Автор: Gustav Haders
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
Серия: gelbe Buchreihe
isbn: 9783752907704
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Wir beide schauten zugleich in den geöffneten Tischkasten. Und was sahen wir? Mitten in der geräumigen Lade lag … eine Bibel …eine Bibel … weiter nichts.
Tief erschüttert blickten wir einander an.
Wir verstanden die Grabschrift.
Lange sagte keiner von uns ein Wort. Schließlich brach ich das Schweigen. „Sims, sagte ich, „Fremdling, sag es zu Sparta… Sims, das gilt dir und das gilt mir. Melden sollen wir’s, sagen, kundtun, rufen, hineinschreien unter das Volk, unter die Christen, dass auf Befehl derer, die unter ihnen die Gesetze geben, die regieren und anordnen, dass durch diese das Evangelium vom Sündenheiland hier zum Schweigen gebracht ist, dass die Bibel geschlossen, verschlossen, begraben wurde, – wir sollen es den Christen klarmachen, dass sie sich von blinden Leitern leiten ließen, wenn sie ihren Zustimmung dazu gaben, die Missionsarbeit hier einzustellen. Sie hätten mehr tun sollen, anstatt aufzuhören. Sie hätten mehr Arbeiter anstellen sollen, als die Arbeit hier einzustellen. Sie haben dem Satan das Feld gelassen, weil er ihnen zu stark schien. Sie haben die Indianer in Satans Händen gelassen, weil sie kein Geld mehr opfern mochten. Sie haben die Arbeit für nutzlos und vergeblich erklärt, weil sie vergaßen, dass geschrieben stehet, dass Gottes Wort ausrichten soll und wird, wozu es gesandt ist.“
Wir vernahmen laute und eilige Schritte im Nebenzimmer. Sims schloss schnell den Tischkasten. Ein Indianerjunge, an seiner Kleidung als Schüler der Regierungsschule erkenntlich, trat ein und übergab Sims einen Brief. Sims öffnete und las.
„Dumm!“ sagte er in ärgerlichem Tone, „ich muss zurück. Es sind schon wieder ein paar Kinder fortgelaufen. Meine Leute scheinen sich nicht zu helfen zu wissen.“
„Wir reiten ein anderes Mal wieder hierher!“ sagte ich.
„Nein“, meinte er, „du kannst hierbleiben, wenn du willst. Der Indianer, der uns das Mittagessen nachbringen sollte, wird schon unterwegs sein. Der kann bei dir bleiben und dich zurückbringen. Ich werde ihn auf dem Heimwege treffen und ihm Bescheid sagen. Dieser Indianer brennt sowieso schon vor Begierde, dich kennen zu lernen. Latrupp heißt er. Wir nennen ihn unter uns das, die ‚Indian Newspaper‘, die Indianerzeitung. Die Indianer lesen keine Zeitungen. Latrupp ist ihr Mann, der überall Neuigkeiten sammelt und dieselben unter seinen Brüdern und Schwestern verbreitet. Er will ihnen doch auch von dir erzählen. Du bist noch eine Neuigkeit für die Indianer.“
Mir war’s recht, noch zu bleiben. Sims ritt fort, nachdem er mit die Schlüssel übergeben hatte. Ich blieb allein zurück. Ich mochte aber nicht in dem Hause bleiben. Da war es mir zu eng geworden. Ich ging hinaus und verschloss das Gebäude.
Von der Veranda aus blickte ich zu einer Gruppe von Indianerhütten hinüber, die in einiger Entfernung von der Missionsstation lagen, aber nicht so weit, dass man nicht unterscheiden konnte, was da bei den Hütten herum vor sich ging.
Vor einer der Hütten stand ein hochgewachsenes Indianermädchen, das aber, sobald mein Blick sich dahin wandte, in der Hütte verschwand.
Najodikahi! Flog es mir durch den Sinn. Das Mädchen, das ich am gestrigen Abend gesehen hatte, war von demselben hohen Wuchs, und die Missionsstation lag in der Himmelsrichtung zu der Schule, in der das Mädchen davongelaufen war. Sollte sie es sein? Auffallend war es, dass sie sich zeigte, wenn sie Najodikahi war. Hatte sie das Fortreiten des Schulsuperintendenten beobachtet, so doch sicherlich auch, dass ich nicht mit ihm fortgeritten war und noch in der Nähe sein musste. Freilich, sie hatte keine Ursache, zu fürchten, dass ich sie kannte, und konnte sich darum getrost zeigen. Die Tracht der Schulmädchen hatte sie abgelegt, wenn sie wirklich Najodikahi war.
Doch was kümmerte mich das Mädchen! Meine Augen und Gedanken wurden durch das Bild gefesselt, das vor mir lag. Wüste, große, öde, unabsehbare Wüste, wenn ich meinen Blick nach rechts oder nach links wandte. Vor mir in weiter Ferne hohe Berge, die Gipfel von etlichen mit Schnee bedeckten, dessen blendend weiße Farbe grell vom tiefblauen Himmel abstach. Schnee im Monat Juli in Arizona! Das musste „ewiger Schnee“ sein, wie wir als Schulknaben den Schnee solcher Berge zu nennen gelehrt worden waren. Am Fuße der Berge schlängelte sich ein schmaler grüner Streifen durch den hellen Wüstensand. Das konnte nur das Grün von Bäumen sein. Dort musste Wasser sein. Der Himmel war unbewölkt, das gleiche satte, tiefe Blau, soweit das Auge reichte. Nichts regte sich, es war so still, so friedevoll. Da meinte ich zu meiner Rechten am fernen Horizonte eine sich lang hinstreckende Staubwolke zu sehen. Nachdem ich eine Weile scharf hingeschaut hatte, merkte ich, dass die Staubwolke sich näherte. Wer mochte das sein? Ob das einer von den Wüstenstürmen ist, von denen ich gehört und gelesen hatte? Nein, ein herannahender Sturm konnte das nicht sein, dazu bewegte sich die Wolke nicht schnell genug vorwärts. Aber sie kam näher und näher.
Jetzt meinte ich vor der Staubwolke, ihrer ganzen Länge nach, dunkle und hellere Punkte zu sehen. Bald sah ich die Punkte deutlicher. Sie wurden größer und größer. Meine Augen nahmen wahr, dass sie sich nicht nur vorwärts, sondern zugleich auch bald nach der einen, bald nach der anderen Seite hin bewegen. Die Punkte vergrößern sich zu Flecken, sie kommen näher und näher, werden größer und größer. So auch die ihnen folgende Staubwolke. Jetzt sehe ich, was es ist. Es sind Pferde, wilde Pferde. Eine Herde wilder Pferde kommt daher gestürmt.
Es müssen hundert sein, nein, zweihundert, nein, mehr noch sein. Nun höre ich auch den Schall der aufschlagenden Hufe. Wie leiser, fern rollender Donner klingt es. Und näher und näher kommen sie, und lauter und lauter wird das Rollen. Jetzt sind sie da. Gerade vor mir. Mit fliegenden Mähnen, mit hoch erhobenen Schweifen im vollen Galopp, in wilden Sprüngen, schwarze, braune, gelbe, weiße, bunte Pferde, schreiend, wiehernd, pustend, keuchend jagen sie an mir vorbei. Und nun sind sie schon wieder meinen Augen entschwunden. Die folgende Staubwolke verbirgt sie meinen ihnen folgenden Blicken.
Aber siehe, da kommt noch etwas. Reiter, Pferdejungen, ein paar Dutzend. Weithin über die Ebene zerstreut kommen sie daher. Nur ein Indianer kann so reiten, so, wie im Sattel aufgewachsen, sitzen, wie diese Männer hier. Sie juchen, schreien und schwingen ihre Lassos. Schnell sind auch sie meinen Augen entschwunden, die ihnen nachfolgende Staubwolke verdeckt sie mir.
Ich stand stumm. Ich hatte etwas gesehen. Mein Auge hatte Leben in der toten Wüste erschaut. Zum ersten Male in meinem Leben hatte ich Pferde gesehen. Denselben Gedanken hatte ich schon mehrere Male gehabt. Einmal in Deutschland, als ich bei einem Kaisermanöver ein Regiment Husaren über das Feld dahinsprengen sah. Ein andermal in Russland, als ich Gelegenheit hatte, durchziehende Kosaken zu sehen. Ein drittes Mal auf der Weltausstellung in St. Louis, als ich einer Vorstellung Buffalo Bills „Wird West Show“ beiwohnte.
Ich musste lachen, wenn ich jetzt daran dachte. Das war ja alles nur Zirkus gewesen, nichts Wahres, nichts Wirkliches.
Aber heute, jetzt eben, hatte ich Pferde gesehen. Ich hatte СКАЧАТЬ