Название: Das Märchen im Drama
Автор: Hannah Fissenebert
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Forum Modernes Theater
isbn: 9783823301561
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DIOBAT Hier könnten Mörder ihren Raub verscharren,
Durch nichts entdeckt; es würde mit dem Beile
Der Henker stets auf ihre Häupter harren.
Doch, was ist das, vor dem ich hier verweile?
Ein roter Vorhang, sinkt herab mit Quasten,
Befestiget an lange, goldne Seile.
Soll hinter diesem jene Dame rasten?
O Gott! Was schlägt mein Herz mir an die Rippe?
Und was vermag ich nicht, ihn anzutasten?
Vielleicht verbirgt er nichts als ein Gerippe
Mit hohlen Augen, die mir finster grollen,
Daß mir der Hauch erstarrt auf meiner Lippe!
Wo nicht, so birgt er einen Sarg, verquollen
Durch langes Alter, rötlich angestrichen,
Mit schwarzem Kreuz und runden, schwarzen Stollen.
Allein, was gilt’s, und wenn sie auch erblichen?
Was ist der Tod? Dem Tode trotzt das Leben,
Das ewig lächelnde dem fürchterlichen!
O Diobat! Du hast verlernt, zu beben!
Geht nicht im Christenvolk die große Sage,
Daß auch die Toten sich zuletzt erheben? […]6
Die Kontraststrukturen sind vergleichbar mit denen in Gozzis Werk: Während sich die adeligen Märchenpaare auf die Suche nach einander begeben und sich in Abenteuern bewähren müssen, sorgen die von Platen zugefügten Figuren der Untergebenen für unterhaltsame Szenen – so etwa wenn Prinz Astorf Pernullo bittet, ihm bei der Suche nach der verschwundenen Aschenbrödel zu helfen:
ASTOLF Sage nur, wie man der Verlorenen auf die Spur kommen kann!
PERNULLO Durch Spürhunde!
ASTOLF Immer diese Spitzfindigkeiten!
PERNULLO Sie sind keine für Euch, wenn Ihr die Spitze findet.
ASTOLF Wenn ich nur wüßte, wo ich sie suchen sollte?
PERNULLO Die Spitze meiner Spitzfindigkeiten?
ASTORF Nein, die Prinzessin.
PERNULLO Ich will euch suchen helfen.7
Ähnlich wie Gozzi personifiziert Platen hierzu die romantisch leidenden Protagonisten und kontrastiert sie durch sprachlich saloppe und gewitzte Nebenfiguren, die deren Handeln hinterfragen. So wird das dramatisch reizvolle Potential an fantastischen Elementen voll ausgeschöpft; dabei belässt es der Autor jedoch nicht, sondern betont mit der teils kritischen, teils freundlichen Kommentierung der schematisierten Märchenfiguren und ihrer unrealistischen Handlungen eben deren märchentypische Künstlichkeit. Ebenso wie bei Gozzi ist die distanzierte Haltung gegenüber der zuweilen naiven Fraglosigkeit der Märchenhelden eindeutig den unadeligen Figuren zugeteilt. Dabei zeichnet sich in den selbstbewussten Kommentaren Pernullos eine gewisse Skepsis gegenüber einer als weltfremd wahrgenommenen Aristokratie ab. Im vierten Akt etwa äußert er sich teils kritisch, teils amüsiert über die Leiden der beiden verliebten Prinzen:
PERNULLO
Ich könnte die beiden Prinzen an die Enden meines Narrenseils binden und mein Brot dabei verdienen. Der eine liebt eine hundertjährige Schönheit, der andere betet vollends einen Pantoffel an. Was soll aus unserm Hofe werden? Der eine wird die Toupets wieder einführen wollen, weil seine Geliebte weiland eins getragen; der andere wird uns zwingen, in gläsernen Stiefeln zu gehen, bis wir uns die Scherben in die Füße treten.8
Platen schafft insofern eine Komödie im Sinne von Lisa Hutcheons „paradox of parody“9, als dass er eine theatral-affirmative Vergrößerung der wundersamen Handlung beider Märchen und zugleich eine humorvolle Distanzierung von der naiv-romantischen Art ihres Personals vornimmt. So wird die Märchenvorlage durch die teils ironische Behandlung in eine tendenziell selbstreflektierende und distanzierte Zuspitzung getrieben. Große Befriedigung zieht Pernullo gerade aus dem gewitzten Schlagabtausch über das Theaterspiel mit dem intellektuell gleichgesinnten Schauspieler Hegesippus.10 Die selbstreferentiellen Elemente dieses Dialogs, die an Tiecks Thematisierung des Schauspiels in seinem Gestiefelten Kater erinnern, kreieren beim Rezipienten eine weitere ironische Distanz zum Geschehen. So konstruiert Platen eine Adaptation, die latent Ironie in sich trägt und durch ihre heiteren Satireelemente vermeidet, zu einem unreflektierten Märchenstück zu werden.
Durch diese Transformation, die sich in kontrastierender und zugleich verspielter Übertreibung äußert, wird nicht zuletzt die theatrale Verwandtschaft des Dramas und des Märchens offengelegt und betont. Dies geschieht vor allem dank des Narren Pernullo, der fröhlich Spott mit der ausgestellten Verklärtheit der märchenhaften Figuren treibt. Ähnlich wie die Masken in den Fiabe, die Platen sehr schätzt, lässt er Pernullo die Märchengeschehnisse immer wieder ironisch kommentieren.11
Nichtsdestotrotz bleibt die Distanz zum aristokratischen Märchenpersonal bei Platen, der selbst einer Adelsfamilie entstammt, dem Bereich des Närrischen verhaftet.12 Denn auch wenn Pernullo hin und wieder die wunderlichen Geschehnisse am Hof satirisch kommentiert, liegt der dramaturgische Fokus auf Aschenbrödels Hochzeit mit dem Prinzen.13 Indem allein Aschenbrödel, die klügste und anständigste Tochter eines Edelmanns, die königliche Braut werden kann, wird innerhalb des Stückes tendenziell eher der Erhalt einer sozialen und politischen Hegemonie der Aristokratie gefestigt. So bedient Platens Adaptation gängige ästhetische Selbstdarstellungen und -stilisierungen der Adelsklasse.14 Grundsätzlich wird so die gesellschaftliche Vormachtstellung des Adels durch Aschenbrödels Hochzeit mit dem Prinzen bestätigt und im glücklichen Ausgang des Stückes unhinterfragt propagiert. Allein wenn rangniedere Figuren wie Pernullo die Bestrebungen der Prinzen als närrisch und verklärt entlarven, schwingt eine leicht humorvoll formulierte Skepsis über einen weltfremd agierenden Adel mit.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Platen den Ansatz Tiecks, eine selbstironische Märchenadaptation zu erschaffen, in Teilen übernimmt und durch eine Figurenkonstellation umrahmt, die auf Gozzis kontrastreiche Dramaturgie zurückgreift. Platen wählt das Märchen, um sich der genreüblichen Stereotype seiner Figuren, der weltfremden Motive seiner Protagonisten und der fantastischen Motive seiner Handlung zu bedienen. Insgesamt zeigt sich Platens Märchenkomödie nur subtil ironisch. Mit dem Gläsernen Pantoffel strebt Platen so größtmöglichen Unterhaltungswert an und lässt von einem ernsthaften satirischen Zugriff ab.
Christian Dietrich Grabbe Aschenbrödel: Dramatisches Märchen (1829/35)
In seiner satirischen Dimension sehr viel eindeutiger zeigt sich wenig später Grabbes Bearbeitung von Cendrillon ou la petite pantoufle de vair.1 Das Motiv des Aschenbrödels, das damals immer wieder in Unterhaltungsstücken СКАЧАТЬ