Didaktik und Neurowissenschaften. Michaela Sambanis
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Название: Didaktik und Neurowissenschaften

Автор: Michaela Sambanis

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: narr studienbücher

isbn: 9783823300663

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СКАЧАТЬ mir das gut vorstellen. Aber was mache ich, wenn’s im Unterricht selbst zu laut wird? Eine Binsenweisheit in diesem Zusammenhang ist die, niemals LärmLärm mit Lärm bekämpfen zu wollen. Dadurch wird es nur noch lauter – es sei denn, es ist ein bemerkenswertes, kurzes Signal. Ich hatte im Referendariat einen Seminarleiter, der hat plötzlich eine alte Hupe aus seiner Schublade geholt und mit dem Tröten-Ton alle überrascht.

      Gesa: Das war ein akustischer Novitäten-Effekt, etwas Unerwartetes und in der Schulumgebung eigentlich Abwegiges. Darauf achten wir automatisch, aber wir gewöhnen uns auch daran, wenn es uns wiederholt begegnet.

      Dianne: In der Theaterpädagogik gibt es eine Technik, die ganz gut in Klassenzimmern, Seminarräumen oder Hörsälen klappt: Man fängt an zu klatschen und bittet einfach ein paar, sich zu beteiligen. Alle schauen in die Richtung, aus der plötzlich Applaus kommt und man kann alle einladen, sich zu beteiligen. Das ist eine schöne Technik, wenn man Gruppenarbeit beenden und zu einer anderen Phase überleiten möchte.

      Claudia: Und natürlich gibt es die Klassiker Handzeichen, z.B. der stille Fuchs, wo man mit ausgestrecktem Zeigefinger und kleinem Finger einen Tierkopf nachahmt, der als stummer Impuls für mehr RuheRuhe sorgen soll, das Runterzählen oder auch den Geduldsfaden, der an die Tafel gezeichnet, dann nach und nach ausgewischt und dadurch verkürzt wird, bis er weg ist. Dann muss es ruhig sein.

      Peter: Mit dem stillen Fuchs könnte ich meine Klassen nicht mehr zur RuheRuhe bringen, eher im Gegenteil.

      Claudia: Klar, aber meine Lieblings-StilleStille-Technik könnte zumindest deinen Fünft- und vielleicht auch den Sechstklässlern noch gefallen: Zu Beginn des Monats erklären wir ein beliebiges Wort zum Stille-WortStille-Wort des Monats und notieren es für alle sichtbar. Das Stille-Wort ist eine Art Codewort, das nicht nur die Lehrkraft verwenden darf, sondern auch die Kinder. Wann immer jemand auf die Wortkarte zeigt bzw. wann immer es ausgesprochen oder angeschrieben wird, empfindet es jemand als zu laut. Wie bei allem, muss man natürlich auch hier darauf hinwirken, dass es nicht inflationär gebraucht wird, sondern, wie ein Hilferuf, nur im Notfall.

      Wir wechseln ab zwischen englischen und deutschen Wörtern, z.B. hatten wir kürzlich Funkstille ausgesucht, davor war es Hängebauchschwein – hat nichts mit StilleStille zu tun, muss es auch nicht. Ist ja schließlich unser geheimer Code. Auf Englisch waren es schon lullaby und bumblebee. Es können auch Wörter aus den Familiensprachen der Kinder sein. Ich google dann kurz die anderssprachigen Vorschläge, um sicherzugehen, dass wir kein „schlimmes“ Wort verwenden.

      Peter: Hat Potenzial, gerade die Möglichkeit, auch Wörter aus anderen Sprachen zum StilleStille-WortStille-Wort des Monats zu erklären, gefällt mir. Das ist zugleich eine kleine Geste, um Herkunftssprachen zu würdigen. Auch der Überraschungseffekt, wenn das Stille-Wort einfach in den sonstigen Redefluss eingebaut wird, ist sicher netter als der mahnend erhobene Zeigefinger.

      Ich stelle mir gerade vor, wie ich einen Text an die Tafel schreibe, den die Klasse abschreiben soll. Dann wird es, was ja manchmal vorkommt, wenn man sich als Lehrer auf die Tafel konzentriert, hinter mir laut, aber ich interveniere nicht verbal, sondern schreibe einfach mitten in den Satz hinein das StilleStille-WortStille-Wort, sagen wir Hängebauchschwein. Jede Wette, dass die Hälfte es schon abgeschrieben, hat, bevor sie merken, dass Hängebauschwein gar nicht in den Kontext passt, sondern eine subtile Botschaft ist und zugleich ein Beleg dafür, dass die Konzentration nicht ausreichend hoch ist. Ich denke, das kann man mit der richtigen Mischung aus Ernst und Humor dann dazu nutzen, dass die Klasse sich daran erinnert, dass bei Aufgaben, bei denen Sprache im ArbeitsgedächtnisArbeitsgedächtnis gehalten werden muss, also z.B. beim Abschreiben, weniger LärmLärm mehr bringt.

      2.5.2 Nutzung alternativer Hirnstrukturen und StrategienStrategien

      Dass bei Kindern bestimmte Gehirnstrukturen noch nicht so ausgebildet sind wie bei Erwachsenen, führt nicht nur zu Unterschieden innerhalb der einzelnen Bereiche im Sinne einer teilweise globaleren oder flexiblen bzw. störanfälligen Arbeitsweise. Einige Dinge können Kinder überhaupt nicht bewältigen – ja manchmal nicht einmal verstehen – da es noch keine RepräsentationRepräsentation dafür in ihren Gehirnen gibt. Bei anderen Aufgaben verwenden Kinder andere Hirnareale für die Bearbeitung als Erwachsene, mit der Konsequenz, dass sie zu einem anderen Ergebnis kommen.

      Ein sehr frühes Beispiel hierfür ist die Fähigkeit von Kindern, sich einen Ort zu merken. Bis zum Abschluss des ersten WachstumsschubesWachstumsschub des Gehirns, also etwa bis zum Alter von 3 ½ Jahren können sich Kinder die räumliche Lage eines Ortes, an dem z.B. eine Belohnung versteckt ist, nur schlecht merken. Wenn alle Orte gleich aussehen und sich nur in ihrer Position unterscheiden (z.B. Vertiefungen, die alle durch gleich aussehende Deckelchen abgedeckt sind), finden die Kinder die Belohnung kaum. Wenn der Ort gesondert markiert ist, etwa durch ein zusätzliches Objekt oder eine bestimmte Deckelfarbe, finden die Kinder die Belohnung verlässlich (vgl. Ribordy, Jabès et al. 2013). Letztlich ist das ein Hinweis darauf, dass Kinder die räumlichen Positionen entweder nicht erinnern oder die Erinnerung nicht nutzen können, um versteckte Gegenstände zu finden. Offensichtlich fällt es ihnen aber leicht, die visuellevisuell Objekterkennung zu nutzen, um den Ort wiederzufinden, an dem ein Gegenstand versteckt ist. Objekterkennung wird von Hirnregionen geleistet, die im TemporallappenTemporallappen liegen. Räumliche Positionen und räumliche Beziehungen werden dagegen im ParietallappenParietallappen verarbeitet. Letztere Informationen stehen für die Suche nach versteckten Objekten scheinbar noch nicht bzw. nur stark eingeschränkt zur Verfügung.1

      Aber nicht nur bei den ganz kleinen Kindern stehen bestimmte Areale für bestimmte Aufgaben noch nicht zur Verfügung.2 So können auch Kinder vor dem dritten WachstumsschubWachstumsschub des Gehirns, also vor dem Alter von 11 bis 12 Jahren auf bestimmte Funktionen nicht so zugreifen wie Erwachsene, weil die entsprechenden Areale oder Verbindungen zwischen Hirnbereichen noch nicht ausgereift sind.

      Beispielsweise nutzen Erwachsene bei der Entscheidung, ob ein Objekt unter natürlichen Bedingungen in einer bestimmten Farbe vorkommt, AssoziationsarealeAssoziationsareale im ParietallappenParietallappen und im präfrontalen Cortexpräfrontaler Cortex. Kinder im Alter von 8 bis 11 Jahren dagegen nutzen für dieselbe Aufgabe Hirnbereiche, die früheren Verarbeitungsstufen entsprechen: die sekundären visuellenvisuell Areale (vgl. Maril et al. 2011). Die Nutzung unterschiedlicher Hirngebiete bei der gleichen Aufgabe hat zwei Auswirkungen: Zum einen machen die Kinder insgesamt mehr Fehler. Zum anderen berichten Kinder häufiger als Erwachsene, dass sie sich in ihrer Entscheidung unsicher sind und zwar selbst dann, wenn sie eigentlich die richtige Antwort gegeben haben. Die Unsicherheit ist darauf zurückzuführen, dass die WahrnehmungsarealeWahrnehmungsareale, die die Kinder zum Lösen der Aufgabe verwenden, nur eingeschränkt dem Bewusstsein zugänglich sind. Natürlich werden wir uns vieler Dinge bewusst, die unsere Sinne aufnehmen. Das liegt aber daran, dass unsere Wahrnehmungsareale sie sozusagen aktiv an die Assoziationsareale „weiterreichen“, deren Inhalte unserem Bewusstsein zugänglich sind.3 Vieles von dem, was unsere Wahrnehmungsareale verarbeiten, wird uns aber überhaupt nicht bewusst. Dementsprechend ist es schwierig, auf die Informationen und Zusammenhänge zuzugreifen, die nur in den primären und sekundären Wahrnehmungsarealen abgelegt sind und keine Entsprechung in den Assoziationsarealen haben. Das bedeutet, dass es nur schlecht gelingt, sich diese Inhalte und Zusammenhänge bewusst zu machen oder sie willentlich zu erinnern. Das dort gespeicherte Wissen ist, wenn wir es denn abrufen können, eher „gefühltes“ Wissen und wird nicht als tatsächlich sicher „gewusst“ empfunden. Und genau das macht das Gefühl der Unsicherheit bei den Kindern in der oben beschriebenen Untersuchung aus. Als Erwachsener hat man ein solches Gefühl auch gelegentlich, z.B. wenn man in einer Stadt, die man nur flüchtig von einem lange zurückliegenden Besuch kennt, seinen Weg sucht. Bestimmte Ecken und Straßen scheinen vertrauter als andere: „Ich glaube, wir müssen da lang.“ – Aber so ganz sicher ist man sich nicht und die Wahrscheinlichkeit СКАЧАТЬ