Didaktik und Neurowissenschaften. Michaela Sambanis
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Название: Didaktik und Neurowissenschaften

Автор: Michaela Sambanis

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: narr studienbücher

isbn: 9783823300663

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СКАЧАТЬ das zu einem späteren Zeitpunkt nützlich wäre – oder sogar gefährlich.

      3 Die an manchen Punkten noch „ungenaue“ Verarbeitung von Sinnesreizen erlaubt es, die seh-, hör-, und tastbaren Objekte in der Umgebung zunächst auf einer übergeordneten, globalen Ebene zu betrachten und sich nicht in den Details zu verlieren. Anschaulich wird dieser Mechanismus, wenn man sich vorstellt, dass man als Erwachsener ein Tier aus weiter Ferne sieht oder auf einem unscharfen Foto. Man kann noch recht gut erkennen, dass es sich um ein Tier handelt. Ob es nun aber ein Fuchs, eine Katze, ein nicht allzu großer Hund oder vielleicht doch etwas anderes ist, lässt sich manchmal nur schlecht feststellen. Hier sieht man sehr schön, dass eine gewisse Ungenauigkeit Gemeinsamkeiten einzelner Objekte hervorhebt. Solche Gemeinsamkeiten wiederum sind die Basis für die Bildung von Kategorien (in unserem Beispiel die Kategorie Tier). Besonders im Spracherwerb, aber auch in vielen anderen Bereichen ist ein solcher Mechanismus sehr nützlich.

       PraxisfensterPraxisfenster

      Claudia: Ich möchte gerne das Thema LärmLärm nochmal aufgreifen.1 Ich habe den Eindruck, dass es oft im Zusammenhang mit der Lehrergesundheit betrachtet wurde, was zweifellos wichtig ist. Aber Lärm wirkt sich auch auf die Kinder aus, auf ihr Befinden und den Lernerfolg. Manchmal ist es schon etwas laut im Klassenzimmer, und wenn man, mal abgesehen von möglichem Stresserleben durch Lärm, bedenkt, wie sehr der Unterrichtsertrag auf dem Erfolg der sprachlichen Interaktion beruht, ist das beunruhigend.

      Gesa: Kolleginnen und Kollegen aus der Psychologie haben Studien durchgeführt mit Messungen des Lärmpegels, mit dem Ergebnis, dass in einem durchschnittlichen Grundschulklassenzimmer der mittlere Lärmpegel in verschiedenen Phasen, ganz besonders bei Gruppenarbeit, dicht bei dem einer viel befahrenen Autostraße liegt.2

      Dianne: Und wir wissen, dass der Lärmpegel für jüngere Kinder ein größeres Problem darstellt als für ältere. Hintergrundgeräusche stören sie mehr und ungünstige Nachhallzeiten im Raum sind besonders abträglich.

      Peter: Wenn ich z.B. vorne im Klassenzimmer spreche und der Raum hat eine lange Nachhallzeit, dann überlagern sich meine Sprechsilben, weil Silbe 2 sich sozusagen schon auf den Weg macht, während Silbe 1 noch immer in der Luft hängt, mal ganz einfach gesagt. So habe ich das mit der Nachhallzeit jedenfalls verstanden, als wir vor zwei Jahren einen Sanierungszuschlag erhalten haben und die Klassenräume renovieren durften. Ich konnte mit einer Schüler-AG in einigen gemeinsamen Sitzungen mit dem Architekten zusammenkommen, Ideen entwickeln und einige davon sind auch umgesetzt worden. Ein wichtiges Thema in den Arbeitssitzungen waren physikalische Umwelteinflüsse, besonders Farben, Licht und eben die Nachhallzeit. Wir haben dann tatsächlich ein paar schallabsorbierende Wände und Deckenverkleidungen bekommen.

      Claudia: Das sei euch von Herzen gegönnt, aber ich frage trotzdem mal nach: Dianne hat gerade gesagt, dass jüngere Kinder stärker beeinträchtigt werden. Hätten dann nicht zuerst wir an der Grundschule die schallschluckenden Wände bekommen müssen? Wie gesagt, ich denke nur mal quer und frage mich, ob die Investition nicht in einer Grundschule mindestens genauso gut platziert gewesen wäre.

      Peter: Ich finde es absolut legitim, diese Frage zu stellen. Was weiß man dazu?

      Dianne: Man weiß, dass Jugendliche erst ab ca. 14 Jahren in der Lage sind, Hintergrundgeräusche sowie Nachhall besser zu unterdrücken, um dadurch auch bei weniger günstigen Verhältnissen trotzdem recht gut zu verstehen.

      Gesa: Die zur Erbringung des Unterdrückens von StörreizenStörreize und des Herausfilterns und Verarbeitens von Sprachreizen erforderlichen auditiven, sprachlichen und kognitiven Fähigkeiten kommen erst im Laufe des Jugendalters zur Entfaltung.3 Die Kinder verbringen also die Zeit, in der Hintergrundgeräusche besonders abträglich sein können, sowohl in der Grundschule als auch in der weiterführenden Schule. Abgesehen davon, darf man nicht vergessen, dass Kinder mit ADHSAD(H)S, LRS, Sprachverarbeitungsstörungen, einer Sprachenbiografie, in der das Deutsche erst spät dazukam usw. auch in höheren Klassen noch durch eine ungünstige Raumakustik sehr beeinträchtigt werden können.

      Claudia, du hattest darauf hingewiesen, dass im Unterricht viel an der Sprache hängt, und Studien haben gezeigt, dass Hintergrundgeräusche dann besonders störend sind, wenn es darum geht, sprachliche Informationen im ArbeitsgedächtnisArbeitsgedächtnis zu halten.

      Dianne: Und das betrifft ganz viele Aufgabenstellungen in unterschiedlichen Fächern, z.B. alle, bei denen es um sinnentnehmendes Lesen geht, also z.B. auch Textaufgaben in der Mathematik oder Zahlenoperationen, die im Kopf versprachlicht werden. Natürlich betrifft es auch das Vokabellernen und das Einprägen von Fakten. Dann scheint RuheRuhe wichtig und z.B. Gruppenarbeit oder Hintergrundmusik eher schlecht platziert zu sein.4 Man sollte aber die Kinder auch nicht ständig um Ruhe bitten und keineswegs generell auf Gruppenarbeit usw. verzichten, sondern vielmehr abwägen, wann Ruhe nötig ist.

      Peter: Beispielsweise vor Inputphasen versuche ich, meine Schülerinnen und Schüler zur RuheRuhe kommen zu lassen. Wir haben uns im Kollegium auf einige StilleStille-Techniken verständigt, die wir jeweils für altersangemessen halten. Außerdem erkläre ich meinen Schülerinnen und Schülern im Bedarfsfall kurz, warum ein niedriger Lärmpegel für eine bestimmte Arbeitsphase wichtig, sinnvoll und letztlich in ihrem eigenen Interesse ist. Bei meinen Klassen stieg dadurch die Bereitschaft, Stille-Techniken anzunehmen und auf eine gemäßigte Sprechlautstärke bei der Gruppenarbeit zu achten.

      Dianne: In Unterrichtsbesuchen habe ich den Eindruck gewonnen, dass es in Inputphasen nicht schlecht ist, wenn z.B. eher zappelige Kinder nicht ausgerechnet zwischen der oder dem Vortragenden und der Klasse sitzen, sondern wenn sie eher außen platziert sind.

      Claudia: Da ist was dran. Bei meinen Grundschulkindern muss ich außerdem bedenken, dass manche das leise Sprechen, wie es z.B. in Partnerarbeit gebraucht wird, noch gar nicht in ihrem Repertoire haben. Manche können nicht einschätzen, wie laut sie sprechen, als hätten sie noch nie geflüstert.

      Im Übrigen kann das Einteilen des Klassenzimmers in ein paar Zonen hilfreich sein, z.B. eine, in der leise miteinander gesprochen werden darf und eine, in der die Kinder RuheRuhe suchen und allein dadurch, dass sie sich in die StilleStille-Zone begeben, schon anzeigen, dass sie Ruhe brauchen. Wir haben auch einige Lärmschutzkopfhörer für die Kinder angeschafft, die gerne genutzt werden.

      Peter: In einer Fortbildungsveranstaltung hat uns ein Referent einmal einen ziemlich simplen, aber aus meiner Sicht schönen Rat gegeben, wie es besser gelingen kann, von Anfang an etwas mehr RuheRuhe in die Klasse zu bringen: Die Lehrkraft solle, wenn sie die Klasse morgens oder nach der Hofpause ins Zimmer lässt, die Schülerinnen und Schüler nicht hineinstürmen lassen, sondern das Eintreten ins Klassenzimmer als einen kleinen Moment des Ankommens gestalten. Als Lehrkraft stehe ich bei der Türe und zeige, dass ich sie alle wahrnehme, spreche den einen oder anderen kurz an, keine langen Gespräche, sondern z.B. Mia, bist du wieder gesund? Das freut mich aber! Oder Na Ben, Englischbuch noch nicht vermisst? Liegt seit Freitag unter deinem Tisch.

      Ich dachte zuerst, dass das eher etwas für die Grundschule wäre, habe es aber ausprobiert und muss sagen: nicht übel. Schon das Reinkommen ins Zimmer ist viel weniger hektisch und deutlich ruhiger. Ich mache das nicht immer, aber in bestimmten Klassen, wie gesagt, in der ersten Stunde, nach der Hofpause und ganz besonders im Nachmittagsunterricht. Dabei achte ich darauf, nicht immer dieselben anzusprechen, sondern meine Aufmerksamkeit mal diesem, mal jenem zu schenken. Es ist, als würde ich dadurch Dampf rausnehmen, diejenigen, die um Aufmerksamkeit buhlen schon ein bisschen einfangen und denjenigen, die sich im Unterricht nicht gerne in den Fokus stellen, kann ich durch Blickkontakt, freundliches Zunicken oder einen kurzen Smalltalk Aufmerksamkeit schenken.

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