Название: Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen
Автор: Ludwig Bechstein
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742749215
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Tage verbreitete sich die Kunde, daß ihr sonstiges
Vermögen, das sie einem reichen Handelshause anvertraut
hatte, durch den Fall dieses Hauses verloren
sei. Am vierten Tage wurde aus ihrem Ziehbrunnen
ein Seefisch, eine Bütte, herausgezogen, niemand
wußte, wie dieser Fisch in den süßen Brunnen kam;
als der Fisch geschlachtet wurde, fand sich in seinem
Eingeweide – der Ring, den die Jungfrau mit freveln-
dem Ausruf in das Meer geworfen hatte.
Noch ein Jahr verging, da sah man das vordem so
stolze Weib betteln gehen von Haus zu Haus und auf
dem Felde Ähren lesen, um sein elendes Leben zu fristen.
Auch dieses Zeichen der Warnung, das der Herr
tat, irrte die Einwohner von Stavoren nicht, ihr Leben
fortzusetzen, obschon die Stadt durch den versperrten
Hafen zu verarmen begann. Da geschah es mit einem
Male, daß man in allen Ziehbrunnen Bütten und
Schellfische und Heringe fing, daß das Wasser stieg
und das Land sank, und mehr als drei Vierteile der
reichen Stadt verschlang die Flut, die fort und fort am
Lande nagt, und aller Segen war hinweg, und der Rest
der Stadt verarmte mehr und mehr.
160. Die sieben Meerminnen
Ein friesischer Schiffer hatte sein Schiff gerüstet zu
weiter Fahrt, und stand am Bord, und hob die Hand,
und gelobte sich dem Meere. Es solle das Meer ihm
schirmen und schonen sein Schiff und seine Ladung,
so wolle er auch ihm getreu sein all sein Leben lang
und nimmer an das Land begehren zu längerm Verweilen.
Da hoben sieben Meerminnen ihre Leiber
halb aus der Flut, und hörten seinen Schwur, und nahmen
ihn, und tauchten wieder in die Tiefe nieder.
Lange fuhr der Schiffer von Meere zu Meere, von
Lande zu Lande, und sein Reichtum mehrte sich, aber
er konnte dessen auf dem Schiffe nicht froh werden,
ihn nicht genießen, und allmählich kam doch ein Sehnen
in sein Herz nach dem Lande. Und da kam sein
Schiff einst an einen blumenreichen Strand voll Reiz
und blühender Gärten, und er sah eine wunderholde
Jungfrau wandeln, die sein Herz gewann, und er gewann
bald auch das ihre, freite um sie, verkaufte sein
Schiff, erbaute ein herrliches Haus am Strande,
schmückte es aus mit seinen Schätzen wie ein Königsschloß,
und dahinein führte er seine Erkorene als
liebe Braut. Aber siehe, in der Nacht, als der Schiffer
im Arme seiner Liebsten ruhte, da hoben sich die sieben
Meerminnen aus der See nahe dem Ufer an des
Schiffers Palast und sangen ein entsetzlich Lied, und
es rollte ein Wellenberg heran, der übersprang das
Ufer und stieß ans Haus, da bebte das Haus in seinen
Fugen; dem sprang ein zweiter nach, der brach die
Türen ein und rauschte in die Flur, und ein dritter, der
brach durch die untern Fenster, und ein vierter, der
brach oben durch, und ein fünfter, der riß den Schiffer
hinweg, und ein sechster, der fing den Schiffer auf
und warf ihn im Zurückbranden in die wildwogende
schaumspritzende See. Da empfingen die Meerminnen
den Schiffer und führten ihn tief hinab zum Grunde.
Dort muß er wohnen, von dort springt er mit den
Wellen im Maimond herauf nach seinem zerstörten
Hause und will sein Lieb retten, aber immer ziehen
ihn die Meerminnen wieder zurück.
Kapitel 8
161. Der Friesen Bekehrung
Nach Friesland kam der heilige Wolfram, der wurde
des Volkes und Landes erster Apostel. Ein Traumgesicht
hatte ihm offenbart, daß er das werden solle, und
so kam er zum Hofe des Friesenherzogs, der hieß
Radbot, und wie der Heilige kam, da sollte dem Götzen
nach der heidnischen Landessitte eben wieder ein
Opfer durch den Strang gebracht werden, ein durch
das Los erwählter Knabe des Namens Occo. Da bat
Wolfram für den Knaben und um dessen Leben im
Namen seines Gottes und Heilandes bei Herzog Radbot,
und Radbot sprach: Siehe, ob dein Christus ihn
vom Tode erretten kann, dann soll er dein sein. – Wie
nun der Knabe zum Strange geführt und aufgeknüpft
ward, da betete Wolfram, und da riß der Strang, der
Knabe fiel zur Erde und wandelte unversehrt, und
Wolfram taufte ihn. Da erkannte Radbot die Macht
des Heilandes und dachte, sich auch zum Christenglauben
zu bekehren. Ehe Radbot aber dazu schritt,
erschien ihm in der Nacht der Teufel in Engelsgestalt