Название: Middlemarch
Автор: George Eliot
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783752988956
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Doctor Minchin hatte weiche Hände, einen nassen Teint und runde Formen, so daß er nach seiner Erscheinung für einen mild gesinnten Geistlichen hätte gelten können; Doctor Sprague dagegen war ungebührlich lang, seine Beinkleider zogen sich über den Knien zusammen und enthüllten den Blicken übermäßig viel von seinen Stiefeln zu einer Zeit, wo Strippen als ein unerläßliches Requisit einer würdigen Erscheinung betrachtet wurden; man hörte ihn in den Häusern aus- und ein- und hinauf- und hinuntergehen, wie einen Arbeiter, der durchs Haus geht, um nach dem Dache zu sehen.
Kurz er war ein Mann von Gewicht, dem man es zutraute, daß er eine Krankheit zu packen und zu Boden zu werfen verstehe, während man Doctor Minchin mehr die Fähigkeit zuschrieb, ein verborgenes Leiden in seinem Verstecke auszuspüren und zu überlisten. Sie genossen ungefähr im gleichen Grade das mysteriöse Privilegium des ärztlichen Rufs und wußten beide unter strenger Beobachtung der Etikette ihre gegenseitige Verachtung für ihre Fähigkeiten geschickt zu verbergen.
Beide betrachteten sich als verkörperte Middlemarcher Institutionen und standen fest zusammen, wenn es sich darum handelte, Neuerer und Leute zu bekämpfen, welche, ohne vom Handwerk zu sein, Lust bezeigten, sich in ärztliche Angelegenheiten zu mischen. Aus diesem Grunde waren sie beide in ihrem Herzen gleich sehr gegen Bulstrode eingenommen, wiewohl Dr. Minchin ihm niemals in offener Feindseligkeit gegenüber gestanden hatte und niemals abweichende Ansichten vertrat, ohne dieselben Frau Bulstrode gegenüber, welche gefunden hatte, daß Niemand anderes als Dr. Minchin ihre Constitution verstehe, ausführlich zu rechtfertigen. Ein Laie, der den Ärzten bei der Ausübung ihres Berufs auf die Finger sah und ihnen seine Reformen immer aufdrängen wollte, war, – wenn auch den beiden konsultierenden Ärzten weniger direkt im Wege als den praktizierenden und dispensierenden Ärzten, welche kontraktlich zur Armenpraxis verpflichtet waren –, nichtsdestoweniger der gesamten ärztlichen Zunft ein Dorn im Auge und Dr. Minchin teilte ganz die neueste Gereiztheit gegen Bulstrode, dessen offenbare Absicht, Lydgate zu patronisieren, ihn verdroß.
Die beiden seit langer Zeit etablierten Praktiker Herr Wrench und Herr Teller standen eben von den übrigen Herren abgesondert bei Seite und waren in einem Gespräch mit einander begriffen, in welchem sie übereinkamen, daß Lydgate ein Hansnarr und recht dazu gemacht sei, Bulstrode's Zwecken zu dienen. Gegen nicht ärztliche Freunde hatten sie gemeinschaftlich das Lob des jungen Praktikers gesungen, welcher in Veranlassung von Herrn Peacock's Rücktritt – ohne weitere Empfehlungen als seine eigenen Verdienste und das günstige Vorurteil, welches es für seine Berufstüchtigkeit erwecken mußte, daß er notorisch keine Zeit mit der Aneignung andrer Kenntnisse vergeudet habe – nach Middlemarch gekommen sei. Es war klar, daß Lydgate dadurch, daß er selbst keine Arzneien verabreichte, seinen Standesgenossen einen Makel anheften und die Grenze zwischen seinem eigenen Range eines praktischen Arztes und dem Range der konsultierenden Ärzte, welche sich im Interesse des ganzen Berufs für verpflichtet hielten, die Scheidung der verschiedenen ärztlichen Grade streng aufrecht zu erhalten, verrücken wollte. Wie konnten sie anders als sich gegen einen Mann erklären, der keine der beiden englischen Universitäten besucht und sich nicht der dort gebotenen anatomischen und anderen Studien erfreut hatte, sondern hier mit einer beleidigend anmaßlichen Berufung auf die Erfahrungen auftrat, welche er in Edinburg und Paris, wo allerdings reichliche, aber schwerlich gesunde Beobachtungen zu machen sein mochten, gesammelt haben wollte.
So geschah es, daß bei dieser Gelegenheit Bulstrode mit Lydgate und Lydgate mit Tyke identifiziert wurden. Und Dank dieser Reihe von Namen, welche in Betreff der Kaplanfrage dasselbe Interesse zu bezeichnen schienen und in Bezug auf diese beliebig Einer für den Andern stehen konnten, gelangten verschieden gesinnte Leute zu einem übereinstimmenden Urteil in dieser Frage.
Dr. Sprague war bei seinem Eintreten auf die bereits versammelte Gruppe von Herren ohne Weiteres mit den Worten zugegangen:
»Ich stimme für Farebrother. Das Gehalt bewillige ich mit dem größten Vergnügen. Aber warum es dem Pfarrer entziehen? Er hat es wahrhaftig nicht zu reichlich – er muß neben seinem Haushalt noch sein Leben versichern und die für einen Pfarrer unvermeidlichen Wohltaten üben. Lassen Sie uns ihm vierzig Pfund in die Tasche stecken, wir tun damit nichts Böses. Er ist ein guter Kerl, der Farebrother, mit so wenig von einem Pastor an sich, wie sich irgend mit dem geistlichen Ornate verträgt.«
»Ho ho! Doctor,« rief der alte Herr Powderell, ein vom Geschäft zurückgezogener Eisenhändler von einigem Ansehn, in einem Tone, welcher diese Interjektion halb als ein Lachen halb als einen parlamentarischen Ausdruck der Missbilligung erscheinen ließ. »Wir müssen Sie schon reden lassen. Aber was wir zu erwägen haben, das ist nicht irgend Jemandes Einkommen, – das sind die Seelen der armen kranken Leute« – bei diesen Worten nahmen Gesicht und Stimme des alten Mannes einen Ausdruck von echtem Pathos an. »Tyke ist ein wahrer Prediger des Evangeliums. Ich würde gegen mein Gewissen stimmen, wenn ich gegen Tyke stimmte, – das würde ich wahrhaftig.«
»Die Gegner des Herrn Tyke haben, glaube ich, noch von Niemandem verlangt, daß er gegen sein Gewissen stimme,« bemerkte Herr Hackbutt, ein reicher sehr fließend redender Gerber, welcher jetzt seine glitzernden Brillengläser und aufrechtstehenden Haare mit dem Ausdruck der Strenge dem unschuldigen Herrn Powderell zukehrte.
»Aber nach meiner Ansicht geziemt es uns als Direktoren, in Erwägung zu ziehen, ob wir unsere ganze Tätigkeit darauf beschränken dürfen, Anträge, welche von einer einzigen Seite ausgehen, zur Ausführung zu bringen. Kann irgend ein Mitglied dieser Commission behaupten, daß es ihm in den Sinn gekommen sein würde, den Mann, welcher das Amt eines Kaplans hier so lange bekleidet hat, seines Amtes zu entsetzen, wenn ihm nicht der Gedanke daran von Leuten an die Hand gegeben wäre, welche jede Institution dieser Stadt gern zu einem Werkzeug für die Verwirklichung ihrer Ideen machen möchten? Ich werfe mich nicht zum Richter über irgend Jemandes Motive auf, möge er sich wegen derselben vor einem höheren Richter verantworten; ich behaupte aber, daß sich hier Einflüsse geltend machen, welche mit einer wahren Unabhängigkeit unverträglich sind, und daß eine kriechende Servilität gewöhnlich durch Umstände veranlaßt wird, zu welchen die Herren, die sich eines solchen Benehmens schuldig machen, sich weder moralisch noch finanziell würden bekennen wollen. Ich selbst bin ein Laie, ich habe mich aber ziemlich eingehend mit den verschiedenen kirchlichen Richtungen beschäftigt und …«
»O hol' der Henker die Richtungen!« unterbrach ihn heftig Herr Frank Hawley, Advokat und Stadtschreiber, der sich sonst selten in den Vorstandssitzungen blicken ließ, jetzt eben aber mit der Reitpeitsche in der Hand rasch eingetreten war. »Wir haben hier nichts mit diesen Richtungen zu schaffen. Farebrother hat bis jetzt die Arbeit, welche da zu tun war, ohne Bezahlung verrichtet, und wenn von jetzt an eine Bezahlung eintreten soll, so gebührt sie ihm. Ich nenne es einen schlechten Streich, Farebrother sein Amt zu nehmen.«
»Ich glaube, es würde ebenso angemessen sein, wenn die Herren sich bei ihren Bemerkungen aller Persönlichkeiten enthalten wollten,« bemerkte Herr Plymdale. »Ich werde für Anstellung des Herrn Tyke stimmen, ich würde aber, wenn nicht Herr Hackbutt es mir zu verstehen gegeben hätte, nicht gewußt haben, daß ich ein ›serviler Kriecher‹ bin.«
»Ich muß mich gegen die Beschuldigung, persönlich gewesen zu sein, verwahren,« erwiderte Herr Hackbutt. »Ich habe ausdrücklich gesagt, wenn ich meine Äußerungen wiederholen und vielleicht auch zu Ende führen darf –«
»O СКАЧАТЬ