Stück recht zu stehen. In jeder Rede Christi, in jedem Kapitel der apostolischen Briefe, einerlei, welche Lehre behandelt wird, immer zwischenein meine ich Kriegserklärungen an des Menschen Selbstgefühl und Selbstsucht zu finden. Es scheint mir das notwendige Resultat eines erneuerten Menschenwillens, ich könnte auch sagen, ein Erfordernis der Nächstenliebe zu sein, dass der Mensch eine Ansicht, die von seiner eigenen abweicht, nicht nur freundlich neben sich duldet, sondern dass er auch bereit ist, sich dieselbe darlegen zu lassen. Und weiter: hat die andere Ansicht gesunde, klare Gründe für sich, welche die Nichtigkeit der eigenen Ansicht zerstört, so darf der Mensch nicht eigenwillig bei seiner Ansicht verharren, sondern muss die andere fröhlich an Stelle der seinigen annehmen.“

      „Was du da eben ausgesprochen hast, ist das Ideal, dem der Christ nachstrebt“, sagte ich, „aber es geht da gerade so wie mit der idealen Auffassung von Schülergewinnung unter den Indianern. Es sind derer nur wenige, die solche Ideale verwirklichen. Das letztere ist aber nicht unmöglich, wie du selbst zugabst, als du zuvor von den Missionsschulen redetest.“

       Wir hatten an einem der ersten Abende unseres Zusammenseins eine Unterhaltung über die Polizeigewalt gehabt, die angewandt wurde, um die Indianerkinder in die Schulen zu bringen. Sims vertrat die Ansicht, dass die Indianerkinder in die Schulen zu bringen. Sims vertrat die Ansicht, dass die Indianerkinder unter den obwaltenden Verhältnissen mit Gewalt in die Schulen gebracht werden müssten, weil die Eltern sie sonst einfach nicht schicken würden. Ich hielt daran fest, dass bei solcher Schulung schwerlich etwas Gutes herauskommen werde, man müsse versuchen, den Willen der Eltern zu gewinnen.

       Van Augustus verteidigte sich: „Ja“, sagte er, „aber solche Arbeit findet keine Anerkennung, weder in Washington noch bei den Missionsbehörden. Ich würde Knall auf Fall abgesetzt werden, wenn ich nach Eröffnung des Schuljahres nach Washington berichten würde: Ich habe 25 Kinder in der Schule, nicht 250 wie im vergangenen Jahre; aber die 25 haben die Eltern der Kinder mir freiwillig gegeben. Ich habe es aufgegeben, Polizeigewalt zu gebrauchen, und habe nur versucht, die Eltern von dem Wert der Schulerziehung zu überzeugen und sie dafür zu gewinnen, ihre Kinder mir freiwillig anzuvertrauen… Doch an etwas Derartiges wäre ja gar nicht zu denken. Du musst bedenken, dass wir keinen freien Willen haben, zu handeln wie wir wollen, und wie wir es für gut halten. Unsere Arbeit, das Was und das Wie, sind uns bis in die kleinsten Einzelheiten vorgeschrieben. Wir sind nur Werkzeuge, und die Hände, die diese Werkzeuge führen, sind nicht hier, sondern in Washington!“

      „Ich weiß das“, sagte ich, „die Menschen sind verschieden. Ich könnte unter solchen Verhältnissen nicht arbeiten.“

      „Warum nicht?“

      „Wäre es eine Arbeit an Holzklötzen oder Steinblöcken, dann ja. Ich würde daraus zurechthauen, was mein Arbeitgeber verlang. Aber hier handelt es sich um Menschenseelen.“

      „Menschenseelen ja. Aber Indianerseelen. Mir ist bislang noch nichts begegnet als boshafter Starrsinn. Gegen den muss man Gewalt gebrauchen. Man kann anders nichts ausrichten.“ Dies stimmte nun eigentlich durchaus nicht mit dem, was Sims von der Arbeit der Missionare gesagt hatte. Ich zog es aber vor, ihm dies nicht vorzuhalten. Ich sah meinen Freund eine Weile schweigend an und sagte dann: „Sims, ich will dir eine Begebenheit erzählen, die sich heute Nachmittag in dem kleinen Hause zutrug, das du mir für die Zeit meines hiesigen Aufenthalts zur Verfügung gestellt hast.“

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