Название: Die schönsten Sagen des klassischen Altertums - Zweiter Teil
Автор: Gustav Schwab
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742772916
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landeten mit seinen härtesten Stürmen vorüber war. Darauf belehrte er sie über die Lage der Stadt
Troja und über den Weg, den sie dahin zu machen hätten, und bezeichnete ihnen als einzigen
Landungsplatz die Mündung des Flusses Skamander.
Paris zurückgekehrt
Obgleich in Troja noch nichts von der Abfahrt der großen griechischen Flotte bekannt war, herrschte
doch seit der Abreise der griechischen Gesandten Schrecken und Furcht vor dem bevorstehenden
Kriege in dieser Stadt. Paris war inzwischen mit der geraubten Fürstin, der herrlichen Beute und
seiner ganzen Flotte zurückgekommen. Der König Priamos sah die unerbetene Schwiegertochter
nicht mit Freuden in seinen Palast eintreten und versammelte auf der Stelle seine zahlreichen Söhne
zu einer Fürstenversammlung. Diese ließen sich durch den Glanz der Schätze, die ihr Bruder unter sie
zu verteilen bereit war, und die Schönheit der Griechinnen aus den edelsten Fürstengeschlechtern,
welche er im Gefolge Helenas mitgebracht und denjenigen seiner Brüder, die noch keine Frauen
hatten, zur Ehe zu geben bereit war, leicht betören; und weil ihrer viele noch jung und alle
kampflustig waren, so fiel die Beratung dahin aus, daß die Fremde in den Schutz des Königshauses
aufgenommen und den Griechen nicht ausgeliefert werden sollte. Ganz anders hatte freilich das Volk
der Stadt, dem vor einem feindlichen Angriff und einer Belagerung gar bange war, die Ankunft des
Königssohnes und seinen schönen Raub aufgenommen; mancher Fluch hatte ihn durch die Straßen
verfolgt, und hier und da war selbst ein Stein nach ihm geflogen, als er die erbeutete Gemahlin in des
Vaters Palast geleitete. Doch hielt die Ehrfurcht vor dem alten König und seinem Willen die Trojaner
ab, sich der Aufnahme der neuen Bürgerin ernstlich zu widersetzen.
Als nun im Rate des Priamos der Beschluß gefaßt war, die Fürstin nicht zu verstoßen, sandte der
König seine eigene Gemahlin zu ihr in das Frauengemach, um sich zu überzeugen, daß sie freiwillig
mit Paris nach Troja gekommen sei. Da erklärte Helena, daß sie durch ihre eigene Abstammung den
Trojanern ebensosehr angehöre als den Griechen: denn Danaos und Agenor seien ebensowohl ihre
eigenen Stammväter als die Stammhalter des trojanischen Königshauses. Unfreiwillig geraubt, sei sie
jetzt doch durch langen Besitz und innige Liebe an ihren neuen Gemahl gefesselt und freiwillig die
Seinige. Nach dem, was geschehen, könne sie von ihrem vorigen Gatten und ihrem Volke keine
Verzeihung erwarten; nur Schande und Tod stände ihr bevor, wenn sie ausgeliefert würde.
So sprach sie mit einem Strom von Tränen und warf sich der Königin Hekabe zu Füßen, welche die
Schutzflehende liebreich aufrichtete und ihr den Willen des Königes und seiner Söhne verkündete,
sie gegen jeden Angriff zu schirmen.
Die Griechen vor Troja
So lebte denn Helena ungefährdet am Königshofe von Troja und bezog darauf mit Paris einen
eigenen Palast. Auch das Volk gewöhnte sich bald an ihre Lieblichkeit und griechische Holdseligkeit,
und als nun endlich die fremde Flotte wirklich an der trojanischen Küste erschien, waren die
Einwohner der Stadt minder verzagt denn zuvor.
Sie zählten ihre Bürger und ihre Bundesgenossen, die sie schon vorher beschickt und deren
wirksamer Hilfe sie sich versichert hatten, und sie fanden sich an Zahl und Kraft ihrer Helden und
Streiter den Griechen gewachsen. So hofften sie mit dem Schutze der Himmlischen ‐ denn außer
Aphrodite waren noch mehrere Götter, darunter der Kriegsgott, Apollo, und Zeus, der Vater der
Olympischen selbst, auf ihrer Seite ‐ die Belagerung ihrer Stadt abtreiben und die Feinde zum
schnellen Rückzuge nötigen zu können.
Zwar war ihr Anführer, König Priamos selbst, ein nicht mehr kampffähiger Greis, aber fünfzig Söhne,
worunter neunzehn von seiner Gattin, der Königin Hekabe, umringten ihn teils im blühenden, teils im
kräftigsten Alter, vor allen Hektor, nächst ihm Deïphobos und nach diesen als die ausgezeichnetsten
Helenos, der Wahrsager, Pammon, Polites, Antiphos, Hipponoos und der zarte Troilos. Vier liebliche
Töchter, Krëusa, Laodike, Kassandra und die in der Kindheit schon von Schönheit strahlende Polyxena
umgaben seinen Thron. Dem Heere, das sich jetzt streitfertig machte, stand als Oberfeldherr Hektor,
der helmumflatterte Held, vor; neben ihm befehligte die Dardaner Äneas, der Schwiegersohn des
Königes Priamos und Gemahl Krëusas, ein Sohn der Göttin Aphrodite und des greisen Helden
Anchises, der noch immer ein Stolz des trojanischen Volkes war; an die Spitze einer andern Schar
stellte sich Pandaros, der Sohn des Lykaon, dem Apollo selbst seinen Bogen verliehen hatte; andere
Scharen, zum Teil trojanischer Hilfsvölker, führten Adrastos, Amphios, Asios, Hippothoos, Pylaios,
Akamas, Euphemos, Pyraichmes, Pylaimenes, Hodios, Epistrophos; Chromis und Ennomos eine
Hilfsschar von Mysiern; Phorkys und Askanios eine gleiche der Phryger, Mesthles und Antiphos die
Mäonier, Nastes und Amphimachos die Karier, die Lykier Sarpedon und Glaukos.
Auch die Griechen hatten inzwischen gelandet und sich längs dem Gestade des Meeres zwischen den
beiden Vorgebirgen Sigeion und Rhöteion in einem geräumigen Lagerplatz angesiedelt, der einer
ordentlichen Stadt nicht unähnlich war. Die Fahrzeuge waren ans Land gezogen worden und in
mehreren Reihen hintereinander aufgestellt, so daß sie sich, weil der Boden des Ufers aufwärts ging,
stufenförmig übereinander erhoben. Die Schiffszüge der einzelnen Völkerschaften reihten sich in der
Ordnung aneinander, wie sie gelandet. Die Schiffe selbst waren auf Unterlagen von Steinen