Middlemarch. George Eliot
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Middlemarch - George Eliot страница 52

Название: Middlemarch

Автор: George Eliot

Издательство: Bookwire

Жанр: Языкознание

Серия:

isbn: 9783752988956

isbn:

СКАЧАТЬ dieser Annahme nur desto mehr für sie; aber Lydgate gehörte nicht zu diesen. Er stritt heftig für ihre Unschuld, und die unpersönliche, aus der Entfernung schwärmende Leidenschaft für ihre Schönheit, welche ihn bisher für sie erfüllt, hatte sich jetzt in eine persönliche Hingebung, in eine zärtliche Teilnahme für ihr Los verwandelt. Der Gedanke an einen Mord war absurd; es war kein Motiv dafür erfindlich, da das junge Paar, wie es hieß, einander angebetet hatte, und es war nichts Unerhörtes, daß ein zufälliges Ausgleiten des Fußes zu so schrecklichen Folgen führte. Die gerichtliche Untersuchung endete mit Madame Laure's Freisprechung.

      Lydgate hatte sie um diese Zeit näher kennen zu lernen Gelegenheit gehabt und fand sie von Tag zu Tag anbetungswürdiger. Sie sprach wenig, aber das war für ihn nur ein Reiz mehr. Sie war melancholisch und schien dankbar; ihre bloße Gegenwart wirkte beruhigend wie die Abenddämmerung. Lydgate dürstete wie wahnsinnig nach ihrer Liebe und zitterte bei dem Gedanken, daß ein anderer Mann ihre Neigung gewinnen und ihr seine Hand antragen könne. Aber statt sich an der Porte Saint Martin, wo sie in Folge des verhängnisvollen Ereignisses nur um so beliebter gewesen sein würde, wieder engagieren zu lassen, ging sie eines Tages plötzlich von dannen, ohne ihren kleinen Kreis von Bewunderern auch nur von ihrer Abreise zu benachrichtigen.

      Vielleicht forschte ihr Niemand ernsthaft nach, außer Lydgate, dessen wissenschaftliche Interessen durch die Vorstellung völlig zurückgedrängt waren, daß die unglückliche Laure von nie rastendem Kummer verfolgt, umherwandere, ohne einen treuen tröstenden Freund zu finden. Indessen sind verborgene Schauspielerinnen nicht so schwer zu ermitteln wie andere verborgene Dinge, und es dauerte nicht lange, bis Lydgate in Erfahrung brachte, daß Laure den Weg nach Lyon eingeschlagen habe. Er fand sie endlich in Avignon, wo sie unter demselben Namen mit großem Erfolge auftrat und, als verlassenes Weib mit ihrem Kinde auf dem Arme, majestätischer denn je aussah.

      Er sprach sie nach dem Schluss der Vorstellung, wurde von ihr mit der gewohnten Ruhe empfangen, welche auf ihn wirkte, wie die durchsichtige Tiefe einer klaren Flut, und erhielt die Erlaubnis, sie am nächsten Tage zu besuchen; er sehnte den Augenblick herbei, wo er ihr würde sagen können, daß er sie anbete, und war entschlossen, ihr seine Hand anzutragen. Er wußte sehr wohl, daß dieser Entschluss dem plötzlichen Impulse eines Wahnsinnigen gleiche und mit seinen sonstigen Neigungen durchaus nicht übereinstimme. Gleichviel! Er war entschlossen, es zu tun. Zwei Seelen wohnten offenbar in seiner Brust, und diese beiden Seelen mußten lernen sich in einander finden und gegenseitig ihre Schwächen tragen. Er gehörte zu den eigentümlich organisierten Menschen, welche die Fähigkeit besitzen, während sie in einem Augenblicke ganz von ihrer Leidenschaft in rasch wechselnden Visionen hingenommen sind, im nächsten die verderbliche Gewalt derselben klar zu erkennen, ja, während sie auf den Höhen umherrasen, doch mit klarem Blick in die Ebene hinabzuschauen, wo ihr besseres Selbst ruhig ihrer Rückkehr harrt.

      »Sie haben die ganze Reise von Paris hergemacht, um mich zu suchen?« fragte sie am nächsten Tage, als sie mit verschränkten Armen vor ihm saß und ihn mit großen erstaunten Augen ansah. »Sind alle Engländer so?«

      »Ich bin hergekommen, weil ich es nicht ertragen konnte, nicht wenigstens den Versuch gemacht zu haben, Sie zu sehen. Sie sind verlassen; ich liebe Sie; Sie müssen mein Weib werden; ich will warten, aber Sie müssen mir versprechen, mich und keinen Anderen zu heiraten.«

      Laure's Augen sahen ihn unter ihren großen Augenlidern hervor mit melancholisch leuchtenden Blicken an, bis er, von entzückender Gewissheit erfüllt, vor ihr niederkniete.

      »Ich will Ihnen etwas sagen,« erwiderte sie, noch immer mit verschränkten Armen dasitzend, mit ihrer girrenden Stimme. »Mein Fuß ist wirklich ausgeglitten.«

      »Ich weiß, ich weiß,« erwiderte Lydgate. »Es war ein verhängnisvoller Zufall – ein schreckliches Unglück, das mir Sie nur um so teurer gemacht hat.«

      Laure hielt wieder einen Augenblick inne und sagte dann langsam: »Ich habe es absichtlich getan.«

      Ein gefesteter Mann, wie er war, wurde Lydgate bei diesen Worten bleich und zitterte; es dauerte eine Weile, bis er sich erheben und sich vor sie hinstellen konnte.

      »Sie hatten also einen geheimen Grund?« sagte er endlich in leidenschaftlicher Erregung: »Er mißhandelte Sie und Sie haßten ihn.«

      »Nein, er langweilte mich, er war zu verliebt in mich; er wollte in Paris leben und nicht in meiner Provinz, das war mir nicht angenehm.«

      »Großer Gott!« rief Lydgate entsetzt aus, »und Sie faßten den Plan, ihn zu ermorden?«

      »Ich hatte keinen Plan gefaßt, der Gedanke kam mir während des Stücks und ich tat es absichtlich.«

      Lydgate stand sprachlos da und drückte sich, ohne es zu wissen, den Hut ins Gesicht, während er sie anblickte. Diese Frau, die erste, an welche er sein junges Herz verloren hatte, war eine gemeine Verbrecherin!

      »Sie sind ein guter junger Mensch,« sagte sie wieder nach einer Weile, »aber ich liebe Ehemänner überhaupt nicht, ich will mich nie wieder verheiraten.«

      Drei Tage später war Lydgate wieder in Paris mit seinen galvanischen Experimenten beschäftigt und hielt sich von nun an vor Illusionen für sicher. Wenn ihn dieses Erlebnis nicht hart machte, so rührte das von seiner Herzensgüte und von seinem festen Glauben an den sittlichen Fortschritt der Menschheit her. Aber mehr als je glaubte er jetzt seinem Urteile, nachdem es durch so reiche Erfahrungen entwickelt worden war, vertrauen zu dürfen und nahm sich vor, die Frauen von nun an aus einem streng wissenschaftlichen Gesichtspunkte zu betrachten und keine anderen Erwartungen von ihnen zu hegen, als solche, deren Berechtigung er zuvor erprobt haben würde.

      In Middlemarch war vermutlich Niemand, der von Lydgate's Vergangenheit so viel wußte, wie wir hier eben in leichten Umrissen angedeutet haben, und die braven Leute dort waren so wenig wie die Menschen im Allgemeinen besonders aufgelegt, sich von dem, was ihnen nicht in die Augen fiel, eine genaue Vorstellung zu verschaffen. Nicht nur junge Mädchen, sondern auch graubärtige Männer in jener Stadt waren oft eifrigst bemüht herauszufinden, wie wohl ein neuer Bekannter ihren Zwecken dienstbar zu machen sei, und begnügten sich dabei mit sehr vagen Anhaltspunkten für den Grad der Verwendbarkeit zu solchen Zwecken, welchen der Fremde in seinem bisherigen Leben erlangt haben möchte. In Wahrheit rechnete Middlemarch darauf, Lydgate überzuschlucken und sehr behaglich zu verdauen.

      16

      All that in woman is adored

      In thy fair self I find –

      For the whole sex can but afford

      The handsome and the kind.

       Sir Charles Sedley

      Die Frage, ob Herr Tyke die Anstellung als besoldeter Caplan am Hospital erhalten werde, war ein aufregender Gegenstand der Unterhaltung für die Middlemarcher; und Lydgate hörte diese Frage in einer Weise erörtern, welche ein eigentümliches Licht auf den Einfluß warf, welchen Herr Bulstrode in der Stadt übte. Der Bankier nahm offenbar eine beherrschende Stellung ein, aber es gab doch auch eine oppositionelle Partei und selbst unter seinen Anhängern waren einige, welche zu verstehen gaben, daß ihre Anhänglichkeit an Herrn Bulstrode auf einem Kompromiss beruhe, und welche es offen aussprachen, daß der Lauf der Welt und insbesondere die Wechselfälle, denen man im Geschäfte ausgesetzt sei, es notwendig machten, mit dem Teufel auf gutem Fuße zu stehen.

      Herr Bulstrode verdankte seinen Einfluß nicht allein seiner Stellung als Bankier in der Provinz, welcher in die finanziellen Geheimnisse der meisten Geschäftsleute in der Stadt eingeweiht war, und in Folge dessen ihren Credit СКАЧАТЬ