Название: Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen
Автор: Ludwig Bechstein
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742749215
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in dieses Gotteshaus? Wie dürft' ich das Sakrament
des Altars, das heilige Meßopfer, vollziehen? –
Und so betörte er Karls Sinn mit dem Trug der Hölle,
und las die Messe, und reichte ihm die gebenedeite
Hostie, und mit der Hostie fuhr er in ihn und besaß
ihn.
Da nun die Reichsversammlung war, redete Karl
unsinnig in ihr, riß sich das Wehrgehenk von der
Seite, schleuderte es samt dem Schwerte mitten in den
Saal, riß den Gürtel sich ab und die Gewande vom
Leibe und ward heftig hin und her gerüttelt, so daß
alle Anwesenden sich entsetzten. Die Bischöfe aber
ergriffen den vom bösen Feind Besessenen und führten
ihn in die Kapelle, und der Erzbischof begann die
Messe über ihn zu singen. Da begann Karl laut zu
klagen und Weh über Weh zu schreien in einem fort,
bis die Messe zu Ende war, aber die Priester ließen
nicht ab mit Gebet, bis der Feind wieder von dem Königssohne
wich und Karl durch Gottes Barmherzigkeit
geheilt ward. Hielt also König Ludwig gar eine
trübe Weihnacht zu Frankfurt. Aber was des Teufels
Bosheit des Königs Sohn eingeflüstert, erfüllte sich
später dennoch, denn Karlmann und Ludwig starben
beide vor ihm, und Karl erhielt des Deutschen Reiches
Krone, wenn auch nur auf kurze Zeit, denn er fiel
in Schwermut und gab sich ganz in die Hände der
Pfaffen. Da entsetzten ihn die Fürsten des Reiches
und gaben das an Arnulf, einen natürlichen Sohn seines
Bruders Karlmann.
69. Vom Eschenheimer Turm
Zu Frankfurt steht noch gar ein alter Turm von der
ehemaligen Stadtmauer. Einst hatten die Frankfurter
einen Wilddieb gefangen, des Name war Hänsel Winkelsee,
und der saß schon neun Tage im finstern Loch,
ehe Spruch und Urteil über ihn erging, und hörte allnächtlich
die Wetterfahne kreischen und rasaunen
über seinem luftigen Losament hoch oben im Eschenheimer
Turme und sprach: Wär' ich frei, und dürft' ich
schießen nach meinem Wohlgefallen, so schöß' ich
dir, du lausige Fahn' – so viel Löcher durchs Blech,
als Nächt' ich hier gesessen hab'. – Diese Rede hörte
der Kerkermeister und trug sie vor den Stadtschultheißen
der freien Stadt, und dieser sagte: Dem Kerl gehört
keine Gnad' als der lichte Galgen; wenn er aber
so ein gar guter Schütz sein will, so wollen wir ihm
sein Glück probiere lasse. – Und da ward dem Winkelsee
seine Büchse gegeben und gesagt, nun solle er
tun, wes er sich vermessen: wenn er das könne, solle
er frei von dannen gehen, wenn aber auch nur eine
Kugel fehl gehe, so müsse er baumeln, und da krähe
kein Hahn nach ihm. Da hat der Wildschütz seine
Büchse genommen, und hat sie besprochen mit guten
Weidmannssprüchlein, und hat Kugeln genommen,
die auch nicht ohne waren, und hat angelegt und nach
der Fahne gezielt, und hat losgedrückt. Da saß ein
Löchlein im Blech, und alles hat gelacht und bravo
gerufen. Und nun noch achtmal so, und jede Kugel an
die richtige Stelle, und mit dem neunten Schuß war
der Neuner fertig, der heute noch in der Fahne auf
dem Eschenheimer Turm zu sehen ist, und war ein
großes Hallo um den Schützen her. Der Stadtrat aber
dachte bei sich: O weh, unsere armen Hirsche und
sonstiges Wild, wenn dieser Scharfschütze und Gaudieb
wieder hinaus in die Wälder kommt – und beriet
sich, und der Stadtschultheiß sagte: Höre, Hänsel, daß
du gut schießen kannst, haben wir schon lange an gemeiner
Stadt Wildstand verspürt und jetzt auch deine
Kunst mit Augen gesehen. Bleibe bei uns, du sollst
Schützenhauptmann bei unserer Bürgerwehr werden.
– Aber der Hänsel sprach: Mit Gunst, werte Herren,
ins Blech hab' ich geschossen, und schieß euch
auch auf euern Schützenhauptmann. Eure Dachfahnen
trillen mir zu sehr, und euer Hahn kräht mir zu wenig.
Mich seht ihr nimmer, und mich fangt ihr nimmer!
Dank für die Herberge! – Und nahm seine Büchse
und ging trutziglich von dannen. Mit dem Hahn hatte
der Hänsel aber nur einen Spott ausgeredet, er meinte
das Frankfurter Wahrzeichen, den übergüldeten Hahn
mitten auf der Sachsenhäuser Brücke, die der Teufel
hatte fertig bauen helfen. Denn als sie der Baumeister
nicht fertig brachte, rief er den Teufel zu Hülfe und
versprach ihm die erste Seele, die darüberlaufen
werde, und jagte dann in der Frühe zu allererst einen