Название: Übersetzungstheorien
Автор: Radegundis Stolze
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: narr studienbücher
isbn: 9783823300878
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Was aber außer der MitteilungMitteilung in einer Dichtung steht – und auch der schlechteste ÜbersetzerÜbersetzer gibt zu, daß es das Wesentliche ist –, gilt es nicht allgemein als das Unfaßbare, Geheimnisvolle, ‘Dichterische’? Das der Übersetzer nur wiedergeben kann, indem er auch dichtet? (Aufgabe, S. 156)
BENJAMINBenjamin kommt es darauf an, den AusdruckAusdruck des Originals, sein „Wie“, in der ZielspracheZielspraches. ZS nachzubilden. Er bezeichnet dieses „Wie“ als „Die Art des Meinens“, die er sorgfältig vom inhaltlich „Gemeinten“ unterscheidet: „In ‘Brot’ und ‘pain’ ist das GemeinteGemeinte zwar dasselbe, die Art, es zu meinen, dagegen nicht. In der Art des Meinens nämlich liegt es, daß beide Worte dem Deutschen und Franzosen je etwas Verschiedenes bedeuten, daß sie für beide nicht vertauschbar sind, ja sich letzten Endes auszuschließen streben; am Gemeinten aber, daß sie, absolut genommen, das Selbe und Identische bedeuten“ (Aufgabe, S. 161).
BENJAMINBenjamin betont das „Magische in der SpracheSprache“ und beruft sich auch auf SCHLEIERMACHERSchleiermacher, der ja mit HUMBOLDTHumboldt den Geist als wesenhaft in der Sprache gebunden sah. Der ÜbersetzerÜbersetzer soll versuchen, in seiner eigenen Sprache jene „Art des Meinens“ des fremden Textes nachzubilden:
Die wahre Übersetzung ist durchscheinend, sie verdeckt nicht das OriginalOriginals. Ausgangstext, steht ihm nicht im Licht, sondern läßt die reine SpracheSprache, wie verstärkt durch ihr eigenes Medium, nur um so voller aufs OriginalOriginals. Ausgangstext fallen. Das vermag vor allem WörtlichkeitWörtlichkeit in der Übertragung der SyntaxSyntax, und gerade sie erweist das Wort, nicht den Satz als das Urelement des Übersetzers. Denn der Satz ist die Mauer vor der Sprache des Originals, Wörtlichkeit die Arkade. (Aufgabe, S. 166)
BENJAMINS ÜbersetzungstheorieÜbersetzungstheorie hat vor allem im englischen Sprachraum bis heute stark nachgewirkt, wo Theorien die wörtliche Übersetzung besonders betonen. BENJAMINBenjamin meinte ja: „Die Interlinearversion des Heiligen Textes ist das Urbild oder Ideal aller Übersetzung“ (Aufgabe, S. 169). Damit aber wird Übersetzung zur Utopie.
2.6 Dekonstruktion und UnübersetzbarkeitUnübersetzbarkeit (DerridaDerrida)
In einer sog. postmodernen Literaturtheorie und Philosophie, der u.a. von Jacques DERRIDADerrida (1930–2004) und Paul DE MAN begründeten „Dekonstruktion“, wird die These von der UnübersetzbarkeitUnübersetzbarkeit wieder aufgegriffen und der „unübersetzbare Rest“ in Texten in den Vordergrund der Betrachtung gestellt. Peter V. ZIMAZima (1994) hat einen stringenten Überblick über die Grundaussagen und den wissenschaftstheoretischen Hintergrund der Dekonstruktion vorgelegt; vgl. ferner Philippe FORGETForget (Hrsg.) (1984).
Gemeinhin wird ja angenommen, dass man einen Text schon irgendwie verstehen, eben seinen SinnSinn erfassen und dann auch übersetzen könne. Den Grund hierfür bilden unsere Sprachkenntnisse und dann die Erfahrung durch die Tradition der Überlieferung, dass die Sprachzeichen durchaus immer wieder das Gleiche bedeuten. VerstehenVerstehen sei möglich, wenn nur der gute Wille zur Verständigung vorhanden ist. Dahinter steht der philosophische Gedanke eines Logos als sinntragendem Wort, das immer schon auf die allen gemeinsame WahrheitWahrheit eines auffindlichen Sinns im Ganzen verweist.
Hier hakt die Dekonstruktion ein. Grob vereinfachend ist zu sagen, dass sie sich vor allem gegen die „logozentrische“ Vorstellung einer eingrenzbaren Begrifflichkeit in der Sprache, ein „transzendentes Signifikat“,Sprache wendet. In der Nachfolge Nietzsches wird auf die grundlegende Ambivalenz der Wortbedeutungen in Texten verwiesen, die sich niemals auf einen bestimmten SinnSinn fixieren lassen würden. Zentral ist hier der Terminus écriture, das Schreiben, die Schrift, das Geschriebene, der schriftliche Text. Im Gegensatz zur mündlichen RedeRedes. parole, wo der Sinn des Gemeinten direkt präsent und eindeutig ist, sei es das Wesen schriftlicher Texte, vieldeutig und unbeständig zu sein, da sie in immer wieder neuen Situationen stets neu und anders gelesen werden. Hinter jeder Lektüre steht also eine Übertragung, und dadurch entstehe eine unabschließbare Sinnverschiebung, DERRIDADerrida nennt es die différance, nach dem Verb différer (abweichen). Interpretativ läßt sich kein „Sinn“ fixieren, da jedes Sprachzeichen auf andere verweist und jeder Autor Bedeutungen „endlos aufschieben“ kann.
Die Schrift bringt den Zerfall der semantischen Identität des Zeichens mit sich. Dessen Wiederholung in verschiedenen kommunikativen Kontexten hat abweichende Sinnzuordnungen zur Folge, welche die Identität eines Wortes erschüttern können. DerridaDerrida bezeichnet diese dekonstruierende Wiederholung als Iterabilität (itérabilité) (ZIMAZima 1994:55).
Im Ergebnis entsteht eine Streuung des Sinns von Wörtern, eine Dissémination (DERRIDADerrida 1972). Für DERRIDA besteht das Besondere an einem „Original“ darin, dass es überhaupt für wert befunden wurde, „ein Überleben“ (BENJAMINBenjamin) in einer Übersetzung zu erfahren, die erst zu seiner Erfüllung wird.
The translation will truly be a moment in the growth of the original, which will complete itself in enlarging itself … And if the original calls for a complement, it is because at the origin it was not there without fault, full, complete, total, identical to itself.1
Was hier von Texten und Übersetzungen gesagt ist, war ursprünglich vom einzelnen Zeichen her gesehen:
Aus dem bisher Gesagten geht hervor, daß Derridas dissémination oder Streuung nicht mit dem semiotischen BegriffBegriff der Polysemie identisch ist, der von Greimas und Courtés als Pluri-Isotopie definiert wird: als Zusammenwirken von zwei oder mehreren heterogenen Isotopien (ZIMAZima 1994:72).
Wörter sind geschichtlich und bedeuten niemals nur das, was am Anfang ihres Gebrauchs stand, oder was der AutorAutors. Sender genau damit sagen wollte, sondern ihr SinnSinn „flottiert“ und ist oft „unentscheidbar“ (indécidable). In der Literaturwissenschaft wird die Textinterpretation freilich gerne auf die sog. „Autorintention“ zurückgeführt, deren Festlegung von den Dekonstruktivisten als Illusion oder als Vorurteil entlarvt wird. Ist der Sinn eines Textes wirklich so sicher, gibt es da nicht Brüche (ruptures)? Durch die Infragestellung ihrer zentralen Begriffe werden die expliziten Behauptungen von Autoren „dekonstruiert“.
Das Interesse des Interpreten verlagert sich vom Gemeinten auf die Zeichenstrukturen. Wie autonom sind diese eigentlich? Wörter können sich verselbständigen und so Gedanken, das VerstehenVerstehen in neue Bahnen lenken. Wo ist dann der (ursprüngliche) SinnSinn? Und welcher Sinn wäre dann zu übersetzen? Wie verhindere ich, dass meine Übersetzung wieder anders verstanden wird? Verwiesen wird hier gerne auf das Wortspiel und die Ironie als Motivation des Schreibens:
Weil im Wortspiel und dessen unabsehbaren, nie ganz kontrollierbaren Konsequenzen sichtbar wird, daß kein BewußtseinBewusstsein, keine Vernunft, kein Logos über die SpracheSprache so verfügt, daß sie als Text im (guten) Willen zur Macht des hermeneutischen Regelapparats aufgehen kann, ja, daß sie den Schreibenden (ob Schriftsteller oder Interpret) immer schon hinterrücks (hinter seinem Rücken) überspielt oder – das Bild macht SinnSinn – übertrumpft (FORGETForget 1984:10).2
Die Zweideutigkeit von Wörtern macht auch deren KontextKontext zweideutig:
Erschütterung | 1) geschüttelt werden, nicht mehr unbewegt sein |
2) schütter werden, es entstehen Brüche und Leerstellen | |
Ungerechtigkeit | 1) unverdiente, nicht dem Recht entsprechende Behandlung |
2) nicht mehr „recht“ sein, WahrheitWahrheit wird verrückt, entstellt | |
gleichgültig | 1) indifferent, egal, nicht interessierend |
2) gleich gültig, Egalität | |
aufheben | 1)
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