Название: Machtästhetik in Molières Ballettkomödien
Автор: Stefan Wasserbäch
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Biblio 17
isbn: 9783823300168
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2.1.1 Die dramatische Kommunikationsebene – die figurale Interaktion
Die dramatische Kommunikation findet im inneren Kommunikationssystem statt und setzt den Fokus auf die Interaktion der Figuren auf der Bühne. Zu ihr gehören die Intrige und die Handlungswelt. Die Einzelintrigen konstituieren die Gesamtintrige, die ihre Kohärenz durch das übergeordnete Ereignis des die Handlungen bündelnden Sujets zugesprochen bekommt.1 Die Gesamtintrige beruht auf der Gesamtheit erwartungsstiftender Elemente, sodass die Intrige auch als Mittel der Sympathielenkung des Zuschauers fungieren kann. Diese Intention gelingt, wenn er Akzeptanz und Bereitschaft zeigt, eine personengebundene Perspektive einzunehmen. Dieser Aspekt der Intrige macht deutlich, dass sie nicht mit der Ebene des Sujets gleichzusetzen, sondern ihr ein vermittelnder Charakter zuzusprechen ist, besteht ihre Funktion doch darin, das Sujet in dramatischer Weise zu beleben.
Die zweite Konstituente der dramatischen Ebene besteht aus der Handlungswelt. Sie etabliert aus den figuralen Handlungs- wie auch Sprechsituationen ein illusionistisches Raum-Zeit-Kontinuum, indem sie aus den dargestellten Räumen eine Raumstruktur aufbaut, aus den dargestellten Zeitabschnitten eine Zeitstruktur errichtet und durch die auftretenden Personen eine soziale Welt entstehen lässt.2 Die Flexibilität des dramatischen Dialoges ermöglicht es zusätzlich, nicht dargestellte Lokalitäten, Zeiträume und Personen mittels sprachlicher Verweise in die Handlungswelt zu inkorporieren. Die Funktion der dramatischen Ebene erschöpft sich darin, das Sujet zu aktualisieren. Sie erreicht dies durch eine Dramatisierung der Sujetbewegung in Gestalt der Intrige und durch die Dramatisierung des Sujetfeldes in der entworfenen Handlungswelt.3 Die beiden Konstituenten der dramatischen Kommunikationsebene bilden gemeinsam ein binnenfiktionales Bezugssystem, auf das die jeweiligen Handlungssituationen übertragen werden können und das den Zuschauer durch Identifikation wie auch Illusion dazu einlädt, an der fiktionalen Welt zu partizipieren.
2.1.2 Die theatralische Kommunikationsebene – die Interdependenz von Spielen und Schauen
Die theatralische Kommunikation findet im äußeren Kommunikationssystem statt und setzt den Fokus auf die Kommunikation zwischen Schauspieler und Zuschauer. Durch die Teilhabe des Zuschauers an der theatralischen Interaktion bekommt er seine Rolle verliehen, die sich darin erschöpft, durch das Zusehen dem mimischen Agieren einen Sinn zu verleihen:1
Theater ist nur und nur das ist Theater, wenn in einer symbolischen Interaktion ein rollenausdrückendes Verhalten von einem rollenunterstützenden Verhalten beantwortet wird, das auf der gemeinsamen Verabredung des ‚als-ob‘ beruht.2
Die Veranstaltungssituation ist demnach wirklich, jedoch ist das, was dort dargeboten wird, unwirklich; unwirklich deshalb, weil das dargestellte Spiel in den Zusammenhang mit der Theatersituation gebracht wird und einer lebensweltlich-basierten Lesart entzogen werden kann.
Des Weiteren verdrängt ein gesteigertes Rollenspielbewusstsein die auf Identifikation und Illusion hin angelegte dramatische Perspektive. Das hat zur Folge, dass ein Rivalitätsverhältnis zwischen den Kommunikationsebenen zu konzedieren ist. Es stellt sich somit beim Betrachter immer dann eine theatralische Sichtweise ein, wenn er weder zu sehr die Fiktion absorbiert, noch durch die Thematisierung eines lebensweltlichen Sachverhaltes aus der Theatersituation herausgerissen wird.3 Eine Aktualisierung dieser Perspektive tritt immer dann zutage, wenn das Spiel explizit auf seinen Darstellungs- oder Veranstaltungscharakter verweist, etwa durch musikalische und tänzerische Einlagen sowie Publikumsapostrophen. Weitere Belebungen der Theatersituation erzeugt der Schauspieler, wenn er als Darsteller wahrgenommen wird und sich sein Rollenspiel als solches zeigt. Dazu eignen sich Geschicklichkeitsspiele, artistische Einlagen, Kampfszenen, Rededuelle, Streitszenen und die Zwischenspiele der Ballettkomödien, die durch die Erweiterung der Darstellerriege mit Musikern und Tänzern eine erhöhte Darstellungsartifizialität erzeugen und die Theatersituation nachdrücklich zu erkennen geben. Die Schauspielerakzentuierung zeigt zudem, dass sich der Mime nicht als vergegenständlichter Teil des Schauspiels sieht, sondern willentlich und bestimmt in die Produktion eingreift und diese individuiert.4
Ferner kann sich die bewusste Korrespondenz zwischen Spielen und Schauen auf der Bühne etablieren, und zwar stets dann, wenn es sich um ein Spiel im Spiel handelt, wobei sich das Prinzip des externen Kommunikationssystems auf das interne projiziert. Es handelt sich um ein Prinzip, das Bernhard Greiner „transzendental aussagekräftig“5 nennt, weil die Spiel-im-Spiel-Strukturen zugleich die Regeln vorgeben, die den jeweiligen Diskurs ‚Komödie‘ bestimmen.6 Diese Struktur offenbart sich konkret auf der Bühne, wenn eine theatralische Einlage in die Bühnenhandlung eingefasst wird und das Theaterspiel nicht nur vor Zuschauern, sondern auch unmittelbar vor Bühnenfiguren gespielt wird und die Darsteller zugleich zu Schauspielern und Zuschauern werden: Der Schauspieler verbirgt in der Potenzierung des dargestellten Rollenspiels seine eigentliche Person, die eine theatralische Doppelung erfährt und seine Rolle im Stück ambiguiert, sodass diese Pluralisierung für einen semantischen Mehrwert der sprachlichen Zeichen auf der Bühne sorgt.
Das Theater auf dem Theater – wie das dramaturgische Gestaltungsmittel des Spiels im Spiel ebenfalls genannt wird – zeichnet sich demnach durch eine simultan dargestellte primäre und sekundäre Fiktionsebene aus, durch ein inneres und äußeres Rollenspiel, wobei die Rahmenhandlung temporär in den Hintergrund tritt und der eingerahmten Handlung gewissermaßen den ‚Spielball‘ zuwirft; diese mise-en-abyme-Struktur erzeugt ein räumliches und temporäres Nebeneinander von Rahmen- und Kleinform.7 Der Spiel-im-Spiel-Situation kann in dieser Hinsicht eine handlungsunterbrechende wie auch eine handlungstreibende Funktion zukommen. In diesem Kontext ist von einer illusionsmindernden und illusionsfördernden Wirkung des Spiels im Spiel für die Zuschauer zu sprechen.8 Diese Gegenläufigkeit resultiert aus der Engführung von dramatischer und theatralischer Kommunikationsebene, da neben dem Rollenspiel der Dramenpersonen zugleich das eigentliche Spiel des Mimen in den Vordergrund tritt.
2.1.3 Die lebensweltliche Kommunikationsebene – die gesellschaftliche Kommunikation über das Fiktionale
Die lebensweltliche Kommunikationsebene umfasst das innere wie auch das äußere Kommunikationssystem und fokussiert die gesellschaftliche Kommunikation über die Inszenierung und deren Bezug auf lebensweltliche Normen. Sie ist das Wirkliche im Unwirklichen oder die realitätsbezogene Kommunikationsebene im Gegensatz zu den beiden angeführten fiktionalen Ebenen. Die lebensweltliche Perspektive wird aus einem Zusammenspiel zwischen dem lebensweltlichen Kontext und dem Sujet vermittelt; sie macht das Handlungsthema zum Angelpunkt einer Interaktion, bei der Autor, Regisseur und Schauspieler mit dem Publikum über die Brücke der sie verbindenden sozialen Realität miteinander kommunizieren:
Durch eine solche Aktualisierung wird einerseits das immer schon mitgegebene und mitgewußte lebensweltliche Sinnpotential des Sujets thematisch, andererseits werden gleichzeitig bestimmte Ausschnitte des lebensweltlichen Kontexts als Bezugsmomente hervorgehoben, womit sich dieser zunächst diffuse Kontext verdichtet und zur Situation konkretisiert.1
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