Название: Zur Professionalität der Professionalisierenden
Автор: David Gerlach
Издательство: Bookwire
Жанр: Документальная литература
Серия: Giessener Beiträge zur Fremdsprachendidaktik
isbn: 9783823302025
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Im Kontext von Subjektiven Theorien, Beliefs bzw. Lehreridentitäten wird verschiedentlich herausgestellt, wie diese das Lehrer*innenhandeln beeinflussen (vgl. z.B. Borg 2006, Caspari 2014, Schart 2014), jedoch auch, wie stark sie z.B. durch eigene Schulerfahrungen oder Überzeugungen habituell geprägt sind, bezüglich verschiedenster Unterrichtsaspekte reflektiert werden müssen (z.B. Lortie 1975, Hochstetter 2011) und in einer gewissen Starrheit durch Lehrerbildung gleichsam nur schwer veränderbar bzw. optimierbar erscheinen (vgl. Crandall/Christison 2016). Kubanyiova (2016) stellt z.B. in ehrlicher und beeindruckender Weise dar, wie ein innovatives Weiterbildungskonzept für Lehrkräfte aktuellste (Unterrichts-)Forschung berücksichtigt, innovative Materialien vorbereitet und diese von aufgeschlossenen Lehrkräften bearbeitet werden, die Intervention dann aber zu keinerlei positiven Effekten im Fremdsprachenunterricht führt. Sie muss zugeben:
The naivety of such an objective [eine transformatorische Wirkung auf den Fremdsprachenunterricht durch die Lehrerbildungsmaßnahme; Anmerkung D.G.] and the predictability of this outcome in the context in which the programme was delivered are admittedly all too obvious in the light of the latest theorising about how language teachers learn. (ebd.: 1)
Gleichzeitig erkennt man bei der genauen Lektüre des Qualifizierungskonzepts, dass dieses in keiner Weise ungewöhnlich für entsprechende Maßnahmen im universitären oder Fortbildungsbereich ist.
Bezogen auf die konkrete Fremdsprachenlehrer(fort)bildung sehen Legutke/Schart (2016) zwei Strömungen: „In Aus- und Fortbildungsprogrammen werden zwei gegensätzliche Herangehensweisen praktiziert, um das Generieren des reflektierten Handlungswissens zu fördern.“ (ebd.: 31) Das eine sei ein theoriegeleiteter, der andere ein problemorientierter Ansatz, wobei letzterer „sich aus den Erfahrungen der Teilnehmenden in der Unterrichtspraxis“ (ebd.) ergibt. Fraglich bleibt dabei, wie curricular oder ausbildungs-/fortbildungsdidaktisch verankertes Wissen in Prozessen der Fremdsprachenlehrerbildung nachhaltig integriert wird. Immer wieder wird hier in der Gesamtschau der einschlägigen Literatur und empirischen Forschung Reflexivität bzw. Reflexionskompetenz als Lösung genannt. Auch das von Elbaz (1983) geprägte dynamische und auf verschiedenen Ebenen (re-)konstruierbare Personal Practical Knowledge (PPK) zeigt sich als bedeutendes Konstrukt in den einschlägigen Publikationen, das vielfach in Ergänzung an eher inhalts- und curriculumsorientierten Professionswissensbeständen von Fremdsprachenlehrkräften angelegt wird und durch die Forschung im Bereich von Lehrerkognitionen eine zunehmend wichtigere Rolle insbesondere in qualitativen Forschungszugängen zu spielen scheint. Die Folgen mangelnder PPK: „At an extreme, teachers who cannot access their PPK could be portrayed as deficient“ (Golombek 2009: 159), was wiederum für eine Reflexion und Bewusstmachung auch dieser Wissensbestände in allen Tätigkeitsbereichen spricht.
Im Sinne eines Ausbildungscurriculums auf der Inhaltsebene ist es wiederum schwierig, in Wissens- und Kompetenztests überhaupt fremdsprachendidaktisches Wissen zu modellieren bzw. Skalenreliabilität herzustellen (vgl. Roters et al. 2011, Kirchhoff 2016/2017). Die Autorinnen nennen als mögliche Gründe beispielsweise den flächendeckend geringen Anteil fachdidaktischer Seminare im Lehramtsstudium, die hohe Stabilität subjektiver Theorien über die Schulzeit und selbst erlebten Fremdsprachenunterricht hinaus, die große Komplexität einzelner fachdidaktischer Konstrukte wie zum Beispiel jenes der interkulturellen, kommunikativen Kompetenz (vgl. Byram 1997) sowie eine fehlende Kanonisierung fremdsprachendidaktischer Schwerpunkte bei einer gleichzeitig hohen Diskursivität in der Disziplin an sich. Die oben dargestellten KMK-Anforderungen für die fremdsprachendidaktisch-inhaltliche Ausgestaltung der Lehrerbildung sind, wie erwähnt, entsprechend in ihrer Unspezifität wiederholt kritisiert worden. Die Zusammenstellung putativ relevanter Inhalte scheint damit eine besondere Herausforderung für eine Disziplin der Fremdsprachendidaktik und ihrer Lehrerbildung.1 Einzelne, auch empirisch hergeleitete Ansätze sind dennoch vorhanden. Richards (1998) schlägt im Wesentlichen sechs Wissensbasen vor: Theories of teaching, teaching skills, communication skills, subject matter knowledge, pedagogical reasoning and decision-making skills und contextual knowledge. Schocker-von Ditfurth (2001) formuliert einen „[deskriptiven] Beschreibungsrahmen für die Wissensbasis der fremdsprachlichen Lehrerausbildung als Interdependenz relevanter Wissensbereiche“ (ebd.: 63), zu denen sie Selbstkompetenz, Situationskompetenz, Sachkompetenz sowie Sprachkompetenz zählt. So könnten – mit Blick in einschlägige Einführungswerke der Fremdsprachendidaktiken – weitere Kategorien vorgeschlagen oder systematisch entwickelt werden, gleichwohl zeigt sich immer auch eine latent allgemeinpädagogische Perspektive („teaching skills“ bei Richards) oder persönlichkeitsbezogene Eigenschaften einer Lehrkraft („Selbstkompetenz“ bei Schocker-von Ditfurth), die sicherlich nicht als Spezifikum eines bestimmten Fremdsprachenlehrpersonenhabitus deklariert werden sollten. Dass gemeinhin seit der Shulman’schen Einteilung in den 80er Jahren fachdidaktisches Wissen als eine Art „Amalgam“ von pädagogischem Wissen und Fachwissen gilt (vgl. Schulman 1987), schlägt sich in diesen vagen Beschreibungsversuchen komplexer Gegenstände nieder. Inwiefern dann eine Theorie-Praxis-Problematik vorliegt, müsste innerhalb der Fremdsprachendidaktik möglicherweise noch diskutiert werden, wenn Radtke (1996) zu Recht anmerkt:
Aus revidierter Sicht ist die Vermittlung von Theorie und Praxis nicht länger ein Transferproblem, sondern ein Problem unterschiedlicher Wissensstrukturen, deren Transformation oder, grundsätzlich, deren Transformierbarkeit zur Debatte steht. (ebd.: 51; Hervorhebungen im Original)
Diese Komplexität des Fremdsprachenlehrer*innenhandelns, seine Reflexion und die Diffusität fremdsprachendidaktischen Wissens führen zu möglichen Annahmen über die Konstrukte Fremdsprachenlehrerprofessionalität und -professionalisierung, welche hier grob zusammengefasst werden sollen (s. Tabelle 2).
Auch wenn hier kein Fächervergleich vorgenommen wird, kann der Fremdsprachenlehrkraft eine besondere Professionalisierungsbedürftigkeit unterstellt werden (vgl. z.B. Schart 2014, Caspari 2016). Möglicherweise existiert, im Anschluss an die schulpädagogische Professionsforschung und Bourdieu, ein spezifischer Berufshabitus für Lehrerinnen und Lehrer, die moderne Fremdsprachen unterrichten, obwohl wir weiterhin sehr wenig über sie wissen.2 Fremdsprachenlehrerbildung (und ihre Erforschung) muss daher Strukturen und Lern- sowie Reflexionsgelegenheiten schaffen, um diese Professionalisierung zu begleiten. Nach dem Studium (vgl. hierzu auch König 2017) gilt insbesondere der Vorbereitungsdienst als qualifizierende Phase für die Tätigkeit als (Fremdsprachen-)Lehrkraft, weswegen diese im Folgenden näher beleuchtet werden soll.
Annahmen zu Fremdsprachenlehrerprofessionalität | (Mögliche) Folgen für Fremdsprachenlehrerbildung (FSLB) |
Die Fremdsprachendidaktik offenbart sich als gering strukturierte Wissensdomäne. | FSLB muss eine Vorstrukturierung/Reduzierung relevanter Wissensbereiche vornehmen und diese vermitteln oder die Lehrperson muss diese selbst (reflexiv) erschließen. |
Aufgrund der geringen Strukturiertheit mit gleichzeitiger Abhängigkeit von fachdidaktischem Wissen zeigt sich im Anforderungsbereich des fremdsprachlichen
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