Middlemarch. George Eliot
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Название: Middlemarch

Автор: George Eliot

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

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isbn: 9783752988956

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СКАЧАТЬ von Verlieben hätte überhaupt die Rede sein können, keinen geeigneteren Gegenstand dazu gegeben haben als dieses Fräulein Vincy, welches grade die Art von geistiger Verfassung hatte, die man sich bei einer Frau wünschen möchte – gewandt, fein, gelehrig, empfänglich für jede Vervollkommnung in allen zarten Bezügen des Lebens, und alles das in einer körperlichen Hülle, welche dieser Begabung einen so unwiderleglichen Ausdruck gab, daß es keines weitern Beweises bedurfte.

      Lydgate war davon durchdrungen, daß, wenn er sich einmal verheiraten würde, seine Frau jenen weiblichen Zauber, jene spezifische Weiblichkeit haben müßte, welche auf einer Linie mit Blumen und Musik stehen, jene Schönheit, welche schon an und für sich tugendhaft ist, weil sie nur für reine und zarte Freuden geschaffen erscheint.

      Da er sich aber in den nächsten fünf Jahren noch nicht zu verheiraten gedachte, so lag es ihm zunächst mehr am Herzen, sich Louis' neues Buch über Fieber anzusehen, welches ihn speziell interessierte, weil er Louis in Paris gekannt hatte, und bei vielen anatomischen Untersuchungen zugegen gewesen war, welche den Zweck gehabt hatten, die spezifischen Unterschiede zwischen Typhus und typhösem Fieber festzustellen. Er ging nach Hause und vertiefte sich bis spät in die Nacht hinein in pathologische Studien, zu denen er ein viel reicheres Erfahrungs-Material hinzubrachte, als es ihm jemals auf die komplizierten Fragen der Liebe und der Heirat anzuwenden notwendig erschienen war. Über diese Gegenstände hielt er sich durch Literatur und jene traditionelle Weisheit, welche wir in der leichten Unterhaltung des Tages überkommen, für hinreichend unterrichtet. Das Fieber dagegen war in seinem Entstehungsgrunde dunkel und nötigte ihn zu jener beglückenden Tätigkeit der Einbildungskraft, welche nicht ein rein willkürliches Spiel, sondern die Übung einer geschulten Geisteskraft ist, indem sie mit dem klarsten Blick für Wahrscheinlichkeiten und im strengsten Gehorsam gegen die Gesetze der Wissenschaft kombiniert und konstruiert und dabei die ganze Energie der Unparteilichkeit herausfordert, denn sie muß sich die Freiheit bewahren, ihre eigene Arbeit an die Probe zu stellen.

      Viele werden als mit einer reichen Phantasie begabt gepriesen ob ihrer verschwenderischen Production an nichtssagenden Bildern und billigen Erzählungen, armseligen Erfindungen von Gesprächen auf fernen Planeten, oder Bildern von Lucifer, wie er als ein großer häßlicher Mann mit Fledermausflügeln, in einem phosphoreszierenden Glanze auf die Erde herabsteigt, um seine Untaten zu vollbringen, oder Übertreibungen einer ausgelassenen Laune, welche uns anmuten wie ein krankhafter Traum des Lebens.

      Aber diese Eingebungen erschienen Lydgate gemein im Vergleich mit jener Tätigkeit der Einbildungskraft, welche uns die feinsten Agenzien enthüllt, die zwar durch keine mikroskopische Untersuchung nachzuweisen sind, deren Spur aber durch ein dichtes Dunkel hindurch auf langen Wegen, logischer Schlüsse zu verfolgen, uns jene innere Erleuchtung befähigt, welche das höchste Ergebnis geistiger Energie ist. Er für sein Teil verschmähte alle billigen Erfindungen, in welchen die Unwissenheit sich behaglich ergeht; aber begeistert, war er für jene Arbeit mühseliger Erfindung, welche das wahre Auge der Forschung ist, indem es seinem Gegenstande eine vorläufige Gestalt verleiht und unermüdlich daran arbeitet, dieselbe zu korrigieren.

      Sein Streben ging dahin, in das Dunkel jener kleinen inneren Prozesse, der Quellen menschlichen Elends und menschlicher Freude einzudringen, in jene unsichtbaren Gänge, welche die ersten Schlupfwinkel der Angst, des Wahnsinns und des Verbrechens sind, in die Schwankungen jenes zarten Gleichgewichts der Kräfte, welches über die Entwicklung einer heiteren oder finsteren Weltanschauung entscheidet.

      Als Lydgate endlich sein Buch bei Seite legte, seine Beine nach dem noch glimmenden Kaminfeuer hin ausstreckte und die Hände gefaltet in den Nacken legte in jener angenehmen, einer geistigen Aufregung folgenden Stimmung, wo unser Denken sich von der prüfenden Untersuchung eines bestimmten Gegenstandes in dem Allgemeingefühle seines Zusammenhangs mit unserem ganzen Sein erholt – durchdrang ihn ein erhebendes SelbstBewusstsein in der triumphierenden Freude über seine Studien und etwas wie Mitleid für jene weniger Glücklichen, welche seinem Berufe nicht angehörten.

      »Wenn ich mich nicht schon als Knabe entschlossen hätte, diesen Beruf zu ergreifen,« dachte er, »wäre ich vielleicht auch dahin gekommen, mein Brot mit der stupiden Arbeit eines Lasttiers zu verdienen und mit Scheuklappen vor den Augen durchs Leben zu gehen. Ich würde in keinem Berufe glücklich geworden sein, der nicht die höchste geistige Anstrengung von mir gefordert und mich doch in tätigem teilnehmendem Zusammenhang mit meinen Mitmenschen erhalten hätte. Es gibt keinen Beruf, der diesen beiden Forderungen so vollkommen entspräche, wie der ärztliche. Er allein gewährt die Möglichkeit, der reinen Wissenschaft, welche in die Fernen und in die Tiefen dringt, zu leben und zugleich den alten kranken Leuten des Kirchspiels hilfreich beizustehen. Für einen Geistlichen ist das schon schwieriger. Farebrother scheint eine ganz exzeptionelle Erscheinung zu sein.«

      Dieser letzte Gedanke brachte ihm die Vincy's und alle Bilder des Abends wieder vor die Seele. Sie beschäftigten ihn sehr angenehm, und als er endlich seinen Bettleuchter zur Hand nahm, umspielte seine Lippen jenes leise Lächeln, welches angenehme Erinnerungen gern zu begleiten pflegt. Er war eine feurige Natur, aber für jetzt konzentrierte sich all sein Feuer auf die Liebe zu seiner Arbeit und auf das ehrgeizige Streben, sich gleich andern Helden der Wissenschaft, die ihre Laufbahn auch nur mit einer obskuren Landpraxis begonnen hatten, als einen Wohltäter der Menschheit anerkannt zu sehen.

      Armer Lydgate! Oder soll ich sagen arme Rosamunde! Jeder von Beiden lebte in einer Welt, welche dem Andern ganz fremd war. Lydgate hatte keine Ahnung davon, daß er bereits ein Gegenstand eifrigen Nachdenkens für Rosamunde geworden war, welche weder irgendeine Veranlassung hatte, den Gedanken an ihre Verheiratung auf einen entfernten Zeitpunkt zu verschieben, noch wissenschaftliche Studien betrieb, welche sie von jener Gewohnheit des Grübelns über Blicke, Worte und Phrasen, wie sie in dem Leben der meisten jungen Mädchen eine so große Rolle spielt, hätten ablenken können.

      Nach seiner Meinung hatte er in Blick und Wort nicht mehr Verbindliches und keinen größeren Ausdruck der Bewunderung für sie an den Tag gelegt, als jeder Mann einem schönen Mädchen schuldig ist. Ja, es schien ihm sogar, daß er dem Genuss, welchen ihm ihre Musik bereitet, gar keine Worte geliehen habe; denn er hatte gefürchtet, sich einer verletzenden Ungeschicklichkeit schuldig zu machen, wenn er ihr sein Erstaunen über ihre ausgezeichneten Leistungen zu erkennen gäbe.

      Aber Rosamunde hatte alle seine Blicke und Worte sorgfältig in ihr Gedächtnis eingetragen und betrachtete dieselben als das Vorspiel zu einem Roman – ein Vorspiel, welches ihr um so bedeutsamer erscheinen mußte, je vertrauter sie sich bereits, im Voraus mit dem Verlauf dieses Romans gemacht hatte.

      In Rosamunden's Roman war es durchaus nicht erforderlich, sich viel mit dem innern Leben des Helden oder mit seinem ernsten Beruf in der Welt zu beschäftigen; natürlich hatte er ein Geschäft und war ein ebenso geschickter wie gut aussehender Mann; aber der eigentliche Reiz der Persönlichkeit Lydgate's lag in seiner guten Herkunft, welche ihn von allen Middlemarcher Bewunderern Rosamunden's vorteilhaft unterschied und die Verheiratung mit ihm als eine Rangerhöhung und eine Annäherung an jene himmlische Sphäre auf Erden erscheinen ließ, in welcher sie nichts mit gemeinen Leuten zu schaffen haben und schließlich vielleicht in intimen Verkehr zu Verwandten ihres Mannes treten würde, welche ganz auf einer Stufe mit dem Landadel standen, der so geringschätzig auf die Middlemarcher herabblickte. Rosamunde war mit dem feinsten Sinn für den zarten Duft gesellschaftlicher Distinktion begabt, und als sie einmal die Fräulein Brooke's in Begleitung ihres Onkels bei den Assisen mitten unter der Aristokratie sitzend gesehen, hatte sie dieselben ungeachtet ihrer einfachen Toilette beneidet.

      Sollte es meinen Leserinnen unglaublich vorkommen, daß die Vorstellung von Lydgate's Familienbeziehungen bei Rosamunden ein Entzücken hervorrief, welches sie glauben ließ, daß sie in ihn verliebt sei, so möcht' ich sie doch bitten, ihre Fähigkeit, Vergleiche anzustellen, ein wenig zu schärfen und sich zu fragen, ob Uniform und Epaulets nicht noch jetzt bisweilen einen ähnlichen Einfluß üben. Unsere Leidenschaften leben nicht in gesonderten Räumen, sondern tragen ihre Speisen zu einem gemeinschaftlichen Mahle СКАЧАТЬ