Название: Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen
Автор: Ludwig Bechstein
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742749215
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denn es war Winterzeit. Da sah er ein greulich Ding
auf sich loskommen und simulierte aus, das möge
wohl gar der Osschaert sein, wich ihm aus – sprang
etwas hastig neben den Weg auf eine Wiese. Das
Ding sah ihm nach und verschwand. Wie der Gärtner
von der Wiese wieder auf die Heerstraße lenken wollte,
fand er sich abgeschnitten und zwischen lauter
Wassergräben, die in Holland das Allerhäufigste sind,
was dort zu finden. Nun hatte aber der gute Mann
Eile und war ihm gar nicht einerlei, daß er zwischen
den Kanälen von einem zum andern irrte und doch
über keinen hinwegkommen konnte, denn sie waren
alle zu breit, und wie tief sie waren, das konnte man
so eigentlich nicht wissen, gerade wie jener gute
Schulrat bei einer Schulmeisteramtskandidatenprüfung
sagte, als er die Frage nach der Höhe des Berges
Sinai zur Beantwortung aufstellte und neben denen,
die sie nicht beantworten konnten, er sie selbst auch
nicht beantworten konnte: Man kann es so eigentlich
nicht wissen. Da wurde dem alten Gärtner das Ding
zu bunt, und er tat den Mund auf und tat einen Fluch,
daß der Schnee sich erschrak, der auf den Baumästen
lag, und herunterfiel. Da plumpste ihm aber gleich
eine schwere Last auf den Rücken und spornte ihn,
wie ein Reiter sein Roß, nach dem breitesten der Gräben
hin und trieb ihn hinein, nolens volens, da half
kein Zittern vor dem Froste. Und siehe als der Mann
in den breiten Graben trabte, da machte er keinen
Schuh naß, denn der Graben war gar kein Graben,
sondern die salztrockne Heerstraße, aber seinen
Aufhuck, o den behielt er und mußt' ihn noch eine
gute Viertelstunde tragen und Lastgaul, wo nicht -esel
sein, bis ihm eine Bäuerin begegnete, die eine Kiepe
(Tragkorb) von Weidengeflecht trug, da hopste der
Osschaert hinein, und jenem ward es leicht, der Frau
aber schwer; sie wußte gar nicht, was sie auf einmal
so Schweres trug, und stand und nahm den Korb ab
und giekte hinein. Da flog ihr eine Fledermaus ins
Gesicht aus dem Korbe, und sie tat einen Schrei, und
die Fledermaus wurde so groß wie ein Mondkalb und
lachte, daß es durch Mark und Bein drang.
150. Die Mahr
Was in andern deutschen Landen der Alp heißt oder
die Trud, die grausen Nachtspuke, die die Menschen
quälen, das ist in Holland und den Niederlanden die
Mahr. Aber die Sagen von ihr sind häufiger und viel
fürchterlicher als im innern Deutschland. Die Mahr ist
nicht eigentlich ein Gespenst, sie ist eine dämonische
Qual, von Menschen gegen Menschen verübt. Wer
eine Mahr ist, deren Seele zieht aus, andere zu peinigen,
zu reiten, wie der richtige Volksausdruck ist, und
es ist das Sprüchwort: Reitet dich die Mahr! nicht viel
anders zu verstehen als das: Reitet dich der Teufel!
Absonderlich üben böse Hexenweiber das teuflische
Mahrreiten. Zu Harlem ist's in einem reichen Hause
geschehen, daß ein Mädchen unversehens in der
Schlafkammer eines Knaben nackt am Boden liegend
gefunden ward, neben ihr ein Besenstock, und das
Mädchen schrie und jammerte. Als es gefragt wurde,
bekannte es: Ich wachte in der Nacht, sah, wie meine
Mutter aufstand, sich auszog, mit einer Salbe sich
strich, einen Stock nahm und darauf zum Fenster hinausritt.
Da stieg ich auch auf, holte auch einen
Besenstock, strich mich auch mit der Salbe, fuhr auch
aus dem Fenster, da kam ich über dieses Haus, ward
hier hereingeführt, da lag meine Mutter auf des Kna-
ben Brust gleich einer Mahr. Ich schrie laut vor
Schreck: Jesus Maria!, da fuhr alsbald meine Mutter
auf und mit geballten Fäusten an mir vorbei durchs
Fenster fort.
Als das Mädchen solches erzählt, wurde die Hexe
verhaftet und gestand, daß sie in jeder Nacht da oder
dort die Leute als Mahr gequält, und wurde verbrannt
zur gerechten Strafe.
Bei Vilforde fanden Schnitter ein Weibsbild liegen,
die lag wie tot, doch war sie nicht kalt wie eine Tote,
aber sie atmete auch nicht wie eine Schlafende. Ein
Hirte, den die Schnitter herbeiriefen, sprach: Das ist
eine Mahr, die ist ausgezogen, einen andern zu quälen.
Die Schnitter wollten's gar nicht glauben, aber
der Hirte sagte: Harret nur, ihr sollt Wunder sehen!
Und neigte sich zu der Liegenden und flüsterte ihr ein
paar Worte ins Ohr, da kam ein klein Tierchen, fingerslang,
weither gelaufen, blitzgeschwind, das kroch