Didaktik und Neurowissenschaften. Michaela Sambanis
Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Didaktik und Neurowissenschaften - Michaela Sambanis страница 9

Название: Didaktik und Neurowissenschaften

Автор: Michaela Sambanis

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: narr studienbücher

isbn: 9783823300663

isbn:

СКАЧАТЬ intelligentes Verhalten erst erlaubt, ist so komplex, dass die dazu notwendigen Informationen in all ihren Einzelheiten überhaupt nicht in den GenenGene abgelegt werden können (vgl. Changeux & Danchin 1976). Daher nehmen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an, dass die Informationen, die in Form von Erfahrungen und Erlebnissen ohnehin jedem Menschen zu Verfügung stehen, – etwa Licht (hell und dunkel, Farben, Formen), Geräusche (Klänge, Töne, Tonhöhen, Rhythmus) usw. – genutzt werden, um die korrekte Verknüpfung sicherzustellen, ohne dass alles im Detail in den Genen vorweggenommen werden und in den Vernetzungen genetisch gesteuert repräsentiert werden muss (vgl. Karmiloff-Smith 2006). Das bedeutet aber nicht, dass der genetische Einfluss unerheblich wäre. Die grundlegenden, bei der Geburt bereits angelegten Verbindungen (z.B. die großen Verbindungsstränge zwischen Hirngebieten, die Verbindungen von den Sinnesorganen zum Gehirn und vom Gehirn zur Muskulatur) sind genetisch vorgegeben, ebenso, wenn auch in geringerem Umfang (vgl. van den Heuvel et al. 2013), ein Teil der kürzeren Verbindungen. Damit ist eine Grundstruktur, sozusagen ein „Raster“ festgelegt, innerhalb dessen Umwelteinflüsse Details des Wachstums anregen können. Zudem wirken genetische Faktoren über den gesamten Entwicklungsverlauf, initiieren und beeinflussen immer wieder Wachstums- und Veränderungsprozesse im Gehirn (vgl. z.B. Sowell et al. 2003).

      

2.3 Etwa 40 % der SynapsenSynapse werden „umsonst“ erzeugt! Lohnt sich der Aufwand tatsächlich?

      2.3 Ein Schritt nach dem anderen: Hirngebiete entwickeln sich nacheinander

      Auch wenn Babys von Geburt an sehen und hören können, haben der primäre auditorischeauditorisch und visuellevisuell CortexCortex erst mit etwa 10 Jahren die Synapsendichte erreicht, die für Erwachsene typisch ist (vgl. Huttenlocher 1990). Und trotzdem sind die Wahrnehmungsleistungen auch mit 10 Jahren immer noch nicht auf dem Niveau von Erwachsenen. Das liegt unter anderem daran, dass unsere Wahrnehmung nicht allein auf der Verarbeitung in den primären Arealeprimäre Arealen beruht. Die primären Areale sind von sekundären WahrnehmungsarealenWahrnehmungsareale umgeben, in denen weitere wichtige Verarbeitungsschritte stattfinden. Im visuellen System gibt es eine Vielzahl untereinander vernetzter nachgeschalteter Areale. Hier werden z.B. Formen, Farben, Bewegungen, räumliche Positionen und Ausdehnung von Objekten getrennt weiterverarbeitet und bis ins Detail analysiert. Im auditorischen System dienen die nachgeschalteten Areale u.a. der Analyse von Geräuschen, Klängen und Melodien und der Sprachverarbeitung. Diese Leistungen basieren nicht nur auf dem Sinneseindruck an sich, sondern insbesondere auch auf dem Abgleich der aktuellen Wahrnehmung mit bereits gespeicherten Informationen, also vorhandenem Wissen. Diese Vergleiche erlauben es, Sinnesinformation zu bewerten (etwa als neu oder vertraut) und hinsichtlich ihrer Bedeutung zu interpretieren. Unser VorwissenVorwissen ermöglicht es, z.B. das Maunzen einer Katze zu erkennen oder das Klingeln der Türglocke vom Telefon zu unterscheiden.1 Die sekundären Wahrnehmungsareale können mit ihrem Reifungsprozess, insbesondere mit dem PruningPruning, erst starten, wenn die primären Areale ihre Arbeit bereits aufgenommen haben. Dazu brauchen die primären Areale noch nicht ausgereift zu sein, müssen aber ein Synapsennetz besitzen, das dicht genug ist, um Informationen zu verarbeiten und an die nachgeschalteten Areale weiterzugeben (vgl. Casey et al. 2005). Erst, wenn die nachgeschalteten Areale, hier also die sekundären Wahrnehmungsareale, „Input“ in Form von Nervenimpulsen bekommen, können sie feststellen, welche Verbindungen dabei häufig genutzt werden und welche Verbindungen weniger nützlich sind. Der aufeinander aufbauende Entwicklungsverlauf der Areale bringt es mit sich, dass bestimmte Leistungen selbst der Sinnessysteme erst recht spät entwickelt werden. Ein frappierendes Beispiel hierfür ist die Schätzung der Geschwindigkeit sich bewegender Objekte durch das SehsystemSehsystem: Erst mit etwa 16 Jahren kann ein junger Mensch ebenso verlässlich wie ein Erwachsener einschätzen, mit welcher Geschwindigkeit sich ein Objekt (z.B. ein Auto) nähert.

      Abb. 4: Die multimodalen AssoziationsarealeAssoziationsareale (angegeben ist die ungefähre Lage im Gehirn) dienen der VernetzungVernetzung zwischen den Sinnessystemen bzw. zwischen Sinnesinformationen und Bewegungen/Handlungen. Die Verbindung dieser Informationen ist die Basis für höhere kognitive Leistungen. Der präfrontale Cortexpräfrontaler Cortex, die u.a. für die Handlungsplanung bedeutsame Region, lässt sich in den dorsolateralen präfrontalen CortexCortex (DLPFC), den lateralen präfrontalen Cortex (LPFC), den ventrolateralen präfrontalen Cortex (VLPFC) und den orbitofrontalen Cortex (OFC) untergliedern.

      Sobald die sekundären sensorischen Areale wenigstens grundsätzlich funktionieren, nehmen als letzte Bereiche der GroßhirnrindeGroßhirnrinde die (multimodalen) AssoziationsarealeAssoziationsareale ihre Arbeit auf (vgl. Gogtay et al. 2004). Sie verbinden die Informationen aus mehreren Sinnessystemen, ordnen sie, speichern Beziehungen zwischen den unterschiedlichen Sinneseindrücken2 und bilden so nach und nach Kategorien und Konzepte aus. Ihre Arbeit ist die Basis für höhere kognitive Funktionen, planvolles Handeln, strategische Vorgehensweisen und langfristige Planungen. Eines der Assoziationsareale liegt im ParietallappenParietallappen (vgl. Abb. 4) und grenzt an visuellevisuell, auditive und somatosensorische Areale. Hier findet die Integration dieser Sinnesinformationen vorrangig im Hinblick auf räumliche Aspekte statt. Ein weiteres Assoziationsareal liegt im TemporallappenTemporallappen und ist schwerpunktmäßig an der Erkennung und Kategorisierung von Objekten beteiligt. Das frontale Assoziationsareal, der präfrontale Cortexpräfrontaler Cortex, ist zentral für die Steuerung planvollen Handelns. Die Assoziationsareale reifen erst während der PubertätPubertät aus, einige Bereiche des Parietallappens und des präfrontalen CortexCortex sogar erst im frühen Erwachsenenalter (vgl. Gogtay et al. 2004; Huttenlocher 1979, 1990; Sowell et al. 2003). Ausgewählte Aspekte der Hirnreifung in der Pubertät und AdoleszenzAdoleszenz werden in Kap. 2.6 dargestellt.

      2.4 Vom Feldweg zur Schnellstraße: Myelinisierung von Nervenfasern

      Parallel zum Aufbau des Neuronennetzes hat bereits ein weiterer Prozess begonnen, der die Verarbeitungsgeschwindigkeit beeinflusst, aber auch die Intensität der neuronalen AktivierungAktivierung erhöht (vgl. Olesen, Nagy et al. 2003): Die Nervenfasern erhalten ihre Myelinschicht, die wie eine Art Isolierung die Leitfähigkeit der Nervenfasern verbessert. So können die elektrischen Impulse über die AxoneAxone schneller und verlässlicher weitergegeben werden. Auch hier sind die Gliazellen wieder von immenser Bedeutung. Spezielle Gliazellen, die OligodendrocytenOligodendrocyten, wickeln sich spiralförmig um die Axone, sodass ihre Zellmembran schließlich in vielen Schichten um das Axon herum liegt. Die Gliazellen lagern in ihren Zellmembranen einen sehr hohen Anteil an Lipiden ein, die die Isolierung gewährleisten. Da MyelinMyelin eine weißliche Farbe hat, spricht man von der weißen Substanzweiße Substanz des Gehirns. Durch die Myelinisierung steigt die Geschwindigkeit, mit der Nervenimpulse von einem NeuronNeuronen zum anderen weitergegeben werden, von 3 Metern pro Sekunde auf bis zu 115 Metern pro Sekunde. Damit werden Wahrnehmungs-, Denk- und Entscheidungsprozesse um ein Vielfaches schneller und effektiver.

      Die Myelinisierung beginnt im motorischen und somatosensorischen System (vgl. Abb. 4), also in den Bereichen, in denen auch die SynaptogeneseSynaptogenese begonnen hat. Das ist nur folgerichtig, denn schließlich sind hier die AxoneAxone, die umhüllt werden sollen, bereits ausgebildet. Im Kernspinbild ist die beginnende Myelinisierung in diesen beiden Regionen schon bei der Geburt sichtbar (vgl. Staudt, Krägeloh-Mann & Grodd 2000). Darauf folgt die Myelinisierung der Axone des primären auditorischenauditorisch und visuellenvisuell CortexCortex (im Alter von 5 Monaten, vgl. Dubois et al. 2014; Staudt et al. 2000). Die Myelinisierung der AssoziationsarealeAssoziationsareale verläuft tendenziell von hinten nach vorne. Die Myelinisierung des parietalen, hinteren Assoziationscortex beginnt also vor der des frontalen Assoziationscortex. Der frontale Cortexfrontaler Cortex reift als Letztes aus. Anders als bei der Reifung der Neurone, ist die Myelinisierung nicht an einzelne Areale der GroßhirnrindeGroßhirnrinde gebunden, sondern betrifft vielmehr das „Innere“ des Großhirns, das sogenannte Mark. Hier verlaufen die großen Nervenbahnen aus vielen langen Axonen, die die Informationen СКАЧАТЬ