Название: Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen
Автор: Ludwig Bechstein
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742749215
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von Tongern!
Wen grüßet Ihr also? fragte Johann, indem er sich
rings umsah. Dich! antwortete der Pilger, den der
Herr ob deiner Frömmigkeit erkor zum heiligen
Amte. – Solches glaube ich nimmermehr! Hebe dich
weg, Versucher! rief Johann aus, so wahr das trockne
Holz deines Stabes grünet und Früchte trägt, so wahr
werde ich Bischof von Tongern. – Schaue und glaube
dann! rief der Pilgrim, stieß seinen Stab in den frischgepflügten
Ackerboden, und alsbald bedeckte sich
derselbe mit junger Rinde, trieb Sprossen und Zweige,
die setzten Blüten an, und die Blüten wurden
schöne Äpfel.
Alles ging in Erfüllung, der Baum blieb stehen,
und seine lieblichen Äpfel wurden durch Schößlinge
weit im Lande verbreitet und heißen St. Johannisäpfel
bis auf den heutigen Tag. Noch weiter verbreitet sind
die Sagen von grünenden Stäben, die meist zu Wun-
derbäumen erwuchsen, wie in Thüringen jener Wunderbaum
zu Varila, den Bonifazius aufpflanzte, des
Papstes Urban Stab in der Sage vom Ritter Tannhäuser
und manche andere mehr.
145. So viel Kinder als Tage im Jahre
Eine Stunde von Gravenhage liegt ein Dorf, das heißt
Losduinen (sprich Losdeunen), da hat ehemals ein
Kloster gestanden; die Sage geht alldort, daß dieses
Kloster wegen ruchlosen Lebens seiner Bewohner in
einer Nacht versunken sei, und daß an einer gewissen
Stelle, die aber nicht jeder findet, ein Sausen und
Brausen in der Tiefe gehört werden könne. Nur die
Kirche blieb erhalten, sie liegt außerhalb des Dorfes,
östlich, und es werden in derselben zwei kupferne
Taufbecken gezeigt, an die sich folgende Geschichtssage
anknüpft.
Graf Floris IV. von Holland hatte von seiner Gemahlin
Mechthild eine Tochter, des Namens Margaretha,
und vermählte diese mit Hermann I. Grafen von
Henneberg, den die Alten als einen freudigen und
mannhaften Helden priesen. Margaretha gebar ihrem
Gemahl einen Sohn, Poppo, und eine Tochter, Jutta,
welche letztere sich noch bei der Mutter Leben, mit
dem Markgrafen Otto dem Langen zu Brandenburg,
vermählte. Auch die Mutter hatte sehr jung geheiratet
und reiste in ihrem zweiundvierzigsten Jahre nach
dem Haag, ihrem Heimatlande. Da habe nun diese
Gräfin ein armes Frauchen erblickt, das auf jedem
Arm ein Kindlein trug und sie anbettelte, und die Kin-
der wären Zwillinge gewesen. Habe die Gräfin gezweifelt,
daß eine Frau von einem Manne mehr denn
ein Kind auf einmal empfangen könne, der Armen die
Gabe geweigert, ja sie verhöhnt und geschmäht. Darüber
ward die arme Frau kläglich weinend, hob ihre
Augen gen Himmel und rief: O Herr und Gott, der du
bist aller Dinge im Himmel und auf Erden mächtig,
ich bitte dich demütiglich, daß du wollest dieser Gräfin
so viele Kinder auf einmal in ihren Schoß bescheren,
als Tage im Jahre sind. Und sei weinend hinweggegangen.
Und am selben Tage fühlte die Gräfin sich gesegneten
Leibes und nahm von Stund an zu und wurde so
stark und so schwer, daß kein Mensch alle sein Lebtage
dergleichen gesehen hatte. Nun hatte ihr Vater
ein Haus in Losduinen, da blieb sie wohnen, denn sie
vermochte nicht nach ihrer neuen Heimat in das Land
Henneberg zu reisen, und am Charfreitag, als man
schrieb eintausendzweihundertundsechsundsiebenzig,
da gebar sie dreihundertundfünfundsechzig Kinder,
Knäblein und Mägdlein durcheinander, alle ganz ausgebildet
an allen Gliedern. Die taufte am andern Tage
der Bischof Otto von Utrecht, ein Ohm der Frau, in
den zwei Becken (nicht in einem, wie viele sagten und
schrieben), die noch heute in Losduinen zu sehen
sind, und nannte die Knäblein Johannes und die
Mägdlein Elisabeth. Sie starben aber alle bald darauf
an ihrem Tauftage, am Vorabend des heiligen Osterfestes,
und die Mutter desgleichen, und wurden miteinander
in der Klosterkirche begraben. Hernachmals ist
diese Geschichte in mancherlei Denkversen in deutscher,
lateinischer und holländischer Sprache auf eine
Holztafel innerhalb der Kirche zu Losduinen verewigt
worden, welche vormals links neben der Kanzel hing,
ein Grabstein aber, dessen in vielen Schriften gedacht
wird, welche diese Sage mitteilen, ist allda nicht vorhanden.
Zum Andenken an jene Wundergeburt wurde
an das Ufer der Maas eine Burg gebaut, welche so
viele Fenster zählte, als das Jahr СКАЧАТЬ