Название: Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen
Автор: Ludwig Bechstein
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742749215
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fauchte ihn mit weitaufgesperrtem Rachen an und
drohte ihn zu verschlingen mit Haut und Haar – da
sah er die Gestalt seiner Tochter, die winkte den Drachen
hinweg und blickte gar wehmutvoll auf den
Brömser und verschwand.
Am Morgen aber kam des Brömsers Ackerknecht
und sagte an, wie er in aller Frühe mit dem Pflug und
den Stieren zu Acker gezogen sei, habe er eine klagende
Stimme vernommen, die immerfort gerufen:
Not Gottes! Not Gottes! Und die Stiere hätten nicht
anziehen wollen, sondern immer am Boden gescharrt.
Sogleich begab sich Ritter Brömser selbst hinaus auf
das Ackerfeld, und da vernahm er dieselbe wehklagende
Stimme: Not Gottes! Not Gottes!, die ganz in
der Nähe von der Stelle drang, wo die Ochsen standen
und scharrten, und zwar kam die Stimme aus einem
hohlen Baume. Der Ritter rief und suchte, aber er entdeckte
nichts, da ließ er den Baum spalten, und da
entdeckte sich innen am Boden des hohlen Stammes
eine Monstranz mit dem heiligen Leib und ein hölzernes
Bild des Schmerzensmannes. Als diese Kleinode
dem Baum entnommen waren, schwieg die Stimme,
und die Stiere waren ruhig. Ein Jude hatte beide heiligen
Stücke aus einer nahen Kirche entwendet und
allda verborgen. Das erinnerte nun den Brömser stark
an die Erfüllung seines Gelübdes; er gründete ein
Kloster, ließ an des hohlen Baumes Stelle den Altar
aufrichten und stellte das Christusbild darauf, und geschahen
zu dem Kloster, das Zur Not Gottes genannt
ward, und zu dem Bilde viele Wallfahrten rheinab
und -auf, daß öfters an einem Tage sechzehntausend
andächtige Waller da waren, und das Bild tat vordem
große Wunder.
74. Räderberg
Auf dem Räderberge ohnweit Nassau soll vorzeiten
ein Kloster gestanden haben, davon man noch einige
Trümmer sieht, aber niemand wisse, wes Ordens.
Einst ging ein Metzger aus Nassau gegen Abend aus,
Vieh einzukaufen, und wandelte auf der Landstraße
dahin, da fuhr vor ihm her eine Kutsche, und er folgte
ihr immer nach und hatte des Weges weiter nicht acht.
Auf einmal da hält die Kutsche vor einem großen
schönen Landhaus, das dicht an der Straße steht, das
aber der Metzger sich nicht entsinnen kann je gesehen
zu haben, sooft er auch des Weges schon gekommen.
Das Haus war hell erleuchtet, und aus der Kutsche
sah der Metzger drei Mönche steigen, welche in das
Haus hineingingen, und da er vermeinte, es sei das
Haus ein Gasthaus, so folgte er ihnen ebenfalls nach,
um des Hauses Gelegenheit zu erkunden und vielleicht
da Herberge zu suchen. Er sah die Mönche in
ein Zimmer gehen, wo ein Sterbender zu liegen
schien, der ihrer harrte, um die Sterbesakramente zu
empfangen, und dann trat er in einen großen Speisesaal,
wo, so schien es ihm, viele Gäste beisammensaßen,
aßen und ziemlich lärmend zechten. Als der
Metzger eintrat, verstummten alle – aber der obenan
Sitzende erhob sich und brachte dem Metzger einen
Becher dar mit den Worten: Noch einen Tag! – Dem
Metzger überlief es kalt bei der Stimme, die er hörte,
und aller Durst verging ihm – da erhob sich ein Zweiter,
trat an ihn heran, gleich wie jener, bot ihm einen
Becher zum Trinken und sagte auch: Noch ein Tag! –
aber der Metzger dankte. Da erhob ein Dritter sich,
kam und sagte: Und noch ein Tag! Jetzt trank der
Metzger und tat Bescheid, um nicht unhöflich zu erscheinen
– als ein Vierter auf ihn zukam und ihm in
gleicher Weise anbieten zu wollen schien. Da wurde
es dem Metzger ganz unheimlich, und schlug ein
Kreuz vor sich hin – und plötzlich war alles hinweg,
er stand in tiefer Nacht ganz mutterseelenallein und
wußte nicht, wo er war, um ihn war Waldgestrüpp
und Ruinengemäuer. Zitternd und bebend erharrte der
Metzger an der wüsten Stätte den Morgen, und als
dieser anbrach, nahm jener wahr, daß er auf dem Räderberg
sei, von der Landstraße weit, weit abgekommen,
mitten in den Trümmern des verfallenen Klosters.
Auf unbegangenem steinigen Wege fand der
Metzger sich zurück, unterließ seinen Geschäftsgang,
ging vielmehr zum Pfarrer und entdeckte ihm, was
ihm geschehen war. Genau nach drei Tagen war der
Metzger tot.
75. Die Wisperstimme
Ohnweit Lorch am Rhein liegt eine Mühle im Wispertale