Wille wider Wille - aus den Indianerhütten Arizonas - Band 115 in der gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski. Gustav Haders
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Читать онлайн книгу Wille wider Wille - aus den Indianerhütten Arizonas - Band 115 in der gelben Buchreihe bei Jürgen Ruszkowski - Gustav Haders страница 7

СКАЧАТЬ zu sein. Darum muss man sie zwingen.“

      „Damit ist der Wille nicht gebrochen. Kennst du übrigens diesen Dohaschtida?“

      „Nein, persönlich nicht. Ich habe ihn auch noch nicht gesehen, habe nur von ihm gehört. Wie du weißt, war ich Sonntag verhindert, der Andacht beizuwohnen, und war also nicht Zeuge seines auffallenden Benehmens in der Halle. Ich bin aber überzeugt, dass dein Bekannter ein junger Indianer mit Namen Percy Sottan ist. Percy Sottan ist der Name, den er in der Schule erhalten hat. Du siehst schon seine Feindschaft wider alles, was von uns kommt, aus dem Umstande, dass er dir nicht diesen, sondern seinen Indianernamen Dohaschtida nannte. Percy ist vor etlichen Monaten von einer höheren Indianerschule in Neu Mexiko hierher zurückgekehrt. Er ist 500 Meilen zu Fuß gegangen, obwohl der Schulsuperintendent ihm eine Eisenbahnfahrkarte gekauft und eingehändigt hatte. Ich muss dir das vorlesen. Es stand etwas darüber in einer Zeitung. Ich habe den Artikel ausgeschnitten.“

       Sims stand auf und holte ein Buch, in das er Zeitungsausschnitte eingeklebt hatte. Nach kurzem Suchen und Blättern sagte er: „Hier habe ich es schon.“ Und er las: Albuquerque, Neu Mexiko. Januar 19.. Passagiere eines der hier durchlaufenden Züge erzählten in der Vorhalle des Bahnhofshotels während der einstündigen Wartezeit, die sie daselbst verbrachten, folgende interessante Begebenheit, die ein grelles Licht auf den noch immer ungebrochenen Stolz und Dünkel unserer heutigen Indianer wirft. Ein junger hochgewachsener Indianer trat in den Zug und setzte sich. Der Kondukteur kam zu ihm und bat ihn um seine Fahrkarte, Der Indianer reichte ihm dieselbe. Der Kondukteur machte mit seiner Zange die ordnungsmäßigen Löcher in die Fahrkarte und gab sie dem Indianer zurück. Die Karte musste noch durch die Hände anderer Kondukteure gehen, bevor der Indianer an sein Reiseziel kam, und musste erst in der Hand des letzten Kondukteurs bleiben. Hierauf wollte der Kondukteur dem Indianer einen kleinen farbigen Pappstreifen unter das Band seines Hutes schieben. Jeder Reisende weiß, dass dies allgemeine Sitte ist. Der Kondukteur weiß an der Farbe dieses Streifens, wie weit der Reisende fährt, und kann ihn aufmerksam machen, wenn sein Aussteige-Platz naht. Außerdem weiß er, wenn immer neue Reisende in den Wagen einsteigen, wen er bereits nach seiner Fahrkarte gefragt hat, und braucht niemanden zum zweiten Male belästigen. Diese kleine Karte hat alle ihre guten Eigenschaften. Sie hat dieselben für den Kondukteur sowohl wie für den Reisenden. Als nun der Kondukteur dem Indianer diese Karte an den Hut stecken wollte, sprang der Indianer auf und schrie den Kondukteur an: ‚Wer gibt dir ein Recht, mich anzufassen! Ich bin der alleinige Herr meines Körpers und alles dessen, was an demselben ist!‘

       In aller Ruhe setzte der Kondukteur dem Indianer auseinander, um was es sich handele und bat ihn dann, sich die Karte selber an den Hut zu stecken. ‚Ich bin ein Mensch‘, sagte der Indianer. Ich bin keine Kuh. Ich bin kein Pferd. Kühe werden gebrandmarkt. Menschen werden nicht gebrandmarkt. Ich werde die Karte nicht an meinen Hut stecken.‘ Er sprach nicht ohne Erregung.

       In beschwichtigendem Tone entgegnete der Kondukteur, der Indianer solle sich doch in die allgemeine Sitte fügen. Es sei Anordnung der Bahngesellschaft, dass solche Karten gegeben würden, und dann setzte er hinzu: ‚Sieh doch, alle Leute hier in diesem Wagen tragen solche Karten.“

      ‚Bah,‘ sagte der Indianer, ‚lauter Bleichgesichter und Mexikaner. Was gehen die mich an. Ich will den Papierfetzen nicht an meinem Leibe.‘ Er riss dem Kondukteur das kleine rote Stück Pappe aus der Hand, zerriss es und warf dem Manne die Stücke vor die Füße. Dann zog er seine Fahrkarte aus der Tasche, zerriss auch die und warf die Fetzen dahin, wo die anderen lagen.

      ‚Ich werde nicht fahren‘, sagte er, ich werde zu Fuß nach Hause gehen. Lass den Zug halten. Ich habe keine Fahrkarte!‘ kommandierte er.

      ‚Wie du willst!‘ sagte der Kondukteur, der verärgert war. Er zog die Notleine. Von der Lokomotive her kam mit dreimaligem Pfeifen die Antwort. Die Fahrgeschwindigkeit des Zuges ließ nach. Bald hielt der Zug, und der Indianer verließ den Wagen, ohne irgendeinen der Insassen eines Blickes zu würdigen. Es war mitten in der Wüste von Neu Mexiko. Der Konduteur erzählte, dass das Reiseziel des Indianers, wie seine Fahrkarte gezeigt habe, im äußersten Westen Arizonas liege. Der Mann habe an 400 Meilen zurückzulegen, wenn er zu Fuß gehen wolle.“

       Soweit der Zeitungsbericht.

       Der Artikel schloss mit der Bemerkung der Redaktion, dass die Indianer sehr gute Fußgänger seien, und dass der Weg dem jungen Manne nicht zu weit und nicht zu lästig geworden sein werde. Das Bewusstsein, den verhassten Weißen mitsamt der Eisenbahngesellschaft einen Hieb versetzt zu haben, den sie in gewisser Hinsicht verdiene, habe ihn über alle Beschwerden des langen Wanderns hinweggeholfen. Dieses Dekorieren der Reisenden mit den bunten Pappstreifen, was der Indianer brandmarken nannte, sei etwas Unschickliches, und man müsse sich über das reisende Publikum wundern, dass es sich geduldig so etwas gefallen lasse.

       Sims klappte sein Buch zu und sah mich fragend an.

      „Sicherlich hast du recht“, entgegnete ich, „das war Dohaschtida, oder wie er mit seinem Schulnamen heißt, Percy Sottan. So etwas! Eine Fahrkarte haben und zu Fuß gehen! Und Geld muss er auch haben. Du hättest die eleganten Kleider sehen sollen, die er am Sonntagvormittag trug.“

      „Wird er nicht lange tragen“, meinte Sims, „noch ein paar Monate weiter, und er wird sich von den übrigen Indianern wenig in seinem Äußeren unterscheiden. Er wird genau werden wie die anderen. So geht es mit allen, die aus den hohen Schulen zurückkehren.“

      „Das glaube ich auch“, sagte ich, „der Zwang ändert nichts. Seine Wirkung hält nur so lange an, wie er da ist. Fällt der Zwang hin, so fällt alles mit ihm, was ein Resultat seines Waltens war.“

      „Aber was willst du denn machen?“ fragte Sims geärgert.

      „Man muss warten, man muss ihnen Zeit lassen. Man muss sie nicht zwingen. Es hat eine Zeit gegeben, da unsere Väter in demselben Zustande sich befanden wie die heutigen Indianer. Es ist nicht über Nacht gekommen, dass wir ein Leben wie unser heutiges dem von damals vorziehen.“

      „Das ist richtig“, sagte Sims, „aber wo in aller Weltgeschichte hat man sich so viele Mühe gegeben, so viele ungezählte Millionen geopfert, solche wohldurchdachte, systematische Arbeit getan, um ein Volk zu zivilisieren, wie unsere Regierung das seit Jahren mit den Indianern tut? Es liegt am Indianer, dass alles vergeblich zu sein scheint. Er will nicht und muss gezwungen werden.“

       Ich erlaubte mir zu widersprechen. „So etwas ist freilich noch nicht dagewesen!“ sagte ich. „Es wäre besser,, die Herren in Washington hätten ein wenig Weltgeschichte und Kirchengeschichte im Besonderen studiert, ehe sie den Plan fassten, mit einer organisierten Armee von dressierten Damen und Herren, ohne Religion, ein Volk, wie die Indianer, zu zivilisierten Amerikanern zu machen. Zivilisation lässt sich nicht erzwingen, die kommt und entwickelt sich von selbst, langsam und durch Beispiel und Gewöhnung. Will man zwingen, so bäumen sich mit Recht die gestern Abend von dir genannten menschlichen Eigenschaften: Selbstgefühl, Selbstsucht, und ich setze hinzu Selbstachtung, gegen solches Zwangsverfahren auf.“

      „Du bist ein Idealist!“ sagte Sims.

      „Erlaube mir, dass ich widerspreche. Der Idealismus läge auf deiner Seite, vorausgesetzt, dass du, was mir aber nicht der Fall zu sein scheint, die Hoffnungen Washingtons auf einen Erfolg solcher Arbeit teilen würdest.“

      „Worauf gründest du deine Ansicht?“

      „Auf einige deiner gestrigen Auslassungen.“

      „Die darfst du jetzt nicht in Betracht СКАЧАТЬ