Название: Middlemarch
Автор: George Eliot
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783752988956
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»Es wäre doch denkbar, daß Jemand gute Gründe hätte, seine Meinung einmal zu ändern, ohne daß er ebenso gute Gründe fände, diesen Wechsel zu wiederholen,« bemerkte Lydgate, welchen die Entschiedenheit der alten Dame ergötzte.
»Bitte um Vergebung. Wenn Sie von Gründen reden, an denen fehlt es nie, wenn Einer seine Unbeständigkeit beschönigen will. Mein Vater hat seine Ansichten nie geändert; er hielt einfach moralische Predigten ohne Gründe und war ein braver Mann, wie es wenig bessere gibt. Zeigen Sie mir, wie man mit Gründen einen braven Mann zu Stande bringt, und ich will Ihnen ein gutes Mittagessen schaffen, indem ich Ihnen etwas aus dem Kochbuche vorlese. Das ist meine Ansicht von der Sache, und ich denke, alle Mägen werden dabei auf meiner Seite stehen.«
»In Betreff des Mittagessens sicherlich, Mutter,« bemerkte Farebrother.
»Was vom Mittagessen gilt, gilt auch von Männern. Ich bin beinahe siebenzig Jahre alt, Herr Lydgate, und ich rede aus Erfahrung. Ich werde schwerlich der Gefahr unterliegen, neuen Lehren zu folgen, obgleich hier daran so wenig Mangel ist wie anderswo. Ich sage Ihnen, diese neuen Lehren sind mit den gemischten Stoffen aufgekommen, die sich weder gut waschen noch gut tragen. In meiner Jugend war das anders: wer zur Kirche gehörte, gehörte zur Kirche, und ein Geistlicher war, wenn nichts Anderes, gewiß ein Gentleman. Aber jetzt ist er vielleicht nichts Besseres als ein Dissenter und will meinen Sohn unter kirchlichen Vorwänden bei Seite schieben. Aber wer ihn auch immer bei Seite schieben möchte, ich sage es mit Stolz, Herr Lydgate, mein Sohn kann sich mit jedem Prediger im ganzen Königreiche messen, gar nicht zu reden von dieser Stadt, die in dieser Beziehung nur wenig zu bedeuten hat – wenigstens nach meiner Meinung; denn ich bin in Exeter geboren und erzogen.«
»Mütter sind nie parteiisch,« sagte Farebrother lächelnd. »Was denkst Du wohl, was Tyke's Mutter von ihm sagt?«
»Ach die arme Frau! nun wahrhaftig!« sagte Frau Farebrother, deren Schärfe für den Augenblick durch ihr zuversichtliches Vertrauen auf die Unfehlbarkeit des mütterlichen Urteils gemildert wurde. »Sie sagt sich selbst die Wahrheit über ihn, darauf kannst Du Dich verlassen.«
»Und was ist die Wahrheit?« fragte Lydgate. »Das möchte, ich gern wissen.«
»O durchaus nichts Schlimmes,« erwiderte Farebrother. »Er ist ein eifriger, aber nicht sehr gelehrter und nicht sehr kluger Mensch, – wie mir scheint, weil ich nicht seiner Meinung bin.«
»Weißt Du, Camden,« sagte Fräulein Winifred, »daß mir Griffin und seine Frau erst diesen Morgen erzählt haben, Tyke habe ihnen erklärt, sie würden keine Kohlen mehr bekommen, wenn sie dich noch ferner predigen hörten.«
Frau Farebrother legte ihren Strickstrumpf, den sie nach einer kurzen Pause des Teetrinkens wieder zur Hand genommen hatte, bei Seite und sah ihren Sohn an, als wolle sie sagen: »da hörst Du es!«
Fräulein Noble sagte: »O die armen Leute« – vermutlich im Hinblick auf den zwiefachen Verlust der Predigt und der Kohlen.
Aber der Pfarrer antwortete rasch: »Das hat er gesagt, weil sie nicht zu meinem Kirchspiele gehören, und ich glaube nicht, daß meine Predigten so viel für sie wert sind wie eine Last Kohlen.«
»Herr Lydgate,« sagte Frau Farebrother, welche diese Gelegenheit nicht vorübergehen lassen konnte, »Sie kennen meinen Sohn nicht, er unterschätzt sich immer selbst; ich sage ihm immer, er unterschätzt damit den lieben Gott, der ihn geschaffen, und zwar zu einem ganz vortrefflichen Prediger geschaffen hat.«
»Es wird wohl Zeit, Mutter, daß ich Herrn Lydgate in mein Studierzimmer führe,« sagte der Pfarrer lachend. »Ich habe versprochen, Ihnen meine Sammlung zu zeigen,« fügte er gegen Lydgate gewandt hinzu, »wollen Sie sie sich ansehen?«
Alle drei Damen protestierten, Herr Lydgate dürfe nicht zum Fortgehen gedrängt werden, bevor er noch eine zweite Tasse Tee habe trinken können. Fräulein Winifred habe noch reichlich guten Tee in ihrem Teetopfe. Warum denn Camden solche Eile habe, einen Besucher in seine Höhle zu führen? Da gebe es ja nichts als eingemachtes Gewürm und Schubfächer voll Fliegen und Motten und nicht einmal ein bisschen Teppich auf dem Fußboden, Herr Lydgate müsse das entschuldigen. Eine Partie Grabuge würde viel besser sein.
Kurz; es war klar, daß der Pfarrer von seiner weiblichen Umgebung als die Blüte der Menschheit und Priesterschaft verehrt und doch ihrer Leitung für sehr bedürftig gehalten wurde. Lydgate wunderte sich mit der gewöhnlichen Oberflächlichkeit eines unverheirateten jungen Mannes, daß Farebrother die Frauen nicht besser erzogen habe.
»Meine Mutter ist nicht gewöhnt, Leute bei mir zu sehen, welche irgend ein Interesse an meinen Liebhabereien nehmen können,« sagte der Pfarrer, »als er die Tür seines Studierzimmers öffnete, welches in der Tat aller Behaglichkeit so bar war, wie es die Damen angedeutet hatten, es wäre denn, daß man eine kurze Porzellanpfeife und einen Tabakskasten, als wohnlichen Zimmerschmuck betrachten wollte.
»Männer Ihres Berufs pflegen nicht zu rauchen,« bemerkte er beim Eintreten.
Lydgate lächelte und schüttelte den Kopf.
»So wenig wie die Männer meines Berufs schicklicherweise rauchen sollten. Sie werden von Leuten wie Bulstrode und Genossen diese Pfeife gegen mich geltend machen hören; sie wissen nicht, wie sehr sich der Teufel darüber freuen würde, wenn ich das Rauchen aufgäbe.«
»Ich verstehe Sie, Sie haben ein reizbares Temperament und bedürfen eines Beruhigungsmittels. Ich bin schwerfälliger organisiert und würde träge davon werden. Ich würde dem Müßiggang verfallen und darin geistig stagnieren.«
»Und Sie wollen Ihren Geist ganz auf Ihre Arbeit konzentrieren. Ich bin zehn oder zwölf Jahre älter als Sie und bin dahin gelangt, ein Kompromiss mit meinem Geiste zu schließen. Ich nähre ein paar Schwächen, damit sie sich nicht zu mausig machen. Sehen Sie einmal,« fuhr der Pfarrer fort, indem er mehrere kleine Schubfächer öffnete, »ich bilde mir ein, erschöpfende Studien über die Insekten dieser Gegend gemacht zu haben; ich beschäftige mich gleichmäßig mit der Fauna und mit der Flora; meine Insektensammlung ist aber jedenfalls gut. Wir sind besonders reich an Gradflüglern. Ich weiß nicht, wie es kommt ... ach, Sie besehen sich diese gläserne Kruke und haben kein Auge für meine Schubfächer. Haben Sie wirklich kein Interesse für diese Dinge?«
»Nicht, so lange ich dieses reizende gehirnlose Monstrum vor Augen habe. Ich habe nie Zeit gehabt, mich viel mit Naturgeschichte zu beschäftigen. Schon in frühen Jahren erweckte die Anatomie mein Interesse und das Studium derselben steht ja im genauesten Zusammenhang mit meinem Berufe. Ich habe außerdem kein Steckenpferd; das ist aber auch ein unbegrenztes Feld.«
»Ach, Sie sind ein glücklicher Mensch,« erwiderte Farebrother, indem er sich auf den Fersen herumdrehte und anfing, seine Pfeife zu stopfen. »Sie wissen nicht, was es heißt, geistlichen Tabak konsumieren müssen: – schlechte Emendationen alter Texte, kleine Bemerkungen über eine Varietät der Blattlaus mit der wohlbekannten Unterschrift Philomicron – in › Twaddlers Magazine‹, oder eine gelehrte Abhandlung über die Insekten der fünf Bücher Moses, mit Inbegriff aller darin nicht erwähnten, aber von den Juden bei ihrem Zuge durch die Wüste wahrscheinlich angetroffenen Insekten; eine Monographie über die Ameise, zum Beweise der Übereinstimmung der Sprüche Salomons in ihren von der Ameise handelnden Stellen mit den Resultaten der modernen Wissenschaft. Es ist Ihnen doch nicht unangenehm, daß ich Sie einräuchere?«
Lydgate СКАЧАТЬ