Das Märchen im Drama. Hannah Fissenebert
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Название: Das Märchen im Drama

Автор: Hannah Fissenebert

Издательство: Bookwire

Жанр: Документальная литература

Серия: Forum Modernes Theater

isbn: 9783823301561

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СКАЧАТЬ humoristisch, humorvoll, humorig; wenn es relativ gefährlich ist, so ist sie satirisch“4.

      Es geht mir jedoch weniger darum, aufzuzeigen, dass der Untersuchungsgegenstand statistisch gesehen oft satirisch ist, sondern vielmehr darum, dass wesentliche Merkmale des Märchendramas gewinnbringend betrachtet werden können, wenn man sie auf eine potentiell satirische Dimension prüft.5 Nicht zuletzt gilt es, den satirischen Zugriff auch im historischen Kontext der jeweiligen gesellschaftlichen und kulturellen Diskurse zumindest in Ansätzen einzuordnen und greifbarer zu machen. Dabei geht die Satire, wie das parodistische Genre insgesamt, nicht immer gänzlich in einem rein negativen Verhältnis zu ihrem Gegenstand auf; die Satire kann im Akt einer Imitation der Vorlage auch indirekt affirmativ sein und somit eine produktive Verbindung von Fortschreibung und Kritik etablieren.6

      Der Fokus liegt grundsätzlich auf der Frage, welches konkrete Satireverfahren die Autorinnen und Autoren jeweils für die Bearbeitung der Märchen wählen. Häufig kommt es zu einer latenten Infragestellung der märchenhaften Erzählweise und der Figuren, die im Folgenden genauer untersucht werden soll. Um nachvollziehen zu können, wie in den Dramen mit den Märchenversionen von Perrault und den Grimms umgegangen wird, ist weiterhin zu klären, auf welche Weise die satirische Aneignung erfolgt, aus der sich nicht zuletzt das Verhältnis von Märchen und Adaptation ergibt. Daher steht im Vordergrund der folgenden Auseinandersetzung, was genau die Nähe zum Satirischen im Märchendrama über seine generischen Eigenarten aussagt.

      So vermag etwa die Distanz, die durch die Ironie entsteht, den artifiziellen Abstand, den sowohl das Märchen in seiner narrativen Überzeichnung als auch das Drama als illusionäre Kunstform bereits schaffen, produktiv zu verstärken. Auf diese Weise wird eine allzu enge Identifikation mit dem Gegenstand verhindert.7 Grundsätzlich lassen sich Termini wie Ironie, Satire, Paradox, Widerspruch, Konflikt oder Antinomie nur schwer voneinander abgrenzen, wenn man nach der Differenz zur Vorlage als fundamentale Kategorie fragt. Eine Trennung der Begriffe erscheint auch nur bedingt sinnvoll; so gehen diese beispielsweise gerade in der Romantik miteinander einher.

      Dennoch lassen sich mitunter Differenzen zwischen den Phänomenen festmachen, beispielsweise sind nicht unbedingt alle Widersprüche, Konflikte und Dilemmata paradox. Das Paradox verstehe ich als Wiederholung eines Elements, indem dieses explizit verneint wird, während die Ironie eher eine implizite Inversion darstellt.8 Mit Jens Roselt gesprochen, wird durch die Ironie eine „Pluralität von Stilen“9 gebündelt: „Die Qualität eines solchen Verfahrens ist darin zu sehen, daß sich eigentlich ausschließende ästhetische Konzepte uneigentlich integriert werden, da die ironische Perspektive das Nebeneinander differenter Möglichkeiten erlaubt.“10

      Auf Grundlage dieser Annahmen möchte ich überprüfen, ob sich das Zusammenspiel von märchenhaften und dramatischen Spezifika in den Adaptationen besonders für einen satirischen Zugriff anbietet. Andernfalls würde das Märchen wie viele andere populäre Vorlagen nur genutzt werden, um mit ihm in abgewandelter Form spielerische Kritik zu üben. Um diese Frage zu klären, werde ich untersuchen, ob die satirische Dimension der Märchendramen von den Autorinnen und Autoren über die generischen Charakteristika wie etwa die der Überzeichnung oder Stereotypie entfaltet wird. Um das Verhältnis der satirischen und anderer Bezüge im Märchendrama zu bestimmen, geht es nur vordergründig um die Frage, gegen wen bzw. was sich die Satire richtet. Entscheidender wird hier die Frage sein, aus welchen Gründen gerade die Gattung des Märchens als Instrument gewählt wurde.

      Die satirische Behandlung stützt sich nicht auf eine Kritik des Märchens an sich, vielmehr wird das Märchen als Form genutzt, um mithilfe seiner spezifischen Eigenarten Satire zu betreiben – als Sujets der kritischen Auseinandersetzung zeichnen sich bei den Märchendramen implizit oder explizit vorausgesetzte gesellschaftliche Normen und Diskurse ab. Zudem werden oftmals als solche von den Autorinnen und Autoren wahrgenommene Theaterkonventionen durch die ‚naive’ Perspektive des Märchens in Frage gestellt.

      Um den satirischen Zugriff der Märchendramen im Hinblick auf diese Hypothesen zu untersuchen, werde ich sie sowohl formal und inhaltlich als auch der Veröffentlichung der Märchendramen chronologisch folgend vorstellen. Der Zeitraum der vorliegenden Stücke umfasst beinahe 200 Jahre; daher kann eine Einordnung der Märchendramen in den jeweiligen historischen Kontext sowie eine Übersicht der theaterpraktischen und theoretischen Diskurse in diesem Rahmen nur skizzenhaft erfolgen.11 Indem der Fokus auf den satirischen Mitteln der einzelnen Dramen liegt, werden allein die zeit- und kulturgeschichtlichen Hintergründe aufgegriffen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der satirischen Dimension der Texte stehen.

      Es geht mir weniger darum, einzelne Werke und ihre Autorinnen und Autoren im Kontext ihrer Zeit vorzustellen; vielmehr möchte ich die Entwicklung und die Zusammenhänge der satirischen Tradition des Märchendramas im deutschsprachigen Raum aufzeigen. In diesem Sinne liegt das Augenmerk auf den Tendenzen der satirischen Disposition, ihrer spezifischen Ausprägung im Märchendrama und ihren Verwandtschaften untereinander. Ausgehend von Gozzi und Tieck lässt sich so eine Übersicht der märchenhaften Satirestücke geben.

      Zu bedenken ist, dass eine derartige Suggestion den Blick auf die einzelnen Stücke verändert: Im Zuge der gemeinsamen Befragung könnten satirische Tendenzen dominanter interpretiert werden, als sie sich unabhängig voneinander darstellen würden. Um einer verzerrten Interpretation entgegenzuwirken, werde ich nicht nur auf die unterschiedliche Ausprägung der Märchensatiren und Märchendramen mit satirischen Elementen, sondern auch kurz auf Ausnahmen und Gegenbewegungen eingehen. So kann nicht zuletzt auch ein besserer Überblick der Märchendramen gegeben werden.

      II.1 Komik und Ironie in Märchendramen des 19. Jahrhunderts

      August von Platen: Der gläserne Pantoffel. Eine heroische Komödie in fünf Akten (1823)

      Mit seinem Gläsernen Pantoffel1 hat Platen formal Tiecks Verfahren der Märchendramatisierung übernommen, wobei er als erster deutschsprachiger Autor zwei heterogene Märchen in einem Drama zusammenlegt – Perraults La Belle au bois dormant (zu Dt. Dornröschen) und Cendrillon ou la petite pantoufle de vair (zu Dt. Aschenputtel).2 Seine Märchenkomödie hält sich dabei eng an die beiden Märchenvorlagen und weist wie bei Tieck zahlreiche Anspielungen auf Shakespeares Werk auf.3

      Doch wenn auch zweifellos von Tieck inspiriert, geht Platen grundsätzlich in eine andere Richtung als dieser, wie auch Uwe Japp konstatiert: „Während nämlich Tieck das Nichtzusammengehörende zusammenbringt, um aus der offenkundigen Asymmetrie den Witz hervorgehen zu lassen, investiert Platen einen nicht unerheblichen intellektuellen und metrischen Aufwand, um dem Disparaten den Anschein poetisch legitimierter Plausibilität zu verleihen.“4 Platens Märchendrama nimmt sich einerseits der wundersamen Handlung beider Märchen an und schmückt diese szenisch aus, andererseits begrenzt es die märchenhaften Elemente zugunsten komödiantischer Szenen, denen Tiecks satirische Schärfe fremd ist.

      Inhaltlich gestaltet sich dies in Platens Adaptation so, dass ein König zwei Söhne hat, die auf Brautschau gehen sollen. Während sich der eine in das hundert Jahre alte Bildnis einer Fremden (Dornröschen) verliebt, tanzt der andere auf einem Ball mit Aschenbrödel. Diese ist von ihrer Patin, einer Fee, für das Fest von ihrem ansonsten durch die Stiefmutter fremdbestimmten Leben befreit worden. Wie im Märchen muss sie den Ball verlassen, ohne dem Prinzen, der ihr bereits ganz ergeben ist, ihre Identität zu offenbaren. Dem Prinzen bleibt nur ihr gläserner Schuh, den sie auf dem Ball zurücklässt. Währenddessen schläft die Königstochter Dornröschen, ebenfalls ein Mündel der Fee, vergessen in einem zerfallenen Schloss. Im Verlauf des Stückes finden schließlich beide Paare mit der Hilfe der Fee und ihres supranaturalen Gefolges auf mehr oder weniger märchenhafte Weise zusammen. Vorab jedoch sehen sich Aschenbrödel und der Prinz unter den skeptischen Blicken des verzweifelnden Königs und den spöttischen Kommentaren der anderen einigen Hindernissen ausgesetzt; die schlafende Dornröschen ahnt hingegen nichts von ihrem Verehrer.

      Der СКАЧАТЬ