Genderlinguistik. Helga Kotthoff
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Название: Genderlinguistik

Автор: Helga Kotthoff

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: narr studienbücher

isbn: 9783823301523

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СКАЧАТЬ („offensiv, abweisend, eigennützig“); aktiv, wild, groß, laut etc. introvertiert („fügsam, aufnehmend, selbstlos“); passiv, sanft, klein, leise etc. Lebensmut Anmut Übermut Wehmut Wagemut Demut Hochmut Sanftmut Unmut Schwermut Missmut Langmut Großmut, Gleichmut etc.

      Tab. 4-4: Genus- und semantische Unterschiede bei mut-Komposita nach Köpcke/Zubin (1984)

      Bei diesen Genusdifferenzen (die nur zwischen Feminina und Maskulina bestehen, Neutra gibt es nicht) sehen die Autoren Genderstereotype am Werk, die sie grob mit (männlich assoziierter) Extraversion und (weiblich assoziierter) Introversion etikettieren. Auch das weitere Affektlexikon und dessen Genuszugehörigkeit sehen Köpcke/Zubin (1984) „entlang der Opposition Introversion/Extroversion [sic]“ (40) gegliedert wie die Furcht, Angst, Scheu, Scham, Trauer vs. der Hohn, Wille, Ärger, Eifer, Geiz. Die heutigen Feminina Gunst, Pein, Qual und Reue konnten im Mhd. noch maskulin sein und haben ihr Genus somit der Affektqualität angepasst: „Insgesamt lassen sich bei ca. 25 % der femininen Nomen der Introversionsgruppe und bei ca. 35 % der maskulinen Nomen der Extroversionsgruppe [sic] integrative historische Veränderungen in die eine oder andere der beschriebenen Richtungen feststellen“ (42). Selbstverständlich gibt es auch Gegenbeispiele.

      Was die femininen mut-Bildungen betrifft, so gehen allerdings Paul (1917/1968) zufolge die meisten nicht direkt auf Mut zurück:

      Kein Übertritt aus dem M. ins F. liegt vor in den anscheinenden Zus[ammen]s[etzungen] mit Mut wie Demut. Im Ahd. gibt es ein Adj. deomuoti = mhd. diemüete ‚demütig‘, daraus wird ein Substantiv abgeleitet, ahd. deomuoti F. = mhd. diemüete, […] woraus dann durch Verkürzung und Anlehnung an Mut unser Demut entstanden ist. Außer deomuoti bestanden im Ahd. noch andere ähnlich gebildete Adjektiva, aus denen dann entsprechende weibliche Substantiva abgeleitet wurden. Neben diesen standen wirkliche Zus[ammen]s[etzungen] mit muot als Maskulina. Nach längeren Schwankungen hat sich jetzt teils das F., teils das M. festgesetzt, vgl. einerseits Anmut, Großm., Langm., Schwerm., Wehm., anderseits Edelmut, Freim., Gleichm., Hochm., Kleinm., Überm., Unm., Wankelm. (Paul 1917/1968, § 62)

      Historisch liegen also (nicht-lautgesetzlich) apokopierte Abstraktbildungen vor (vgl. heute noch unapokopierte Bildungen wie Süße, Länge, Größe), die an maskulines Mut angelehnt wurden und dadurch eine starke analogische Beeinflussung mit entsprechender Form-, aber ohne Genusänderung erfahren haben. Regulär müssten sie heute auf -müte (z.B. Demüte) enden. Ob die Genera immer noch so stabil sind wie bei zu Pauls Zeiten bzw. welch starken Genusschwankungen sie heute unterworfen sind, dieser gesamte Komplex lohnt im Rahmen einer größeren Untersuchung vertieft zu werden. Dabei wären sowohl die aktuellen Genusschwankungen korpusbasiert zu überprüfen als auch (um den evt. Einfluss von Genderstereotypen zu ermitteln) die historischen der letzten Jahrhunderte und auch Jahrzehnte, denn die in Tab. 4-4 genannten Geschlechterstereotype dürften heute deutlich abgeschwächt (degenderisiert) sein. Falls sich die Beobachtungen von Köpcke/Zubin (1984) bestätigen, bestünde Evidenz dafür, dass außersprachliche Geschlechterstereotype grammatische Genera steuern oder zumindest beeinflussen können.

      4.3.6 Genus-Sexus-Devianzen beim Menschen als Reflexe von Gender

      In der internationalen Genusforschung haben die Neutra MädchenMädchen und WeibWeib als sog. hybrid nounshybrid einige Berühmtheit erlangt. Obwohl MädchenMädchen immerhin ein Diminutivsuffix enthält (Mäd- hat allerdings synchron kein lexikalisches Korrelat, diachron leitet es sich aus Magd ab), wird es ebenfalls darunter gefasst. Mit hybrid noun ist gemeint, dass es bei bestimmten (genusmarkierenden) Begleit- oder Kongruenzwörtern zu GenuskonfliktenGenuskonflikt zwischen Neutrum und Femininum kommen kann: Die Genus-Sexus-RegelGenus-Sexus-Prinzip, die bei MädchenMädchen und WeibWeib eigentlich das Femininum erfordert, ist so wirkmächtig, dass Kongruenzwörter (targets), die in größerem Abstand (linearer Distanz) zum genushaltigen Nomen (controller) stehen, vom grammatischen Neutrum ins semantisch erwartbare Femininum umschlagen. Die in WeibWeib und MädchenMädchen enthaltene Information ‚weiblich‘ dominiert über das grammatische Neutrum. Je näher umgekehrt das Begleitwort am Nomen steht, desto obligatorischer das grammatische Neutrum. Innerhalb der NP (d.h. an Artikel und Adjektiv) kommt nur das grammatische Neutrum zum Zug (ein großes MädchenMädchen, ein großes WeibWeib), während schon ein Relativpronomen (das MädchenMädchen, die ich liebte kommt, wenngleich selten, vor) bzw. noch eher ein Possessiv- oder Personalpronomen semantische und damit feminine Kongruenz herstellen kann (s. eingehend Fleischer 2012; Birkenes et al. 2014). Hierzu s. Abb. 4-4, die Nübling et al. (2013, 157) entnommen ist.

      Abb. 4-4: Die GenuskongruenzhierarchieGenuskongruenzhierarchie nach Corbett (1991), ans Deutsche angepasst (* = ungrammatisch/inexistent; ? = möglich, aber selten)

      Dieses hybride Genusverhalten lässt sich auf der GenuskongruenzhierarchieGenuskongruenzhierarchie (gender agreement hierarchygender agreement hierarchyGenuskongruenzhierarchie) von Corbett (1979, 1991) abbilden, die hier an das Deutsche angepasst wurde. Dass das Possessivpronomen zweimal vorkommt, ist Absicht, denn es kann sowohl im selben als auch im nächsten Satz auftreten, und von diesem (zunehmenden) Abstand hängt die (zunehmende) Wahrscheinlichkeit semantischer Kongruenz ab. Auch Oelkers (1996), die zudem die pronominale Wiederaufnahme männlicher Feminina (Geisel, PersonPerson) und weiblicher Maskulina (Star, Gast) testet, stellt diesen Effekt sog. biologischer (i.S.v. semantischer) Kongruenz fest, und zwar zu 71 %. Dieses „Umschalten“ von grammatischer auf biologische Kongruenz spreche für „systematische Beziehungen zwischen Genus und Sexus“ (13) (s. auch Thurmair 2006; Panther 2009; Köpcke et al. 2010).

      Zurück zum Neutrum MädchenMädchen: Braun/Haig (2010) haben anhand einer Fragebogenuntersuchung ihre Hypothese bestätigt, dass auch das Alter eines sog. MädchenMädchens Einfluss auf seine Pronominalisierung hat: Demnach werden 18-jährige Mädchen zu 60 % feminin (und 40 % neutral) pronominalisiert, unter 18-jährige dagegen nur zu 40 % feminin und zu 60 % neutral. Dies verweist auf die hohe Relevanz von Heirats- oder Fortpflanzungsfähigkeit, auf männliche Verfügbarkeit oder was auch immer eine männlich geprägte Gesellschaft an die weibliche Geschlechtsreife knüpft (s. dazu auch Robinson 2010).1 Umgekehrt sind Kinder vor der Pubertät sprachlich (und vermutlich auch kulturell) kaum vergeschlechtlicht. Genau hierfür eignet sich das Neutrum СКАЧАТЬ