Название: Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen
Автор: Ludwig Bechstein
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742749215
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Heimat zu. Da sie noch zwei Tagereisen von Metz
waren, sprach Florentina: Mein lieber Wandergesell,
nunmehr gehen unsere Wege voneinander. Gib mir
dafür, daß ich dich befreit, doch auch etwas zum An-
denken. – Was soll ich dir geben, der ich so viel wie
nichts habe? fragte der befreite Ritter. – Du hast ein
sonderbares Hemde an, von dessen Wunder habe ich
im Heidenlande reden hören, schneide mir ein Stück
heraus, damit ich auf meiner Pilgerschaft auch andern
von dem Wunder singen und sagen kann. – Weil du
es bist und ich so großen Dank dir schuldig geworden,
sprach der Ritter, so will ich's tun, keinem anderen
auf der Welt gäbe ich vom Hemde, das mir meiner
Frauen Reine und tugendsame Zucht so wunderbar
verbrieft. – Schnitt ihm also ein Stücklein, nicht gar
groß, aus dem Hemde heraus und schied so dankend
von dem Pilgrim. Florentina eilte ihrem Gatten
schnell voraus nach Metz, legte ihre Frauenkleidung
wieder an, und als er nun, einen ganzen Tag später
wie sie, daheim ankam, empfing sie ihn mit herzlicher
Liebkosung und Freude, des ward er sehr glücklich.
Als aber nun der heimgekehrte Ritter allmählich seine
Freunde wieder sah, da merkte er an ihrem sondern
Wesen, daß sie etwas Heimliches gegen ihn auf den
Herzen hatten, und endlich sagte ihm einer: Mich
nimmt viel Wunders, daß du dein Weib wieder daheim
funden hast, sie muß deine Heimkunft gerochen
haben. Ein fremder Mann war oft und lange bei ihr,
und endlich ist sie ihm nachgefahren und zwölf Monate
außen blieben und nur kurz vor dir wiederkommen.
– Da ward der Ritter sehr zornig, lud seine
Freunde und Verwandten zu einem Mahl und fragte
dann dabei sein Weib öffentlich, warum sie so untümlich
lange Zeit ihr Haus verlassen, und wo sie denn in
der Welt herumgereist sei nach fahrender Fräulein
Art. – Da stund die getreue Florentina schweigend
vom Tische auf, ging in das Zimmer nebenan und
kam als Pilgrim mit der Harfe wieder und reichte ihm
das Stücklein Leinwand aus seinem Hemd. Da hob
der Ritter seine Hände auf und rief: Vergib, du
Himmlische, du Reine! Du befreitest mich aus Sklavenbanden,
aus dem Joche am Pfluge, und fiel ihr
weinend um den Hals und bat sie um Verzeihung, und
jede Anklage verstummte auf immerdar.
88. Triers Alter
Trier und Solothurn sollen die ältesten Städte in Europa
sein. Eintausendunddreihundert Jahre vor Christus
habe Trier schon gestanden, wie alte Reimverse aussagen,
ja Trier war lange die zweitgrößeste Stadt in
der alten Welt, Rom die erste, und die Alten nannten
es das reichste Trier, das beglückteste Trier, das
ruhmwürdigste, das ausgezeichnete Trier – und dies
schon zur Römerzeit, und zur Zeit des deutschen Mittelalters
war Trier des Christentums Wiege, das zweite,
das deutsche Rom. Triers frühe Kulturblüte brachen
zuerst die Gallier durch eine dreimalige Verheerung
und schufen aus der Stadt nur einen großen Totenhof.
Dennoch verlangten einige dem Verderben
entgangene Nobili noch blutige Zirkusspiele, wie sie
in Rom stattfanden zur Zeit des tiefsten Sittenverfalles
dieser Weltstadt. Die Astrologen nannten übrigens
das Triersche Gebiet die Planetengasse, weil es dort
so überaus häufig regnen soll. Man sagt auch von
einem See in diesem Gebiete, darin sich zuzeiten ein
wunderbarer Fisch soll sehen lassen, und wenn dies
geschehe, bedeute es voranzeigend den Todesfall des
jedesmaligen Landesherrn. Das schönste unter den
vielen Baudenkmalen uralter Zeit ist der Dom zu
Trier; lange zeigte man in ihm ein Horn, das die Ein-
wohner die Teufelskralle nannten, und erzählten, der
Erbauer des Doms habe allein nicht zustande kommen
können und den Teufel zu Hülfe genommen und diesen
überlistet, da habe der Teufel in seiner Wut die
Altäre umreißen wollen, es sei ihm aber nicht gelungen,
und habe er noch dazu eine Kralle lassen müssen.
Im Dom zu Trier wird auch der ungenähte heilige
Rock aufbewahrt, den Christus der Herr getragen
haben soll, und um den die Kriegsknechte gewürfelt,
weil er zu schön, als daß sie ihn hätten zerschneiden
mögen. Es ist ein Mannsrock mit langen Ärmeln, aus
zartem Linnenstoff, aus subtilen Fäden buntfarbig gewirkt.
Die heilige Helena war es, welche diesen Rock
mit einem Stücke des heiligen Kreuzes und einem
Nagel, mit welchem Christus СКАЧАТЬ