Название: Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen
Автор: Ludwig Bechstein
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742749215
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den Klausner an und hob die Peitsche hoch gegen ihn
auf. Aber die aufgehobene Rechte fiel nicht mehr zum
Schlage nieder. – Nacht ward es plötzlich – der
Klausner und die Hütte, der Hirsch und die Hunde,
die Jäger und die Knechte – alles schwand, und des
Wild- und Rheingrafen keuchendes Roß brach zusam-
men. Und da zuckte ein Blitz, und da fuhr des Teufels
Faust riesengroß aus der Erde und drehte dem wilden
Jäger den Hals um, und eine Stimme donnerte: Jage
so fort, bis an der Welt Ende! – Und also geschieht
es, wie viele viele Sagen melden, daß von Zeit zu Zeit
die wilde Jagd durch die Lüfte und über Felder und
Wälder fährt mit gräßlichem Geschrei, mit dem Kliffen
und Klaffen der Hunde, mit gespenstischem Wild,
und der wilde Jäger selbst als Wild gehetzt vom wilden
Heere der Hölle.
82. Spanheims Gründung
Es war vordessen ein Graf von Vianden und Ravenzierburg,
der liebte eine Gräfin des Nahegaues, welche
eine Witwe war, und auch sie war ihm als dem
zweiten Bewerber um ihre Hand nicht abhold – aber
der Graf hatte in einer Fehde einen nahen Verwandten
der Gräfin erschlagen, und so konnte und mochte sie
ihm, schon der Verwandtschaft wegen, die Hand zum
Ehebunde nicht so bald reichen, sondern band die Erfüllung
seines Wunsches an eine Bedingung, welche
Zeit vergönnte, jenen Fehdehandel mehr in Vergessenheit
kommen zu lassen. Sie sprach zum Grafen
von Vianden, er möge zur Sühne des Erschlagenen
eine Pilgrimfahrt in das Heilige Land antreten und
von dort ihr ein Zeichen von den heiligen Orten mitbringen,
das geweiht und beglaubigt sei, daran werde
sie seine aufrichtige Liebe und den Willen des Himmels
zugleich erkennen. – Der Graf schied vom Heimatlande,
und es währte wohl über Jahr und Tag,
bevor er an die Rückkehr denken konnte. Er kämpfte
gegen die Ungläubigen, betete an allen heiligen Orten
und erwarb, sein Gelübde zu lösen, auch einen Span
vom Kreuze des Herrn, dessen Echtheit der Patriarch
von Jerusalem durch einen Pergamentbrief mit bleiernem
Siegel beglaubigte. Der Graf von Vianden war
sehr glücklich, einen so werten Schatz zu besitzen,
und ließ eine kleine goldene Truhe anfertigen, besetzt
mit Edelgesteinen und sehr kunstvoll, und in getriebenem
Golde den Namen der Herrin, der er diente, auf
dem Deckel der Truhe anbringen. Darauf schickte
sich der Graf zur Heimreise an, voll Hoffnung auf
endliches Glück. Aber das Geschick zeigte sich ungünstig.
Auf der weiten Meerfahrt von Palästina nach
den Küsten Italiens erhob sich ein furchtbarer Sturm,
welcher das Schiff zu scheitern brachte, kaum daß die
Mannschaft das nackte Leben davonbrachte. Alle
Habe des Grafen und auch jenes wertvolle Kästchen
verschlangen die Wogen des Adriatischen Meeres. –
Arm und gebeugten Geistes, bekümmerten Herzens,
ein bettelnder Pilgrim, durchreiste der Graf die Gauen
Welschlands und Deutschlands, und so kam er auf
seinen Heimatburgen wieder an, wo er zwar des Gutes
und Geldes genug fand, allein nichts, was seinen Verlust
hätte ersetzen können. Betrübt suchte er die Gräfin
auf, sie hieß ihn freudig willkommen, er fand sie
schöner und liebenswürdiger als je vorher, das
schmerzte ihn um so tiefer, und er sprach: Frau Gräfin,
Ihr seht mich mit leerer Hand Euch wieder nahen.
Ich hatte ein kostbares Reliquienstück, einen echten
Span vom Kreuze unsers Herrn, wohlbewahrt in köstlichem
Schrein, für Euch vom Heiligen Lande mitgebracht.
Ein Sturm, der unser Schiff scheitern ließ,
raubte mir alle meine fahrende Habe und auch jenes
Kleinod, das für Euch bestimmt war, das mein Glück
an Eurer Hand begründen sollte. –
Armer Graf, sprach die Gräfin, und ihre Augen
strahlten ihn liebereich und minniglich an, so bringt
Ihr vom Kreuze des Herrn keinen Span heim? War
denn vielleicht auf dem Kästchen, das Euch der Meersturm
raubte, mein Name zu lesen?
Der Graf hörte ganz erstaunt diese Worte, er glaubte
zu träumen und rief: Beim Kreuze des Heilands,
Frau Gräfin, wie könnt Ihr wissen? –
Gottes Hand, der Heiligen Fügung! antwortete
ernst und liebreich die Gräfin, erschloß einen Schrein,
nahm aus diesem des Grafen goldne Truhe und hielt
sie dem Staunenden unter die Augen. Heute in der
Morgenstunde hat es an mein Burgtor geklopft, wie