Название: Middlemarch
Автор: George Eliot
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783752988956
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In der Tat war Rosamunde ausschließlich, nicht sowohl mit Tertius Lydgate, wie er seinem Wesen nach war, sondern mit seinem Verhältnis zu ihr beschäftigt, und es war bei einem Mädchen, welches zu hören gewöhnt war, daß alle jungen Leute in sie verliebt sein möchten, könnten, würden oder wirklich wären, entschuldbar, wenn sie ohne weiteres annahm, daß Lydgate keine Ausnahme bilden könne. Seine Blicke und Worte bedeuteten für sie mehr als die anderer Männer, weil sie mehr Wert auf dieselben legte; sie dachte daher sorgfältig über diese Blicke und Worte nach und war eifrig bemüht, sich jene Vollendung der Erscheinung, des Benehmens, der Empfindungen und alle übrigen Vollkommenheiten anzueignen, welche bei Lydgate eine kompetentere Würdigung zu finden versprachen, als ihnen bisher noch geworden war.
Denn Rosamunde war, obgleich sie sich nichts zugemutet haben würde, was ihr nicht persönlich angenehm war, doch sehr fleißig und jetzt mehr als je darauf bedacht, Landschaftsskizzen und Portraits ihrer Freunde zu zeichnen, musikalische Studien zu machen, kurz von Morgen bis Abend daran zu arbeiten, sich ihrem eigenen Ideale einer vollendeten Dame mehr und mehr zu nähern, wobei sie sich beständig in ihrem eigenen Bewusstsein und bisweilen zur nicht unwillkommnen Abwechslung in den Blicken zahlreicher Besucher des Hauses spiegeln konnte. Sie fand auch Zeit, die besten und selbst die nächstbesten Romane zu lesen und wußte viele Stellen aus Dichtern auswendig. Ihr Lieblingsgedicht war »Lalla Rookh.«
»Ein herrliches Mädchen! Glücklich der Mann, welcher die bekommt!« dachten die ältlichen Herren, welche das Vincy'sche Haus frequentierten; und die einmal abgewiesenen jungen Leute ließen sich dadurch nicht abschrecken, sondern gingen mit dem Gedanken um, ihr Glück noch einmal zu versuchen, wie es in Provinzialstädten, wo der Horizont nicht von Nebenbuhlern wimmelt, Sitte ist.
Aber Frau Plymdale meinte, die große, auf Rosamunden's Erziehung verwendete Sorgfalt sei lächerlich; denn wozu sollten ihr Talente und Kenntnisse dienen, von denen sie keinen Gebrauch mehr würde machen können, sobald sie einmal verheiratet wäre, während ihre Tante Bulstrode, welche ein schwesterlich treues Herz für die Familie ihres Bruders hatte, zwei aufrichtige Wünsche für Rosamunde hegte: daß sie nämlich eine ernstere Richtung einschlagen und daß sie einen Mann bekommen möchte, dessen Vermögen ihren Gewohnheiten entspräche.
17
The clerkly person smiled and said,
Promise was a pretty maid,
But being poor she died unwed.
Farebrother, welchen Lydgate am nächsten Abend besuchte, wohnte in einem alten steinernen Pfarrhause, dessen ehrwürdiges Aussehen ganz zu der Kirche paßte, auf welche es blickte. Auch die ganze Einrichtung des Hauses war alt, wenngleich aus einer jüngeren Zeit als dieses selbst, aus der Zeit des Vaters und des Großvaters Farebrother's. Da standen lackierte Stühle mit vergoldeten Blumen und Polstern von verblichenem roten Seidendamast, in denen es nicht an Rissen fehlte; an den Wänden hingen Kupferstiche, Portraits von Lordkanzlern und andern berühmten Juristen des vorigen Jahrhunderts und altmodische Wandspiegel reflektierten diese Kupferstiche, nebst Sofas (die nur langgestreckte unbequeme Stühle zu sein schienen), und kleinen Tischen von Atlasholz, – welches Alles sich wie Reliefs von dem Tafelwerk der Wand abhob. Das war die Physiognomie des Wohnzimmers, in welches Lydgate geführt wurde.
In demselben empfingen ihn drei Damen, welche gleichfalls altmodisch aussahen und den Eindruck einer etwas verschossenen aber ächten Respektabilität machten: Frau Farebrother, die Mutter des Pfarrers, eine silberhaarige noch nicht siebzigjährige rüstige, munter in die Welt blickende Matrone, deren Kopftuch und Halskrause von der ausgesuchtesten Sauberkeit waren, Fräulein Noble, ihre Schwester, eine kleine alte Dame von bescheidnerem Äußern, mit Halskrause und Kopftuch, welche ersichtlich mehr getragen und gestopft waren, und Fräulein Winifred Farebrother, die ältere Schwester des Pfarrers, gleich ihm von stattlichem Äußern, aber etwas geducktem und demütigem Wesen, wie es alte Mädchen, welche ihr Leben in ununterbrochener Abhängigkeit von älteren Mitgliedern ihrer Familie verbringen, leicht anzunehmen pflegen.
Lydgate war auf eine so sonderbare Gruppe nicht gefaßt gewesen; da er nur wußte, daß Farebrother Junggeselle sei, hatte er erwartet, in eine behagliche Studierstube geführt zu werden, in welcher Bücher und die Gegenstände einer Naturaliensammlung die Hauptbestandteile des Mobiliars bilden würden. Der Pfarrer selbst schien ihm heute anders auszusehen, wie es die meisten Menschen für neue Bekannte tun, wenn diese sie zum ersten Male in ihrem eignen Hause sehen; Einige nehmen sich dabei, wie ein Schauspieler, den man in muntern Rollen zu sehen gewohnt ist und den man nun in einem neuen Stück zum ersten Mal den Geizhals spielen sieht, unvorteilhaft aus. Das war aber bei Farebrother nicht der Fall: er erschien eine Nuance milder und schweigsamer; seine Mutter führte das Wort und er beschränkte sich darauf, dann und wann eine gutmütig mäßigende Bemerkung einzuschalten.
Die alte Dame war ersichtlich gewöhnt, ihren Hausgenossen ihre Ansichten zu diktieren, und es für notwendig zu halten, jede in ihrer Gegenwart geführte Unterhaltung, es sei über welchen Gegenstand es wolle, zu leiten. Sie hatte volle Muße für diese dirigierende Tätigkeit, da Fräulein Winifred für alle kleinen Bedürfnisse ihrer Mutter sorgte. Das schmächtige Fräulein Noble trug über dem Arme einen kleinen Korb, in welchen sie, mit scheuen Blicken umhersehend, ein Stückchen Zucker legte, nachdem sie dasselbe zuvor wie unversehens in ihre Untertasse hatte gleiten lassen, um sich dann mit einem leisen bescheidenen Geräusch, wie ein furchtsames Tierchen wieder ganz ihrer Teetasse zuzuwenden.
Denke aber deshalb Niemand übel von Fräulein Noble! Der Korb enthielt, was sie sich an leicht transportablen Bissen bei ihren Mahlzeiten am Munde absparte, um es den Kindern ihrer armen Freunde zu geben, welche sie an schönen Vormittagen trippelnd aufzusuchen pflegte; die zärtlich besorgte Pflege aller bedürftigen Geschöpfe gewährte ihr ein so echtes Vergnügen, daß ihr dabei fast zu Mute war, als fröne sie einem angenehmen Laster. Vielleicht überkam sie bisweilen die geheime Lust, die, welche viel hatten, zu bestehlen, um es denen zu geben, welche nichts hatten, und sie empfand diesen unterdrückten Wunsch wie eine auf ihrem Gewissen lastende Schuld. Man muß arm sein, um die Seligkeit des Gebens zu kennen!
Frau Farebrother begrüßte den Gast mit beflissener Förmlichkeit und Gemessenheit. Sie teilte ihm alsbald mit, daß man in ihrem Hause nicht oft ärztlichen Beistandes bedürfe. Sie habe ihre Kinder von Jugend auf daran gewöhnt, Flanell zu tragen und sich nicht zu überessen, welche letztere Gewohnheit nach ihrer Ansicht hauptsächlich daran Schuld sei, daß die Leute den Doctor brauchten. Lydgate suchte ein gutes Wort für diejenigen einzulegen, deren Väter und Mütter zu viel gegessen hätten, aber Frau Farebrother hielt diese Anschauungsweise für gefährlich: Die Natur sei gerechter. Wenn man diese Auffassung gelten lassen wolle, würde ja jeder Verbrecher sich darauf berufen können, daß seine Vorfahren statt seiner hätten gehängt werden müssen. Wer schlechte Eltern gehabt habe und selbst schlecht sei, werde doch für seine eigne Schlechtigkeit gehängt. Man brauche sich nur an das zu halten, was man vor Augen habe.
»Meine Mutter ist wie der alte Georg III.,« bemerkte der Pfarrer, »sie ist keine Freundin von metaphysischen Betrachtungen.«
»Ich bin keine Freundin von dem, was unrecht ist, Camden. Ich sage: haltet Euch an ein paar einfache Wahrheiten, und beurteilt Alles nach diesen. In meiner Jugend, Herr Lydgate, gab es nie einen Zweifel über Recht und Unrecht. Wir wußten unsern Katechismus auswendig und das war genug; wir lernten unser Glaubensbekenntnis und unsere christlichen Pflichten. Alle zur Kirche gehörenden respektablen Leute hatten dieselben Ansichten. Aber wenn Sie heutzutage auch mit den Worten des Gebetbuchs reden, müssen Sie doch darauf gefaßt sein, daß man Ihnen widerspricht.«
»Das macht unsere Zeit recht angenehm für die, welche gern auf ihren eigenen Ansichten bestehen,« sagte Lydgate.
»Aber meine Mutter gibt immer nach,« СКАЧАТЬ