Didaktik und Neurowissenschaften. Michaela Sambanis
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Название: Didaktik und Neurowissenschaften

Автор: Michaela Sambanis

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: narr studienbücher

isbn: 9783823300663

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СКАЧАТЬ die Berücksichtigung unterschiedlicher Informationen, etwa bei Entscheidungsprozessen, die Verbindung von EmotionenEmotion und Vernunft usw. Darüber hinaus erlauben sie auch Rückkopplungen von den Assoziationsarealen zu den sekundären und primären Arealeprimäre Arealen. Auf diese Weise werden Wahrnehmungen verfeinert, aber auch bestimmte Aufgaben effektiver erledigt. Wer schon einmal in einem vollen Regal vergeblich ein Buch gesucht hat, von dem er glaubte, es habe z.B. einen roten Rücken, obwohl dieser tatsächlich grün oder blau war, versteht leicht, welchen Effekt die – in diesem Fall falsche – Information haben kann, die von präfrontalen Planungsarealen an das Sehzentrum gegeben wird.

      Die Myelinisierung der großen Verbindung zwischen der linken und rechten Hälfte des Großhirns, des Corpus callosumCorpus callosum mit ca. 200 Millionen Nervenfasern, beginnt früh, zeitgleich mit der Myelinisierung der primären sensorischen Areale und endet erst im Jugendalter. Das Corpus callosum ist u.a. an der Integration von Wahrnehmungsprozessen, an Speicherung und Abruf von Informationen aus dem Gedächtnis und an Aufmerksamkeitsprozessen beteiligt. Im Gegensatz zu kortikalen NervenzellenNervenzellen, die einem Aufbau und einem anschließenden, gezielten Abbau unterliegen, lässt sich bei der weißen Substanzweiße Substanz ein Anstieg bis ins junge Erwachsenenalter ohne nachfolgenden Abbau feststellen (vgl. Lenroot & Giedd 2006).1

      2.5 Die Verschränkung neuronaler und kognitiver Entwicklungkognitive Entwicklung

      Zusammenfassend lässt sich an diesem Punkt festhalten, dass bei der Entwicklung des Gehirns bis ins frühe Erwachsenenalter hinein zwei Prozesse leicht zeitlich versetzt, aber in ihrer Abfolge mehr oder weniger parallel ablaufen, nämlich die Entwicklung der Gehirngebiete mit den NervenzellenNervenzellen einerseits – das Wachstum unserer „grauen Zellen“ – und die Myelinisierung der Verbindungen zwischen den Nervenzellen andererseits – die Ausbildung der weißen Substanzweiße Substanz des Gehirns. Während des Wachstums ist die Entwicklungsgeschwindigkeit nicht gleichbleibend hoch. Zu Beginn der Entwicklung wächst das Gehirn – so wie die anderen Körperteile auch – besonders schnell. Bis zum Alter von 9 bis 10 Jahren hat es ca. 95 % der Größe des erwachsenen Gehirns erreicht (vgl. Huttenlocher 1979), die Anzahl der Neurone im Gehirn und die Dichte der weißen Substanz ändern sich aber weiterhin. Zudem haben bereits frühe Untersuchungen mittels EEGEEG und einfache Messungen des Kopfumfangs auf Entwicklungsschübe im Hirnwachstum im Alter von etwa 3, 7, 11 bis 12 und ca.15 Jahren hingewiesen (vgl. Epstein 1986). In den folgenden Abschnitten soll die Bedeutung der sukzessiven Reifung der Hirnareale und der WachstumsschübeWachstumsschub für die Entwicklung von Denk- und LernprozessenLernprozesse beschrieben werden.

      2.5.1 Stabilität und StöranfälligkeitStöranfälligkeit: Beispiel Wahrnehmung

      Das kindliche Gehirn ist keine verkleinerte Version eines erwachsenen Gehirns. Da bestimmte Funktionen noch nicht oder nicht in der endgültigen Form zur Verfügung stehen, ergeben sich viele Unterschiede. Das gilt sogar für die Verarbeitung von Sinnesinformationen. Obwohl Kinder ja von Geburt an sehen, hören usw., erreichen die primären Sinnesareale, wie oben beschrieben, die Zelldichte, die für Erwachsene typisch ist, erst im Alter von 10 Jahren. Daher erreicht auch die Verarbeitung von Informationen in diesen Bereichen schlicht nicht die Geschwindigkeit oder die Qualität (im Sinne von Genauigkeit, geringer Fehlerzahl u.Ä.) des erwachsenen Gehirns. Hieraus ergeben sich Unterschiede in grundlegenden Wahrnehmungsleistungen, die zum Teil auch für Lehr-/Lernsettings von praktischer Relevanz sind. Ein Beispiel hierfür ist die Verarbeitung im Hörsystem. Bis zum Ende des Grundschulalters sind Kinder in lauter Umgebung relativ „schwerhörig“. Sie haben Probleme, gesprochene Sprache zu verstehen, wenn viele Hintergrundgeräusche etwa in einem lauten, hallenden Klassenraum stören (vgl. Klatte, Hellbrück et al. 2010). Um unter schlechten akustischen Bedingungen einem Sprachfluss zu folgen, müssen Richtungshören (basierend auf der Verrechnung der Information von linkem und rechtem Ohr), Aufmerksamkeitsprozesse und Prozesse des Sprachverstehens, die mit den sprachlichen FertigkeitenFertigkeiten verknüpft sind, in geregelter Weise ineinandergreifen. Daher sind besonders Kinder mit Problemen in der selektiven, gerichteten AufmerksamkeitAufmerksamkeit und Kinder, deren Muttersprache nicht die Unterrichtssprache ist, unter schlechten akustischen Bedingungen zusätzlich beeinträchtigt (vgl. Klatte, Bergström & Lachmann 2013). Ähnliche Unterschiede zwischen Erwachsenen und Kindern finden sich auch für die Verarbeitung von Detailinformationen in Bildern oder anderen visuellvisuell präsentierten Informationen, insbesondere bei kurzzeitiger Darbietung etwa in Filmen bzw. Videos. Auch können schmückende, scheinbar kindgerechte visuelle Details wie niedliche Tierchen oder knallige Farben Kinder viel stärker von der eigentlichen Aufgabe ablenken, als dies von Erwachsenen vielleicht angenommen wird. Selbstverständlich kann man solche Elemente einsetzen – aber in einem den Prozess unterstützenden Sinn und nicht als ablenkendes Beiwerk nur, weil etwas schön aussieht. Alles spricht dafür, die wichtigen Teile eines Arbeitsblattes wunderbar bunt zu drucken oder eine Figur auf den nächsten Arbeitsschritt hinweisen zu lassen. Nichts spricht dafür, „Dekoelemente“ einfach gleichmäßig über ein Arbeitsblatt zu verteilen. Es lohnt sich, Lehrwerke für Grundschüler einmal daraufhin kritisch unter die Lupe zu nehmen.

      Besonders ablenkend sind auch Bewegungen im Blickfeld, also der zappelnde Nachbar, die wehenden Vorhänge, und selbst Vögel oder Eichhörnchen im Baum vor dem Fenster können jüngere Lerner ablenken. In solchen Fällen kann es sinnvoll sein, den Unterricht kurz zu unterbrechen, die Tiere im Baum zwei Minuten lang zu beobachten, sich dabei über die Beobachtungen auszutauschen und dann zur Arbeit zurückzukehren.

      Aber nicht nur die Aufnahme von Sinnesinformationen kann leicht durch allerlei StörreizeStörreize beeinträchtigt werden. Gleiches gilt auch für LernprozesseLernprozesse. Sinneseindrücke, die im Augenblick unnütz sind, aber nicht so leicht abgeschirmt werden können, beanspruchen Hirnkapazitäten, die dann nicht für andere Aufgaben zur Verfügung stehen. So ist das Auswendiglernen beeinträchtigt, wenn im Hintergrund gesprochen wird, selbst dann, wenn nur leise gesprochen wird. Die LernleistungLernleistung von Erwachsenen sinkt bei einer solchen Störung um 11 %, die von Zweitklässlern sogar um 39 % (vgl. Elliott 2002). Diese natürlichen Einschränkungen von Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsprozessen bei Kindern bis zu 10 Jahren gilt es zu berücksichtigen, wenn man die Lernleistungen und -möglichkeiten von Kindern im Grundschulalter richtig einschätzen und durch die Schaffung einer guten Unterrichtsumgebung unterstützen möchte.

      Die beschriebenen Unterschiede erscheinen in dem bisher Ausgeführten als Einschränkungen. Vom regulären Schulalltag aus betrachtet, sind sie das wohl auch. Zum einen kann das ein Anlass sein, die Struktur des Schulalltags noch einmal zu überprüfen. Ebenso wichtig allerdings ist anzuerkennen, dass die vermeintlichen Einschränkungen, biologisch gesehen, durchaus eine Funktion haben. Für die natürliche Entwicklung der Wahrnehmungsleistungen ist es wichtig, dass die Sinnessysteme alle Sinneseindrücke aufnehmen und bearbeiten, die häufiger in der Umgebung vorkommen. Hier gibt es drei zugrunde liegende Mechanismen, deren Wirkung so relevant für die Hirnentwicklung ist, dass die relativ geringfügigen Nachteile leicht aufgewogen werden:

      1 Jedes flexible System ist leicht von außen beeinflussbar – oben wurde das als störanfällig beschrieben. Zugleich ist es aber absolut notwendig, dass die Hirnstrukturen von Kindern relativ flexibel sind. Nur so haben sie noch die enorme AnpassungsfähigkeitAnpassungsfähigkeit, die es ihnen erlaubt, sehr schnell neue Erfahrungen zu integrieren, in Wissen umzuwandeln und ihre Handlungen daran anzupassen. Ein stabileres Verarbeitungssystem wäre weniger störanfällig, aber auch weit weniger lernfähig, was für einen sich entwickelnden Organismus überhaupt nicht sinnvoll wäre.

      2 Was im Leben vorkommt, also zum Leben dazugehört, muss aufgenommen, verarbeitet und in seiner Bedeutung und möglichen Nützlichkeit eingeschätzt werden. Nur so gelangt man zu einer guten Orientierung in der Welt. In vielen Fällen steht am Ende vielleicht die Bedeutungszuweisung „Unwichtig! Einfach ignorieren!“. Bis aber diese Unterscheidung verlässlich gefällt werden kann, bedarf es der Verarbeitung der zunächst noch neuen Sinneseindrücke. Unser Organismus ist darauf ausgerichtet, dass er СКАЧАТЬ