Karl der Große im Norden. Elena Brandenburg
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СКАЧАТЬ soziokulturellen Entwicklungen in Schweden zu Zeiten der Kalmarer Union verstanden werden kann. Auch die Wahl der Texte, ihre Platzierung innerhalb der Handschriften und die gemeinsame Tradierung können im Hinblick auf das Rezeptionsmilieu als intendiert betrachtet werden. In diesem Zusammenhang wird der Frage nachgegangen, inwiefern Sammelhandschriften als Zeugnis „for cultural exchange and identity formation by concentrating on the contextualisation and re-contextualisation“1 betrachtet werden können.

      Die Zeit der Kalmarer UnionKalmarer Union wurde in der norwegischen, schwedischen und dänischen Forschung unter verschiedenen Blickwinkeln betrachtet und kontrovers diskutiert. Im Folgenden werden die relevanten historischen Persönlichkeiten und Begebenheiten dieser Zeit präsentiert, die zur Einordnung und Interpretation der Texte der vier SammelhandschriftenSammelhandschrift beitragen können.

      Als Wegbereiterin der Kalmarer UnionKalmarer Union gilt Margarete I., die als Tochter des dänischen Königs Waldemar Atterdag und Ehefrau des norwegischen Königs Hákon VI. Magnússon ohnehin die innernordischen dynastischen Verbindungen verkörperte. Nach dem Tod ihres Vaters 1375 wurden Margaretes „unionistische Bestrebungen“Kalmarer Union2 deutlich, als sie sich auch als schwedische Königin titulierte. Nach dem Tod ihres Mannes im Jahre 1380 wurde ihr Sohn Olaf als letzter männlicher Vertreter der Dynastie der folkungar König von Norwegen, starb aber sieben Jahre später. Daraufhin gelang es Margarete, sich durch die Adoption ihres Großneffen Bogislaw von Pommern-Stolp, der später den nordischen Königsnamen Erich bzw. Erik annahm, gegen die zurecht bestehenden Ansprüche der Mecklenburger auf die schwedische Krone durchzusetzen.3 Die politisch-dynastische Stabilisierung durch Margarete ermöglichte auch den Sturz des schwedischen Königs Albrecht III. von Mecklenburg (Regierungszeit 1368–1383), der in Schweden ohnehin keine starke Stellung hatte.Kalmarer Union4 Albrechts schwache Position resultierte aus seinen Bestrebungen, sich eine zuverlässige Anhängerschaft aus den heimischen Adligen zu schaffen, mit deren Hilfe er sich in Schweden behaupten wollte. Für diese adligen Einwanderer standen finanzielle Vorteile ebenso wie herausragende politische Stellungen in Aussicht, was für Unmut seitens der schwedischen Aristokraten als auch Bauern sorgte, die über hohe Abgaben klagten.

      In dieser politisch angespannten Atmosphäre gegenüber dem deutschstämmigen König war es, als der siebzehnjährige König Olaf von Norwegen und Dänemark, Sohn von Margarete und Hákon Magnusson 1387 starb, für Albrecht nahezu unmöglich, seine faktisch bestehenden Ansprüche auf die beiden Reiche durchzusetzen; denn Margarete ließ sich in die verfassungsrechtlich nicht vorgesehene Stellung eines weiblichen Königs erheben.5 Bald darauf verhandelte sie schon mit den Vertretern der schwedischen Aristokratie darüber, auch zur Königin des schwedischen Reiches zu werden. Durch eine gemeinnordische Regentin versprach sich der schwedische Adel eine stärkere Position und die Rückgewinnung des schwedischen Besitzes, welche durch die Regentschaft Albrechts III. und seine Bevorzugung der heimischen Adligen verloren gegangen waren. Im Februar 1389 erlitt Albrecht III. mit seinem Heer die entscheidende Niederlage bei Falköping, woraufhin er und sein Sohn Erich gefangen genommen wurden und sich bis 1395 in Margaretes Gewahrsam befanden.6 Auch nach seiner Freilassung und Rückkehr nach Mecklenburg wollte Albrecht seine Ansprüche auf den schwedischen Thron nicht aufgeben, und erst im November 1405 schloss er Frieden mit Margarete und Erik. Diese Ansprüche, so Detlef Kattinger, veranlassten Margarete dazu, eine Union zwischen Dänemark, Schweden und Norwegen zu initiieren, um so die dynastisch legitimierten Forderungen der Mecklenburger zu unterbinden.

      Albrechts „labiles Herrschaftsgefüge“,7 das unter anderem auf der Präsenz der mecklenburgischen Aristokraten, Ritter und Knappen beruhte, wurde auf literarischem Wege aufgearbeitet: Das allegorische Gedicht Dikten om Kung AlbrektDikten om Kung Albrekt, das in der Handschrift Cod. Holm. D4Cod. Holm. D4 enthalten ist, wird in der Forschung als propagandistisch bewertet. Als Entstehungsmilieu wird hier das aristokratische Umfeld um den Reichsdrosten Bo Jonsson Grip angenommen, der „das Fatum König Albrechts in Schweden nicht nur als Ratgeber“8 bestimmte, sondern auch bei den politischen Regierungsaktivitäten Albrechts mitbestimmt zu haben scheint. Die Beteiligung von Bo Jonsson Grip, der gleichzeitig der Auftraggeber von Konung AlexanderKonung Alexander, einem weiteren Text der Handschrift Cod. Holm. D4 war, am politischen Geschehen um König Albrecht offenbart die Verflechtungen zwischen Politik und Literaturproduktion in Schweden während der Kalmarer UnionKalmarer Union.

      1396 wurde Erik, Margaretes Adoptivsohn, der zuvor schon zum norwegischen Erbkönig erhoben und zum dänischen König gewählt worden war, auch zum schwedischen König ernannt. „Symbolträchtig“9 fand die Krönung Eriks für alle drei Reiche am Dreifaltigkeitstag, dem 17. Juni 1397, in Kalmar in Anwesenheit der Adelsvertreter aller drei Reiche statt.10 Zwei Dokumente aus dieser Zeit bezeugen die verfassungsrechtlichen Aspekte der Union: Der Krönungsbrief und der Unionsbrief vom 13., möglicherweise 20. Juli 1397.11 Die Alleinherrschaft Eriks von PommernErik von Pommern begann jedoch erst 1412, nach dem Tod Margaretes. Wie Jens E. Olesen anmerkt, galt Erik von Pommern in der älteren, national orientierten Geschichtsschreibung Schwedens als ein deutscher König, der weder dänische noch norwegische und schon gar nicht schwedische Interessen wahrgenommen habe.12 Dabei war seine Außenpolitik, wie auch schon Margaretes, antihansisch ausgerichtet, was vor allem zur Verbesserung der Außenhandelsposition der Städte und zum Schutz der einheimischen Kaufleute beitragen sollte.13 Weiterhin war Erik außenpolitisch an den gestärkten Verbindungen mit Polen und den pommerschen und baltischen Gebieten interessiert und plante außerdem, die ehemals dänische Herrschaft über Estland zurückzuerlangen – dies war seine Vision eines dominium maris Baltici.Erik von Pommern14 Durch die Heirat Eriks mit Philippa von England im Jahre 1406 waren die vereinten nordischen Staaten gleichzeitig auch westeuropäisch ausgerichtet, was durch die Privilegien, die Erik den englischen Kaufleuten im Ostseeraum gewährte, nur verstärkt wurde.

      Zwischen 1416 und 1432 prägte die zunächst juristische, später militärische Auseinandersetzung um Schleswig Eriks Handels- und Außenpolitik, in die alle drei Unionsreiche involviert waren. Bis zum Beginn der 1430er Jahre gab es vorerst keinen Widerstand gegen die Politik Eriks von PommernErik von Pommern: Als gelungen bezeichnet Olesen die Bestrebungen des Königs, die dänischen Reichsräte, die aus erfahrenen, ausgebildeten, gut situierten und dank des Besitzes von Schloßlehen ebenso militärisch bedeutsamen Personen bestanden, auf seine Seite zu ziehen und den Adel an seine Politik zu binden.15 In Schweden hingegen gab es schon zu Margaretes Zeiten Kritik seitens der Kirche an der königlichen Politik. In den Zeiten des Krieges um Holstein mussten auch die Kirchen für die Kriegssteuern aufkommen. Die Lehnspolitik Eriks war ein weiterer Grund für die Unzufriedenheit unter der schwedischen Aristokratie, denn die Rechenschaftslehen waren vor allem an Deutsche und Dänen vergeben worden.16

      Neben der Kirche und Aristokratie wuchs die Ablehnung auch unter den Bauern gegen den Steuerdruck des Königs. 1434 mündete dieser Unmut im sogenannten Engelbrekt Engelbrektssons Aufstand, der sich vom Bergbaugebiet Dalarna auf große Teile Schwedens ausdehnte. Die wirtschaftliche Notlage der Bergbauern, die unter den ökonomischen und handelspolitischen Konflikten während der Regierungszeit Eriks litten, zählt zu einem der wichtigsten Faktoren des Aufstandes.Kalmarer Union17 Dem ‚gemeinen Mann‘ vom Lande (almoghe) schloss sich im August 1434 auch die Reichsaristokratie an. Zernack bezeichnet dies als „Konföderation der Stände“18 gegen die Krone im Namen ständischer Freiheit. Der landesweite Aufstand richtete sich vor allem gegen Eriks „absolutistische Politik, nicht gegen die Union als solche“.19 Die folgenden stattfindenden Verhandlungen mit dem schwedischen Reichsrat beim Unionstreffen in Kalmar im Sommer 1436 bestärkten die ratskonstitutionelle Programmatik gegenüber der autokratischen Unionsmonarchie. In Dänemark gestaltete sich die Situation ebenfalls kompliziert, es folgten Konflikte mit den dänischen Reichsräten 1436 und 1438. Schließlich wurde 1439 sowohl vom dänischen Reichsrat als auch von der schwedischen Adelsversammlung jeweils ein Absagebrief an Erik von PommernErik von Pommern ausgestellt.20 1440 folgte der norwegische Reichsrat den beiden anderen Reichen. Eriks Absetzung in allen drei Reichen kann als das Ende der unionistischen Politik eines regimen regale betrachtet werden: Eine zentralisierende Integrationspolitik des Unionkönigtums war nun kaum mehr möglich und zu einer 1439 in Jönköping vereinbarten gemeinsamen Königswahl kam es nie.21

      Der СКАЧАТЬ