Название: Middlemarch
Автор: George Eliot
Издательство: Bookwire
Жанр: Языкознание
isbn: 9783752988956
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All ihr Streben nach Vervollkommnung ihres Wissens war nur ein Ausfluss jenes vollen Stromes sympathischen inneren Lebens, von welchem ihre Ideen und Antriebe getragen wurden. Sie trug kein Verlangen danach, sich Kenntnisse wie ein neues Kleid anzulegen, sie sich anzueignen außer Zusammenhang mit den Nerven und dem Blute, welche ihre Tatkraft belebten, und wenn sie ein Buch geschrieben hätte, so würde sie das nur, wie es die heilige Therese getan, unter dem gebietenden Einfluss einer ihr Gewissen bindenden Autorität haben tun können. Aber wonach sie Verlangen trug, das war etwas, was ihr Leben mit einem zugleich verständigen und feurigen Handeln ausfüllen möchte, und da die Zeit leitender Visionen und geistlicher Führer vorüber war, da das Gebet wohl ihr Sehnen, aber nicht ihr Wissen steigerte, – wo anders sollte sie Erleuchtung suchen, als in Kenntnissen? Gewiß, konnten nur gelehrte Männer die Hüter des Lichtes sein, und wer war gelehrter als Casaubon!
So blieben während dieser kurzen Wochen Dorotheens freudige und dankbare Erwartungen ungetrübt, und wenn auch ihren Geliebten bisweilen ein Gefühl der Leere überkam, so konnte er dieselbe doch niemals einer Abnahme ihres von Liebe getragenen Interesses Schuld geben.
Die Milde der Jahreszeit begünstigte den Plan, die Hochzeitsreise bis Rom auszudehnen, und Casaubon lag sehr an der Ausführung dieses Plans, weil er einige Manuskripte in der vatikanischen Bibliothek einzusehen wünschte.
»Ich bedaure noch immer, daß Deine Schwester uns nicht begleiten will,« sagte er eines Morgens zu Dorotheen, nachdem es sich kurz zuvor herausgestellt hatte, daß Celia keine Lust zu der Reise habe, und daß Dorothea ihre Begleitung gar nicht wünsche. »Du wirst viele einsame Stunden haben, Dorothea, denn ich werde genötigt sein, so viel wie möglich von meiner Zeit für meine wissenschaftlichen Zwecke zu verwenden, und ich würde mich freier fühlen, wenn Du Gesellschaft hättest.«
Die Worte: »ich würde mich freier fühlen,« verletzten Dorothea. Zum ersten Male begegnete es ihr in einer Unterhaltung mit Casaubon, daß sie vor Verdruss errötete.
»Du mußt mich ganz mißverstanden haben,« sagte sie, »wenn Du glaubst, ich würde den Wert Deiner Zeit nicht zu schätzen wissen, wenn Du glaubst, ich würde nicht gern auf Alles verzichten, was Deiner Benutzung derselben zu den besten Zwecken im Wege stehen könnte.«
»Das ist sehr liebenswürdig von Dir, liebe Dorothea,« erwiderte Casaubon, dem es völlig entgangen war, daß er sie verletzt hatte; »aber wenn Du eine Dame zu Deiner Gesellschaft hättest, könnte ich Euch Beide unter die Obhut eines Cicerone stellen und wir würden so in derselben Zeit zwei Zwecke auf einmal erreichen können.«
»Bitte sprich nicht wieder davon,« sagte Dorothea in einem etwas hochfahrenden Tone. Aber alsbald fürchtete sie Unrecht getan zu haben, und indem sie sich zu ihm wandte und ihre Hand auf die seinige legte, fügte sie in einem anderen Tone hinzu: »Bitte mache Dir um meinetwillen keine Sorge. Ich werde an so Vieles zu denken haben, wenn ich allein bin. Und Tantripp wird eine hinreichende Begleitung für mich sein, mich zu behüten. Ich könnte es nicht ertragen Celia bei mir zu haben, sie würde sich unglücklich fühlen.«
Es war Zeit, Toilette zum Mittagessen zu machen. Es wurde an diesem Tage auf Tipton-Hof eine Mittagsgesellschaft gegeben, die letzte von den Gesellschaften, welche als geeignete Vorläufer der Hochzeit erschienen, und Dorothea war froh, sich beim Ertönen der Mittagsglocke sofort entfernen zu können, wie wenn sie einer mehr als gewöhnlichen Vorbereitung bedurft hätte. Sie schämte sich, über etwas gereizt zu sein, was sie sich selbst nicht erklären konnte; denn obgleich ihr jede Unwahrheit fern lag, hatte doch ihre Antwort das in ihr erweckte Gefühl der Verletztheit unberührt gelassen. Casaubons Worte waren ganz verständig gewesen, und doch hatte sie sich dabei der momentanen vagen Empfindung einer Entfremdung von seiner Seite nicht erwehren können.
»Ach gewiß, ich befinde mich in einem seltsam egoistischen, schwachen Gemütszustand,« dachte sie bei sich. »Wie kann ich einen Mann haben, der so weit über mir steht, ohne mir bewußt zu sein, daß er meiner weniger bedarf, als ich seiner?«
Nachdem sie sich überzeugt hatte, daß Casaubon völlig im Rechte sei, gewann sie ihren Gleichmut wieder, und bot das angenehme Bild heiterer Würde dar, als sie in ihrem silbergrauen Kleide, ihr dunkelbraunes Haar ganz in Übereinstimmung mit der Abwesenheit jeder Effekthascherei in ihrem Wesen und Ausdruck einfach gescheitelt und in einer dicken Flechte im Nacken aufgesteckt, den Salon betrat. Bisweilen schien, wenn Dorothea in Gesellschaft war, eine so völlige Ruhe über sie ausgegossen zu sein, als ob sie ein Bild der heiligen Barbara, wie sie von ihrem Turm in den klaren Himmel schaut, gewesen wäre; aber diese Intervallen der Ruhe machten die Energie ihrer Sprache und ihres Ausdrucks nur um so frappanter, so oft sie sich durch einen von Außen kommenden Appell zu einer Äußerung ihrer Gedanken aufgerufen fühlte.
Sie war natürlich an diesem Abende der Gegenstand vieler Beobachtungen, denn die Gesellschaft war groß und in ihren männlichen Bestandteilen mannigfaltiger zusammengesetzt, als noch irgend eine seit der Rückkehr seiner Nichten von Herrn Brooke gegebene, so daß die Unterhaltung in mehr oder weniger unharmonischen Duetten und Terzetten vor sich ging. Da waren der neuerwählte Mayor von Middlemarch, ein Fabrikant; sein Schwager, ein philanthropischer Bankier, der einen so entscheidenden Einfluß in der Stadt übte, daß Einige ihn einen Methodisten, Andere einen Heuchler nannten, je nach der ihnen zu Gebote stehenden Ausdrucksweise; da waren ferner verschiedene Künstler und Gelehrte.
Frau Cadwallader bemerkte, Brooke fange an die Middlemarcher zu fetieren, und sie ziehe die Gesellschaft der Pächter vor, welche bei dem Zehnten-Festmahl anspruchslos auf ihre Gesundheit tränken und sich des Mobiliars ihrer Großväter nicht schämten. Denn in jener Gegend des Landes fand, ehe die Reform so wesentlich auf die Entwicklung des politischen Bewusstseins gewirkt hatte, eine schärfere Abgrenzung der Stände und eine weniger scharfe Abgrenzung der Parteien statt, so daß die Einladung so verschiedenartig situierter Leute als ein Ausfluss jenes laxen Wesens des Herrn Brooke erschien, welches von seinen ungeordneten Reisen und seiner Aneignung zu vieler neuer Ideen herrührte.
Schon als Dorothea das Esszimmer verließ, machten sich verschiedene über sie angestellte Beobachtungen in leisen Ausrufen Luft. »Eine stattliche Erscheinung, das, eine ungewöhnlich stattliche Erscheinung, bei Gott!« bemerkte Herr Standish, der alte Advokat, der seit langen Jahren in so vielfachen Verbindungen mit dem Landadel stand, daß er selbst etwas Landadliges bekommen hatte und sich daher dieses mit großem Aplomb ausgerufenen »bei Gott« als des unzweideutigen Kennzeichens eines vornehmen Mannes bediente.
Die Worte schienen an Herrn Bulstrode, den Bankier, gerichtet zu sein; aber dieser Herr war kein Freund von rohen und profanen Ausdrücken und verneigte sich nur schweigend.
Ausgenommen aber wurde die Bemerkung von Herrn Chichely, einem als Jagdliebhaber bekannten Junggesellen von mittleren Jahren, mit einem Teint von der Farbe eines Ostereis und mit spärlichen Haaren, die er mit äußerster Sorgfalt frisierte, einem Manne, welcher in seinem ganzen Benehmen das stolze Bewusstsein seiner distinguierten Erscheinung zu erkennen gab.
»Ja,« sagte er, »aber nicht meine Schönheit. Ich liebe ein wenig mehr Koketterie bei Frauen. Wir Männer sehen es gern, wenn die Frauen etwas Herausforderndes in ihrem Wesen haben. Je stürmischer sie attackieren, desto besser.«
»Darin liegt etwas Wahres,« erwiderte Herr Standish, der zu einem munteren Gespräch aufgelegt war, »und bei Gott, das ist ja die Art der meisten Frauen und ich denke mir, das ist von der Vorsehung weise so eingerichtet, was Bulstrode?«
»Ich bin mehr geneigt weibliche Koketterie auf eine andere Quelle zurückzuführen. Ich würde eher den Teufel als ihren Urheber betrachten.«
»Nun СКАЧАТЬ