Название: Die schönsten Sagen des klassischen Altertums - Zweiter Teil
Автор: Gustav Schwab
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783742772916
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Versteck angekommen, als die Griechen, aus dem ersten Treffen mit den Trojanern als Sieger
zurückgekehrt, ihrem gefallenen Helden die letzte Ehre erwiesen. Während sie sorglos und nicht in
der vollen Waffenrüstung um den Scheiterhaufen geschart standen, sahen sie sich plötzlich von
Streitwagen und Bewaffneten umringt, und ehe sie sich nur besinnen konnten, ob der Boden die
Streiter ausgespien habe oder woher sie sonst erschienen seien, hatte Kyknos mit seiner
Heeresmacht ein furchtbares Blutbad unter den Griechen angerichtet.
Doch war nur ein Teil der Argiver bei der Leichenfeier des Protesilaos beschäftigt und zugegen. Die
andern bei den Schiffen und in den Lagerhütten waren ihren Waffen näher und eilten, den Peliden
Achill an der Spitze, den Ihrigen bald in voller Rüstung und in geschlossenen Kriegsreihen zu Hilfe. Ihr
Anführer selbst stand auf dem Streitwagen, schrecklich anzuschauen, und seine todbringende Lanze
traf mit ihrem Stoße bald diesen, bald jenen Kolonaier, bis er, in den Reihen der Schlacht nur den
Feldherrn der Fremdlinge suchend, diesen im fernen Kampfgewühle an den gewaltigen Stößen
erkannte, die er, auch auf einem hohen Streitwagen stehend, rechts und links an die Griechen
austeilte. Dorthin lenkte der Held Achill seine schneeweißen Rosse, und als er nun dem Kyknos
gegenüber auf dem Wagen stand, rief er, die bebende Lanze mit nervigem Arme schwingend: »Wer
du auch seiest Jüngling! nimm diesen Trost mit in den Tod, daß du von dem Sohne der Göttin Thetis
getroffen worden!« Diesem Ausruf folgte sein Geschoß. Aber so sicher er die Lanze abgezielt hatte,
so rüttelte sie dem Sohne des Poseidon doch nur mit dumpfem Stoße an der Brust; und mit
staunendem Blicke maß der Pelide seinen unverwundlichen Gegner. »Wundre dich nicht, Sohn der
Göttin«, rief dieser ihm lächelnd zu; »nicht mein Helm, den du anzustaunen scheinst, oder mein
hohler Schild in der Linken halten die Stöße von meinem Leibe ab; vielmehr trage ich diese
Schutzwaffe als bloßen Zierat, wie auch wohl der Kriegsgott Ares zuweilen zum Scherze Waffen
anzulegen pflegt, deren er doch gewiß nicht bedarf, seinen Götterleib zu schirmen. Wenn ich alle
Bedeckung von mir werfe, so wirst du mir doch die Haut mit deinem Speere nicht ritzen können.
Wisse, daß ich am ganzen Leibe fest wie Eisen bin und daß es etwas heißt, nicht etwa der Sohn einer
Meernymphe zu sein, nein der geliebte Sohn dessen, der den Nereus und seinen Töchtern und allen
Meeren gebeut. Erfahre, daß du dem Sohne Poseidons selbst gegenüberstehst!« Mit diesen Worten
schleuderte er seinen Speer auf den Peliden und durchbohrte damit die Wölbung seines Schildes, so
daß derselbe durch das Erz und die neun ersten Stierhäute der göttlichen Waffe hindurchdrang: erst
in der zehnten Lage blieb das Wurfgeschoß stecken. Achill aber schüttelte den Speer aus dem Schilde
und sandte dafür den seinigen gegen den Göttersohn ab. Aber der Leib des Feindes blieb
unverwundet. Selbst das dritte Geschoß, das der Pelide absandte, blieb ohne Wirkung. Jetzt geriet
Achill in Wut wie ein Stier im Tiergefechte, dem ein rotes Tuch vorgehalten wird und der mit den
Hörnern in die Luft gestoßen hat. Noch einmal warf er die Lanze aus Eschenholz nach Kyknos, traf
diesen auch wirklich an der linken Schulter und jubelte laut auf; denn die Schulter war blutig. Doch
seine Freude war vergeblich, das Blut war nicht das Blut des Göttersohnes, es war der Blutstrahl des
Menötes, eines neben Kyknos fechtenden und von anderer Hand getroffenen feindlichen Helden.
Knirschend vor Wut, sprang jetzt Achill vom Wagen, eilte auf den Gegner zu und hieb mit gezücktem
Schwerte auf ihn ein; aber selbst der Stahl prallte stumpf an dem zu Eisen gehärteten Körper ab. Da
erhub Achill in der Verzweiflung den zehnhäutigen Schild und zerschlug dem unverwüstlichen Feinde,
ganz auf ihn eingedrungen, drei‐, viermal die Schläfe mit der Schildbuckel. Jetzt erst fing Kyknos an zu
weichen, und Nebel schwamm ihm vor den Augen; er wandte seine Schritte rückwärts, strauchelte
über einen Stein, darüber ergriff ihn Achill mit der Hand im Nacken und warf ihn vollends zu Boden.
Dann stemmte er sich mit Schild und Knien auf die Brust des Liegenden und schnürte dem Feinde mit
seinem eigenen Helmbande die Kehle zu.
Der Fall ihres göttlichen Führers nahm den Kolonaiern plötzlich den Mut; sie verließen den
Kampfplatz in wilder Flucht, und bald war von dem ganzen Überfalle nichts mehr zu sehen als die
vielen Leichen von Griechen und Barbaren, die auf dem Felde um den halbvollendeten Grabhügel des
Protesilaos zerstreut umherlagen und den um viele der Ihrigen trauernden Argivern neue Arbeit
machten.
Die Folge dieses Überfalls war, daß die Griechen in die Landschaft des erschlagenen Königes Kyknos
einfielen und aus der Hauptstadt Mentora die Kinder desselben als Beute hinwegführten. Dann
griffen sie das benachbarte Killa an, eroberten auch diese feste Stadt mit unermeßlicher Kriegsbeute
und kehrten so beladen zu ihrem wohlbewachten Schiffslager zurück.
Palamedes und sein Tod
Der einsichtsvollste Mann im griechischen Heere war Palamedes, tätig, weise, gerecht und standhaft;
von zarter Gestalt, des Gesanges und Leierspiels kundig. Seine Beredsamkeit hatte den Atriden die
meisten Fürsten Griechenlands für den Feldzug gegen Troja gestimmt, seine Klugheit selbst den Sohn
des Laërtes überlistet. Dadurch hatte er sich aber auch einen unversöhnlichen Feind in dem Heere
der Danaer erworben, der Tag und Nacht auf Rache sann und nur um so finsterer darüber brütete, je
mehr das Ansehen des verständigen Euböers unter den Fürsten zunahm. Nun wurde den Griechen
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